Noch gut 100 Stunden bis zur Angelobung: Alfred Gusenbauer nennt im großen ÖSTERREICH-Interview seine Minister-Pläne und seine Verhandlungsziele.
ÖSTERREICH: Gibt es bereits einen Zeitplan für die entscheidenden letzten
100 Stunden bis zur Angelobung der Regierung?
Gusenbauer: Es ist
sicher so, dass wir auf Ebene der Parteivorsitzenden, der Klubobleute und
der Finanzleute in vielen informellen Gesprächen – und da wird das ganze
Feiertags-Wochenende mit Hochdruck gearbeitet – die letzte große
Verhandlungsrunde am Montag vorbereiten, damit der Montag eine echte
Schlussrunde sein kann. Das heißt also: Montag Verhandlungsabschluss,
Dienstagvormittag die Parteigremien, die das Ergebnis beschließen, Mittwoch
will ich dann bei der Neujahrskonferenz die Grundzüge der künftigen
Regierungsarbeit erläutern und es sollen dort auch jene Persönlichkeiten
auftreten, die der Bundesregierung von unserer Seite angehören – und am
Donnerstagvormittag soll, wenn ich das richtig verstehe, die neue
Bundesregierung vom Bundespräsidenten angelobt werden.
ÖSTERREICH: Und das wird reibungslos funktionieren?
Gusenbauer:
Also dass es bei einzelnen Punkten sicher noch eine Reihe von Problemen
geben kann, dass es noch ein bisschen knirschen kann im Getriebe, ist klar.
Aber am Zeitplan wird sich nichts ändern.
ÖSTERREICH: Und wenn die ÖVP meint, dass die eine oder andere Verhandlung
noch ein paar Tage länger dauert...
Gusenbauer: ... das
schließe ich aus. All diese Dinge kann man beim erforderlichen politischen
Willen in kürzester Zeit klären – und wenn man den politischen Willen nicht
hat, dann nützen auch mehr zusätzliche Tage nichts.
ÖSTERREICH: Das heißt: Montagabend ist die Regierung inklusive
Ministerien-Verteilung ausverhandelt?
Gusenbauer: Richtig.
ÖSTERREICH: Hat die SPÖ schon einen klaren Plan, welche Ministerien sie
will?
Gusenbauer: Da stellt sich zunächst einmal die grundsätzliche
Frage, wie viele Ministerien es überhaupt geben soll. Wir haben bisher 19
Regierungsmitglieder – und ich glaube auch, dass man nicht mehr braucht.
Mein Ziel ist es aber, die Aufteilung in elf Minister und sieben
Staatssekretäre zu ändern. Ein Staatssekretär ist nicht billiger als ein
Minister – hat aber den erheblichen Nachteil, dass er keinen eigenständigen
Verantwortungsbereich hat und dass er für die Öffentlichkeit nur ein
Regierungsmitglied „zweiter Ordnung“ ist. Was vor allem für unsere
Vertretung in der EU sehr ungünstig ist. Daher glaube ich, dass wir die
Bereiche, die derzeit durch Staatssekretäre abgedeckt werden, in Zukunft
durch Minister erledigen sollten. Das wäre eine vernünftige Neuordnung der
Regierung.
ÖSTERREICH: Das heißt, anstelle von etwa fünf Staatssekretären soll es in
Zukunft fünf zusätzliche Minister geben?
Gusenbauer: Neue
Minister, nicht unbedingt neue Ministerien. Es kann in einem Ministerium,
einem Haus durchaus zwei eigenständige Verantwortungsbereiche geben – ohne
dass es mehr Beamte gibt. Damit wären wir als Regierung in Europa viel
besser aufgestellt.
ÖSTERREICH: Das heißt, es wird neue Ministerien geben. Ein eigenes
Frauenministerium? Ein Kulturministerium?
Gusenbauer: Ein eigenes
Frauenministerium kommt sicher, das brauchen wir. Ein eigenständiges
Kulturministerium ist, wie schon der ehemalige Minister Rudi Scholten immer
sagt, nicht so sinnvoll, weil ein Minister, der ein wichtiges Ressort führt
– wie Wissenschaft, Bildung oder ein Ressort im Kanzleramt – letztlich für
Kunst und Kultur viel durchsetzungsfähiger ist, als ein Minister, der nur
ein schmales Kunstbudget hat. Der wäre arm dran.
ÖSTERREICH: Ein eigenes Kulturministerium gibt es nicht?
Gusenbauer:
Das hat sich in der Diskussion so durchgesetzt. Kultur wird ein
Regierungsschwerpunkt, soll nicht unter die Räder kommen.
