ÖSTERREICH
Gusenbauer rüffelt die ÖVP
18.08.2007
Seit sieben Monaten ist die Große Koalition im Amt. Im ÖSTERREICH-Sommergespräch zieht Kanzler Gusenbauer eine kritische Bilanz.
Große Koalition – große Probleme: Die erste Sommerbilanz von Alfred Gusenbauer nach rund sieben Monaten Regierungszusammenarbeit mit der ÖVP fällt ernüchternd aus. „Das erste halbe Jahr war nicht jene Balance, die sich viele –inklusive mir – vorgestellt haben. Das ist absolut verbesserungswürdig“, so Gusenbauer im ÖSTERREICH-Interview.
ÖVP sagt immer nein
Gusenbauer erteilt dem Koalitionspartner
ÖVP einen Rüffel. Die ÖVP verlege sich zu oft aufs Nein-Sagen, ver- und
behinderte Vorhaben, sei stur und die Regierungs-Zusammenarbeit sei ein
tägliches, zähes Ringen. Gusenbauer: „Die ÖVP muss wieder staatstragender
werden.“
Schlechtes Koalitions-Zeugnis
Damit erreicht das Koalitions-Klima
einen neuen Tiefststand, denn die inhaltlichen Differenzen zwischen SPÖ und
ÖVP sind in den vergangenen Wochen gewachsen: Bei Bildungsfragen, Kindergeld
oder Fremdenrecht – bis hin zum Dauer-Streitthema Eurofighter: Die
Koalitionsparteien lassen keine Gelegenheit für Streitereien aus.
Umfrage-Dilemma
Die Bevölkerung goutiert das ständige
Regierungs-Gerangel keineswegs: In der aktuellen Gallup-Umfrage für
ÖSTERREICH betonen 48 Prozent der Österreicher, dass die Stimmung in der
Bevölkerung gegenüber der ÖVP schlecht sei. 45 Prozent stellen dieses
Zeugnis der SPÖ aus. Gusenbauer: „Wenn die Menschen der Regierung nicht
vertrauen, verstehe ich das völlig.“ Denn die ständigen Streitereien seien
für die Bürger längst nicht mehr nachvollziehbar.
ÖVP als Blockierer
Tatsache ist: 46 Prozent der Österreicher
sind der Meinung, dass die Koalition nicht funktioniert. 45 Prozent der
Befragten betonen, die ÖVP behindere die Arbeit in der Koalition – nur 16
Prozent sehen die SPÖ als blockierende Partei. Allerdings: 53 Prozent
meinen, die ÖVP könne sich in der Großen Koalition besser durchsetzen, nur
25 Prozent meinen, die SPÖ gebe den Ton an. Gusenbauers Antwort: „Wenn man
wie die SPÖ Dinge positiv verändern will, dann muss man kompromissbereit
sein. Wenn man wie die ÖVP nur seinen sturen Standpunkt vertreten will, dann
ist es einfach.“
Die nächste Runde im koalitionsinternen Streit ist durch den Kanzler-Rüffel für die ÖVP jedenfalls vorprogrammiert.