Auf seiner Südamerikareise soll der Kanzler in Argentinien gesagt haben: "Bei uns sind Senatoren nach 16 Uhr kaum noch bei der Arbeit anzutreffen."
Ein Scherz von Kanzler Alfred Gusenbauer – noch dazu im fernen Argentinien – erregt Österreichs Politik. Schon am vergangenen Freitag heischte Gusenbauer im argentinischen Kongress um Lacher: „Bei uns sind Senatoren nach 16 Uhr kaum noch bei der Arbeit anzutreffen.“ Das Gelächter kam – allerdings auch das Donnerwetter heimischer Politiker für den noch in Südamerika weilenden Kanzler: „Viele Abgeordnete sind über den Kanzler sehr verärgert – zu Recht“, wies SPÖ-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer den Witz „auf das Schärfste“ zurück. Sie werde mit Gusenbauer „ein klärendes Gespräch“ führen – „eventuell nach 16 Uhr“.
Schroff reagierte Bundesratspräsident Helmut Kritzinger (ÖVP), dessen Bundesräte mit argentinischen „Senatoren“ gleichzusetzen sind: Diese Herabwürdigung ist „ein Armutszeugnis für einen amtierenden Kanzler“. SPÖ-Nationalrat Josef Broukal richtete Gusenbauer aus: „Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut.“ Für ihn treffe ein Dienstschluss um 16 Uhr nicht zu und auch nicht für Gusenbauer selbst.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie zum Witz des Bundeskanzlers in
Argentinien? Autor: gü |
Fall für Präsidiale
Während FPÖ-General Harald
Vilimsky über den „Eklat der Sonderklasse durch den Rotwein-Kanzler“ tobte,
will die 3. NR-Präsidentin Eva Glawischnig den Fall in der Präsidiale
besprechen. Humor zeigt SPÖ-Bundesrat Albrecht Konecny: „Ich liebe
schnoddrige Bemerkungen. Mir passieren sie auch.“
Kanzler überrascht
Gusenbauer zeigte sich von der Debatte
überrascht: Die Bemerkung sei am Freitag vor Pfingsten gefallen – da seien
Senatoren wie die Bevölkerung Argentiniens oft schon im langen Wochenende,
so ein Kanzler-Sprecher.
SPÖ: nicht betroffen
Andere sozialdemokratische Abgeordnete
sind wiederum nicht persönlich beleidigt. Die roten Mandatare Josef Broukal,
Hannes Jarolim und Melitta Trunk fühlen sich einfach nicht angesprochen. Sie
würden täglich 12 Stunden und mehr arbeiten, meinen sie und beziehen die
Gusenbauer-Aussage daher nicht auf sich. Wenngleich Trunk einräumt: "Ein
in Österreich nicht ganz gelungener Scherz".
ÖVP: tut man nicht
Nicht so locker nimmt man den Sager bei
den anderen Parteien. Der Zweite Nationalratspräsident Michael Spindelegger
von der ÖVP glaubt zwar, dass mit "Senatoren" die Bundesräte
und nicht die Nationalratsabgeordneten gemeint waren, findet die Aussagen
aber so oder so "nicht gerade förderlich". Es sei ein
politischer Grundsatz, dass man sich im Ausland nicht über das eigene Land
lustig macht, so Spindelegger.
ÖVP-Vizeklubchef Günter Stummvoll schlägt in die gleiche Kerbe. Er findet es inakzeptabel, dass sich Gusenbauer über die Parlamentarier lustig mache und ihre Arbeit abwerte.
FPÖ: Eklat der Sonderklasse
FPÖ-Generalsekretär Harald
Vilimsky ortet einen "Eklat der Sonderklasse", schimpft Gusenbauer "Rotwein-Kanzler"
und fordert eine Entschuldigung. Weiters will Vilimsky dazu eine
parlamentarische Anfrage einbringen.
BZÖ: nicht bei Sinnen
BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz
verlangt von SPÖ-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, ihren Parteifreund
nach seiner Südamerika-Reise zu fragen, "ob er noch bei Sinnen ist".
Der Kanzler entwickle sich zum diplomatischen Sicherheitsrisiko im Ausland,
daher solle er vor seiner nächsten Auslandsreise diplomatisch gebrieft
werden, so Grosz.
Gusenbauer hat nicht zum ersten Mal für schlechte Stimmung unter den Abgeordneten gesorgt. Kurz nach seinem Amtsantritt als SPÖ-Vorsitzender hatte er über seine Abgeordneten gemeint, ein Drittel könne seinem Leistungsprinzip gerecht werden, ein Drittel sei zu vergessen und ein Drittel "resozialisierbar".