ÖSTERREICH: Für welche Bereiche brauchen Sie dann bis zu fünf neue
Minister?
Gusenbauer: Da ist zunächst die Frage, ob es weiter
gescheit ist, Landwirtschaft und Umwelt beisammen zu lassen. In diesem
Ministerium gibt es Interessensgegensätze – und gerade bei der Dimension,
die die Umweltfrage in den nächsten vier Jahren einnimmt, wird es ein ganz
starkes Thema der neuen Regierung sein – und da sollten wir überlegen, ob es
nicht sinnvoll ist, aus dem Bereich Umwelt wieder ein eigenständiges
Ministerium zu machen, damit wir zum Beispiel rasch die Kyoto-Protokolle
umsetzen. Es stellt sich auch die Frage, ob es gescheit ist, Bildung und
Wissenschaft als Mega-Ressort zu führen. Wir haben eine so große
Bildungs-Offensive vor, dass ein künftiger Unterrichtsminister mit der
Schulreform alle Hände voll zu tun hat. Da wäre es sinnvoll, ein eigenes
Ressort für Wissenschaft, Universitäten, eventuell auch Kultur zu schaffen.
Und es ist auch die Frage, ob es im Kanzleramt so etwas wie einen
Staatsminister geben soll. Aber das sind nur Optionen, keine dogmatische
Festlegung.
ÖSTERREICH: Das heißt: Am Schluss der Verhandlungen Montag steht auch
noch eine große Regierungs- und Ministerien-Reform?
Gusenbauer:
Genau, das ist mein Ziel. Auch weil ich glaube, dass eine neue Große
Koalition verdeutlichen soll, dass es sich um eine neue Form des Regierens
handeln soll, damit man nicht in Fehler der Vergangenheit zurückfällt, damit
diese Regierung auch ein ganz anderes Verhältnis zum Parlament hat und das
Parlament stark in die Arbeit einbezieht. In der Vergangenheit ist die
Regierung über das Parlament drübergefahren. Schlecht! Ich will Politik als
neue Form der Kommunikation, dafür braucht man auch Zeit.
ÖSTERREICH: Wenn es an die Verteilung der Ministerien geht, wird’s vor
allem in einem Fall heikel: Wer bekommt den Finanzminister?
Gusenbauer:
Ich habe immer gesagt: Wichtig in einer Regierung ist, dass das Verhältnis
zwischen Finanzminister und Bundeskanzler ein Vertrauensverhältnis ist, weil
das der Kern des Funktionierens einer Regierung ist. In der Vergangenheit
hat man daraus geschlossen, dass sie derselben Partei angehören müssen, was
ja nicht immer – siehe Kreisky – automatisch ideal war. Deshalb gilt:
Finanzminister kann nur einer werden, auf den sich beide Regierungspartner
verständigen können. Der Finanzminister als Gegner des Bundeskanzlers ist
ein Konzept, das nicht funktioniert.
ÖSTERREICH: Das hieße, dass Grasser, Schüssel oder Molterer nicht in
Frage kommen.
Gusenbauer: Das habe ich nicht gesagt.
ÖSTERREICH: Aber das sind Ihre politischen Gegner – spätestens vor der
Wahl.
Gusenbauer: Eine Große Koalition, die auf wechselseitige
Gegnerschaft angelegt ist, ist kein Zukunftsprojekt. Und überhaupt: Es ist
noch nicht ausgemacht, wer das Vorschlagsrecht für den Finanzminister hat.
Das kann durchaus die SPÖ sein. Die ÖVP hat da von uns keine Zusage, das ist
offen.
ÖSTERREICH: Wenn die ÖVP den Finanzminister nicht bekommt, wird die
Große Koalition im Finish scheitern.
Gusenbauer: Wer sagt das?
Niemand soll sich in Positionen eingraben, sonst kommt er aus dem Loch nicht
raus. Entschieden wird das am Schluss als Gesamtpaket. Und da gilt: Entweder
es gibt alles oder nichts. Das ist so bei einem Gesamtpaket. Da muss es eine
faire Verteilung der Ministerien geben, da muss es eine einvernehmliche
Einigung auf den Finanzminister geben – und da muss auch allen klar sein,
dass Weihnachten vorbei ist. Und dass es keine Wünsche ans Christkind mehr
gibt.
Montag IN „ÖSTERREICH“ TEIL 2. Gusenbauer über die knackpunkte, den Eurofighter, die Studiengebühren und seine ersten Pläne als Kanzler.
Interview: Wolfgang Fellner