Widerstand
Grüne und Provider gegen Internetüberwachung
13.03.2008
Grüne wollen die Novelle mit einer VfGH-Klage kippen. Unterdessen laufen sowohl die Provider als auch die WKO dagegen Sturm.
Die Grünen wollen die Anfang Dezember 2007 beschlossene Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz (SPG) mittels Klage beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) bis spätestens Herbst dieses Jahres kippen. Ein entsprechender Individualantrag sei bereits am 3. März in ihrem Namen eingebracht worden, erklärte die Wiener Landtagsabgeordnete und Technologiesprecherin Marie Ringler auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz am Donnerstag in Wien. Darüber hinaus will Pilz SPÖ und FPÖ dazu einladen, die Novelle gemeinsam mit den Stimmen der Grünen zurückzunehmen.
Laut Ringler seien durch das SPG eine Reihe von Verfassungsbestimmungen verletzt: Etwa das Fernmeldegeheimnis, welches Inhaltsdaten schützt. Das SPG erlaubt zwar nur Übermittlung von Verkehrsdaten - also der Zuordnung von IP-Adressen zu Name und Anschrift des Users. Für Ringler seien dadurch aber auch Rückschlüsse auf den Inhalt möglich. So könne etwa ermittelt werden, wer zu welcher Zeit sich in einem bestimmten Internet-Chat aufgehalten habe. Dadurch wisse man aber mehr als nur Namen und Adresse des Betroffenen. Auch durch die Bestimmungen betreffend der Ortung von Mobiltelefonen sieht Ringler das Fernmeldegeheimnis verletzt. Denn das Gesetz erlaube ausdrücklich den Gebrauch sogenannter "IMSI-Catchern", welcher die direkte Lokalisierung von Handys zum Zweck hätte.
Verstößt Gesetz gegen Menschenrechtskonvention?
Auch
die Europäische Menschenrechtskonvention (EGMR) sei durch die SPG-Novelle
verletzt, so die Grünen. Denn die EGMR erlaubt nur unter bestimmten
Bedingungen den Eingriff in das "Recht auf Privatleben" und müsse
"verhältnismäßig" sein - dies sei aber durch das SPG nicht gewährleistet.
Darüber hinaus verstoße das SPG auch gegen das Grundrecht auf Datenschutz.
Bemängelt wird von den Grünen auch fehlender Schutz gegen Missbrauch und die
Ausschaltung der richterlichen Kontrolle.
Provider protestieren gegen Internetüberwachung
Der Verband
der österreichischen Internet Service Provider (ISPA) und die Sparte
Information und Consulting in der Wirtschaftskammer (WKÖ-BSIC) haben das
neue Sicherheitspolizeigesetz (SPG) scharf kritisiert. Darüber hinaus
stellten sich ISPA-Präsident Roland Türke und WKÖ-BSIC-Obmann Hans-Jürgen
Pollirer in einer Pressekonferenz am Donnerstag gegen eine allfällige
Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ("Data Retention"
und Online-Durchsuchung). Es gebe zahlreiche Argumente, um auf europäischer
Ebene eine Änderung der Richtlinie einzufordern, sagte Pollirer.
Zwar unterstütze man grundsätzlich die Idee von präventiven Sicherheitsmaßnahmen, so der WKÖ-BSIC-Obmann zur im Dezember von der Koalition verabschiedeten SPG-Novelle. Allerdings gebe es zahlreiche "Grauzonen". So sei etwa unklar, wer aller Auskunft verlangen darf - dies sei im Gesetz nicht klar geregelt. Ebenso bestünden ungeklärte "Auslegungsfragen" im Gesetz: So sei etwa der Begriff "konkrete Gefahrensituation", unter welcher es zur Datenweitergabe kommen darf, nicht klar genug. Kritisch sieht Pollirer auch die "umfangreichen Ausdehnung" der Daten, über die Auskunft gegeben werden muss sowie die Erweiterung des Kreises der Auskunftspflichtigen. So müssten nun etwa auch Betreiber von Webshops Auskunft geben.
Ineffiziente Voratsdatenspeicherung
Ein klares Nein kam von Türke
zur Vorratsdatenspeicherung. Er verwies auf eine an der Uni Wien
durchgeführte Studie, wonach eine solche extrem ineffizient sei und
Eingriffe in die Grundrechte in Kauf nehmen, die zum Ergebnis in keiner
Relation stünden. Studien-Autor Ludwig Gansterer verwies auch auf technische
Probleme - so sei etwa die Überwachung von Email-Verkehr oder
Online-Telefonie nur sehr eingeschränkt möglich. Für Türke wäre die
Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung "rausgeschmissenes Geld", das
angesichts der geringen Effizienz besser in Aufklärungsarbeit der Kunden
investiert wäre.