Letzte Umfrage vor Wien-Wahl
Häupl liegt 2 % unter der Absoluten
02.10.2010
Am Sonntag stehen die großen TV-Duelle auf ORF 2 und ATV an.
Vor einer Woche hat Gallup das spannende Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Steirer-Wahl samt knappem Voves-Sieg punktgenau für ÖSTERREICH vorhergesagt. Jetzt prognostizieren die Gallup-Meinungsforscher ein ähnlich dramatisches Wahlfinale für Wien.
Laut letzte Woche ganz aktuell durchgeführter Gallup-Umfrage für ÖSTERREICH (800 telefonisch Befragte) hätte die SPÖ die absolute Mehrheit hauchdünn verfehlt, wenn die Wien-Wahl schon am heutigen Sonntag stattfinden würde.
Die Wien-Umfrage
FPÖ liegt schon bei 21 %, ÖVP stürzt auf 17 % ab
In der aktuellen Gallup-Umfrage erreicht die SPÖ in Wien 46 % – das sind 3 % weniger als 2005 und 1 % weniger als in der Vorwoche. Für die absolute Mehrheit sind zumindest 47,5 % notwendig – Häupl fehlen also 2 % auf den Sieg.
Gleichzeitig hat HC Strache sein Wahlziel von mehr als 20 % fast schon erreicht: Die FPÖ liegt laut Gallup bereits bei 21 % – und das obwohl sie in Umfragen durch fehlende Bekenner meist 2 % schlechter liegt als bei den Wahlen.
Enttäuschend die ÖVP mit nur 17 % – sogar 2 % weniger als bei der verheerenden Niederlage 2005. Die Grünen haben sich bei 12 % stabilisiert – legen zur Vorwoche 2 % zu. Das BZÖ ist mit 2 % ohne Chance. Interessant: Die FPÖ punktet klar bei Männern, Arbeitern und Jungen. Die SPÖ mit Häupl bei den Jungen, den Pensionisten und den Frauen.
27 % aller Wähler sind noch „unentschlossen“
Exakt 27 % aller Wiener – also fast 400.000 Wähler – sind noch unentschlossen, wem sie Sonntag ihre Stimme geben. Freilich liegt Häupl mit der SPÖ bei den Unentschlossenen ganz klar in Führung. 45 % aller Unentschlossenen würden Häupl wählen, nur je 20 % die ÖVP oder die FPÖ.
Gelingt es Häupl, im Finale die Unentschlossenen zu mobilisieren, kann er am Wahlabend auf bis zu 48 % und damit eine klare „Absolute“ kommen. Mobilisiert Häupl die Unentschlossenen nicht, kann er auf 44 % abstürzen und die FPÖ auf 24 % zulegen.
Entsprechend dramatisch wird das Finale, das heute um 11 Uhr auf ORF 2 und um 20.15 auf ATV mit den TV-Duellen beginnt. Es wird ganz knapp …
Koalition stürzt im Bund weiter ab
Während die SPÖ in Wien bei den letzten Umfragen 46 % erreicht, liegt sie im Bund deutlich schlechter. Sie erreicht nur noch 31 % und stürzt damit im Vergleich zur letzten Umfrage vor zwei Wochen wieder um einen Prozentpunkt ab. Die SPÖ liegt damit freilich noch 2 % Prozent über ihrem Ergebnis der Nationalratwahl von 2008 (29,3 %).
Die Sonntagsfrage
Die ÖVP verliert ebenfalls und liegt jetzt schon unter der 30-Prozent-Marke. Nur noch 29 % sind für Pröll der Tiefstwert seit Beginn der Koalition.
Weiter im Aufwind ist die FPÖ: Sie schneidet mit 22 % bundesweit noch besser ab als in Wien. Die Grünen stagnieren bei derzeit 10 %. Das BZÖ liegt bei 4 % – weiter unter dem Wahlergebnis von 2008. In der Kanzlerfrage liegt Werner Faymann (SPÖ) mit 34 % klar vor Josef Pröll (ÖVP), der auf 32 % kommt.
