Bundeskanzler Alfred Gusenbauer läßt sich von der ÖVP in Sachen EU nicht unter Druck setzen.
Gusenbauer hat am Dienstagnachmittag die Aufforderung von ÖVP-Chef Wilhelm Molterer, rasch wieder auf die frühere gemeinsame Europa-Linie einzuschwenken, zurückgewiesen. "Ich weiß nicht, was diese absurde Aufforderung soll", sagte der SPÖ-Chef bei einer Pressekonferenz der gesamten SPÖ-Regierungsriege mit Ausnahme des designierten SPÖ-Chef Werner Faymann, der laut Gusenbauer krank im Bett lag.
"Beim nächsten Vertrag muss Bevölkerung einbezogen werden"
Gusenbauer
erklärte, die SPÖ trete ein für ein "soziales Europa". Der Vertrag von
Lissabon sei mit den Stimmen der Sozialdemokratie ratifiziert worden. Klar
sei, dass beim nächsten großen Vertrag die Bevölkerung besser einbezogen
werden muss - so wie beim EU-Beitritt 1994. Den Schwenk der SPÖ begründete
er einmal mehr mit der EU-Skepsis der Österreicher: "Ein Europa ohne
Europäer wird nicht funktionieren." Die ehemalige Europapolitikerin
Justizministerin Maria Berger sagte, für sie habe sich an der klaren
Pro-europäischen-Haltung der SPÖ nichts geändert.
Das eigentliche Thema der Pressekonferenz waren die mit heutigen Tag wirksam werdenden Maßnahmen gegen die Teuerung (Erhöhung der Pendlerpauschale und des Kilometergeldes, Abschaffung bzw. Reduzierung der Arbeitslosenbeiträge für Niedriglohnbezieher). "Der 1. Juli ist für die österreichische Bevölkerung ein guter Tag", frohlockte der Kanzler. Gleichzeitig betonte Gusenbauer, man werde jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. Es gehe nun um die Frage, wie man die für die Steuerreform geplanten 2,7 Mrd. Euro verteile. Volumen und Zeitpunkt (2010) stünden aber außer Streit.
Ob es morgen vor dem Ministerrat ein gemeinsames Foyer von Kanzler und Vizekanzler geben wird, war vorerst unklar. Sozialminister Erwin Buchinger (S) will jedenfalls die von ihm geplante Pflegegelderhöhung um fünf Prozent morgen im Ministerrat zur Diskussion stellen. Sollte eine Einigung gelingen, möchte er bereits nächste Woche eine Vorlage in den Ministerrat einbringen. Zu den Neuwahlspekulationen wollte sich Gusenbauer nicht äußern, dies sei nicht seine Aufgabe.