Lesen Sie auf Seite zwei das große Interview mit Michael Häupl
Am Sonntag um 11 Uhr wird’s auf ORF 2 brutal. Michael Häupl tritt erstmals mit HC Strache in den Ring – zum offenen Schlagabtausch vor der Wien-Wahl. Im Interview mit ÖSTERREICH legt Häupl schon mal den Umgangston für heute Vormittag fest: „Der größte Hassprediger in der Stadt ist Herr Strache.“
Und gleich im Drüberstreuen gibt Häupl der FPÖ bundesweit den Gnadenschuss und richtet der SPÖ in der Steiermark aus: „Eine Koalition mit der FPÖ verletzt den Bundespartei-Beschluss der SPÖ. Der Beschluss gilt für alle – auch für die Steirer. Punkt.“
Michael Häupl sucht in den letzten Tagen die offene Konfrontation mit Strache und der FPÖ. Er weiß: Das Gut-Böse-Duell mit dem „Gottseibeiuns“ aller Roten, dem Fast-Nazi HC, mobilisiert seine Basis.
Und das ist genau das, was Häupl jetzt braucht: Die große Mobilisierung der potenziellen SPÖ- und Bürgermeister-Wähler in der Stadt. Wenn Häupl seine Sympathisanten Sonntag zur Stimmabgabe bringt, hat er 48 % – und die „Absolute“. Bleibt nur ein Fünftel der SPÖ-Wähler zu Hause, droht der Absturz auf 44 % – und eine ungeliebte Muss-Koalition mit der ÖVP.
Abschied bei 44 %?
Im Interview mit ÖSTERREICH lässt Häupl erstmals anklingen, wie seine Zukunft aussieht. Gibt’s Sonntag die „Absolute“ macht er wohl zwei weitere Amtsperioden – sprich 10 Jahre – weiter. Häupl: „Mit 66 Jahren fängt das Leben erst an.“
Gibt’s Sonntag eine Niederlage und keine „Absolute“ deutet alles auf einen Häupl-Abschied hin. Dazu ist ihm nur ein Satz zu entlocken: „Dann werfe ich ganz sicher nicht von heute auf morgen das Hangerl.“
Doch ein Verfehlen der Absoluten kommt im Häupl-Szenario nicht vor. Der Bürgermeister ist in den letzten drei Wochen richtig aufgeblüht. Beim Interview präsentiert er sich in strahlender Laune und Bestform. „Ich liebe Wahlkämpfe“, sagt er. Und: „Die Woche vor einer Wahl ist immer die lustvollste.“ Und die beginnt am Sonntag mit dem TV-Showdown mit dem „Hassprediger“ …
ÖSTERREICH: Wie ist Ihre Stimmung nach vier Wochen hartem Wahlkampf?
Michael Häupl: Emotionell großartig. Ich liebe Wahlkämpfe. Die Woche vor einer Wahl ist immer meine lustvollste, weil da die wirkliche Challenge, die Herausforderung, kommt. Es lohnt sich ja, um diese Stadt zu kämpfen.
ÖSTERREICH: Im letzten Interview haben Sie gesagt: Ihre Stimmung ist so gut – Sie bleiben bis zum 90er.
Häupl: Auf das Interview werde ich regelmäßig angesprochen und präzisiere es deshalb: Es macht mir so viel Spaß, dass ich von der Stimmung her bis zum 90er bleiben würde, wenn mich die Wähler wollen und ich gesund bleib.
ÖSTERREICH: Realistisch sind noch zwei Amtsperioden, wenn Sie gewinnen?
Häupl: Im Gegensatz zu anderen garantiere ich, dass ich die ganze Periode Bürgermeister bleibe, wenn mich die Wähler so wollen, wie ich hoffe. Dann bin ich 66 – und dann fängt – wenn ich Udo Jürgens zitieren darf – das Leben erst an.
ÖSTERREICH: Und wenn Sie die Absolute verlieren?
Häupl: Dann werfe ich ganz sicher nicht von heute auf morgen das Hangerl, wie sich das der Herr Strache wünscht – aber es ist mir schon wichtig, den Wienern zu sagen, dass ich diese Stadt ohne absolute Mehrheit nicht so gut regieren kann, wie sie das bisher gewohnt waren.
ÖSTERREICH: Warum ist eine Koalition schlecht?
Häupl: Weil es heute in der modernen Stadtpolitik aufs Tempo ankommt. Weil heute Städte in einer weltweiten Konkurrenzsituation stehen – in den Betriebsansiedlungen, in der Forschung – wo man nicht langsamer werden darf, sondern in Zukunft noch schneller werden muss. Eine Koalition würde das Tempo der Entwicklung in dieser Stadt verlangsamen – und das wäre ganz schlecht für Wien. Dann wird blockiert, getäuscherlt – und nix geht weiter.
ÖSTERREICH: Wie sehen Sie die Steiermark-Wahl?
Häupl: Super. Wahlziel von Franz Voves war es, stimmenstärkste Partei zu werden. Und das hat er erreicht.
ÖSTERREICH: Freilich ist Voves genau zu der Koalition gezwungen, die Sie nicht wollen – er überlegt intensiv Rot-Blau, also mit der FPÖ.
Häupl: Franz Voves war in der Wahlnacht konfrontiert mit einer intellektuell außer Rand und Band geratenen ÖVP, die die größte Niederlage ihrer Geschichte wie den größten Sieg gefeiert hat und meinte, als größter Verlierer dem Sieger die künftige Politik diktieren zu können. Da verstehe ich Franz Voves völlig, wenn er sagt: So nicht! Aber ich will hier deutlich sagen: Eine Koalition mit der FPÖ, mit einer Partei, die Muezzins im Internet abschießt und Gewaltaufrufe verbreitet, darf es für keine Landesorganisation der SPÖ geben. Auch nicht für die Steirer.
ÖSTERREICH: Warum nicht?
Häupl: Weil wir einen klaren Beschluss der Bundespartei haben, der das ausschließt. Und weil solche Beschlüsse ernst zu nehmen sind und sich alle daran zu halten haben.
ÖSTERREICH: Und dass in der Steiermark im Proporz eine Zusammenarbeit ohne Koalition gefunden wird?
Häupl: Eine Zusammenarbeit in einer Regierung ohne Koalition geht nicht. Und eine Koalition mit der FPÖ verletzt unseren Bundespartei-Beschluss.
ÖSTERREICH: Sie sagen klar: Eine Koalition SPÖ–FPÖ in der Steiermark erlaubt der SPÖ-Parteibeschluss nicht?
Häupl: So ist es. Eine Koalition SPÖ–FPÖ geht nicht. Der Beschluss gilt für alle – auch für die Steirer. Mir ist das deshalb so wichtig, weil es hier für die SPÖ um Moral und Ethik geht. Eine Koalition mit einer Partei, die Gewaltaufrufe macht und Grenzüberschreitungen der Demokratie begeht, ist für die SPÖ nicht möglich. Das ist für mich eine Frage der politischen Hygiene – da hört sich jede politische Taktik auf.
ÖSTERREICH: Da gehen bei Ihnen die Emotionen hoch?
Häupl: Mit jedem Tag, an dem ich HC Strache in diesem Wiener Wahlkampf erlebe, fühle ich mich in unserem Parteibeschluss, mit diesen Grenzgängern keine Koalition zu machen, bestärkt. Beim Wahlkampf der FPÖ werden alle Grenzen der Demokratie weit überschritten. Das ist ein Wahlkampf, bei dem die Menschen aufeinander gehetzt werden, bei dem Hass verbreitet wird. Ich sage hier sehr deutlich: Der größte Hassprediger ist Herr Strache.
ÖSTERREICH: Trotzdem hat die FPÖ in der Steiermark in den SP-Hochburgen zugelegt.
Häupl: Lass’ ma die Kirche im Dorf – sie hat 10 % gemacht. Aber richtig ist, dass viele SPÖ-Wähler mit der SPÖ so unzufrieden waren, dass sie zu Hause geblieben sind – und das darf in Wien nicht passieren. Denn jeder, der zu Hause bleibt, muss wissen: Er stärkt den Strache und wählt indirekt FPÖ. Wer Häupl will, muss wählen.
ÖSTERREICH: Aber sind Sie nicht sowieso Bürgermeister – ob mit 48 % oder 44 %?
Häupl: Ganz sicher nicht. Es gibt einen Notariats-Akt der drei Oppositionsparteien gegen mich. Und in Neunkirchen haben gerade ÖVP, FPÖ und Grüne gemeinsam den SPÖ-Bürgermeister gestürzt. Eine schwarz-grüne Koalition mit Duldung der FPÖ gemacht.
ÖSTERREICH: Sie haben mit der Innenministerin einen Sicherheits-Pakt mit 1.000 Polizisten mehr für Wien geschlossen?
Häupl: Er ist noch nicht geschlossen, weil sich die Frau Innenministerin vor der Wahl nur mit der Frau Marek aber nicht mit mir vor die Presse setzt – aber er ist ausverhandelt. Es gibt in Summe 1.000 Polizisten mehr für Wien bis 2015. Netto! – Abzüglich der Pensionierungen. Das ist genau meine Forderung seit Jahren, ich bin glücklich, dass wir uns einig sind. Ich bin auch glücklich, dass die Innenministerin meinem Wunsch zustimmt, 200 Polizisten von den Botschaften abzuziehen und durch Militärpolizei zu ersetzen. Das sind weitere 200 Polizisten mehr – und das ist letztlich die zusätzliche Sicherheit, die wir brauchen.
ÖSTERREICH: Sie haben der Ministerin Karl ausgerichtet, sie sei bei der Uni-Reform „wo ang’rennt“ …
Häupl: Und zu dieser Kritik stehe ich inhaltlich weiter – auf jeden Fall. Ich wollte die junge Frau Kollegin nicht kränken – aber ich wollte ein dramatisches Rufzeichen setzen, dass es so mit unseren Unis nicht weitergehen kann. Und das ist mir gelungen. Ich habe zuerst Dutzende Male in höflicher Form Kritik am Zustand unserer Universitäten geäußert – aber außer drei Zeilen in ÖSTERREICH hat es kein Echo gegeben. Dann habe ich mir in drastischer Weise Gehör verschafft – und das ist mir voll gelungen. Mit diesem Sager wollte ich sagen: Es ist skandalös, wie unsere Unis verkommen – und eine Ministerin, die so was zulässt, ist nicht tragbar. Es geht aber nicht nur um die Frau Karl – es geht um den Finanzminister, um den Wirtschaftsminister, um den Kanzler …
ÖSTERREICH: ... die sind auch alle wo „ang’rennt“?
Häupl: Die sind verantwortlich dafür, dass an den Unis endlich etwas geschieht. Wir brauchen noch in diesem Budget – noch für 2011 – die zusätzliche Uni-Milliarde. Wir brauchen so rasch wie möglich 2 % des BIP für die Unis und die Forschung.
ÖSTERREICH: Sie sind empört?
Häupl: So kann es nicht weitergehen an den Unis – sonst wird unser Land Wohlstand, Arbeitsplätze und die besten Köpfe verlieren.
ÖSTERREICH: Die Schulreform wird auch blockiert.
Häupl: Auch das ist nicht zu akzeptieren. Die 10-%-Grenze für die Neue Mittelschule muss fallen – und es muss in Wien ein flächendeckendes Angebot geben.
ÖSTERREICH: Die Spitzenkandidatin der ÖVP, Marek, sagt, es wird eine Koalition mit der ÖVP in Wien nur ohne Neue Mittelschule geben.
Häupl: Das muss ja nicht sein.
ÖSTERREICH: Was muss nicht sein – die Neue Mittelschule oder die Koalition mit der ÖVP?
Häupl: Die Neue Mittelschule MUSS sein, als flächendeckendes Angebot – aber die Koalition mit der ÖVP muss nicht sein. Die brauch ich nicht. Und ich werde in den nächsten Tagen daran arbeiten, dass sie nicht notwendig ist. Weil ich will mit Wien sicher nicht zurück ins 19. Jahrhundert. Ich will keine Blockade in der Stadt so wie in der Regierung. Wir brauchen dringend mehr Tempo in diesem Land.