Kanzler entmachtet
Häupl wettert gegen SPÖ-Doppelspitze
18.06.2008
Alfred Gusenbauer hat in der SPÖ nur noch wenig zu reden – die Partei stellt sich voll hinter den neuen Parteichef Werner Faymann
„Schauen wir uns das einmal an“, brach Wiener Bürgermeister Michael Häupl am Mittwoch sein zweitägiges Schweigen nach der entscheidenden Präsidiumssitzung vom Montag. Dem Tag, der die Kür von Infrastrukturminister Werner Faymann zum neuen SPÖ-Chef und den Wechsel von Frauenministerin Doris Bures in die SPÖ-Zentrale brachte.
Gegen Häupls Willen
Doch Häupl machte klar, dass diese
Rochade „dezidiert gegen meinen Willen“ durchgeführt worden sei. Er sprach
aber von einer Situation, in der vielleicht eine Ausnahme gemacht werden
müsse: „Schauen wir uns das an.“
Faymann hat Heft in der Hand
Tatsächlich glaubt in der SPÖ
niemand mehr, dass Gusenbauer noch das Heft in der Hand hat: Die Macht ist
in die Hände Faymanns übergegangen. Demonstrativ schwor sich die Wiener SPÖ
gestern in einer Klubsitzung auf Faymann ein. Häupl nach der Sitzung:
„Faymann hat auf jeden Fall meine Unterstützung. Es ist gut, wenn wieder
Ruhe und Geschlossenheit in die Partei hineinkommen.“ Und auch die
einflussreiche Wiener Vizebürgermeisterin Renate Brauner ist voll auf
Faymann-Kurs: „Faymann hat zu 100 Prozent die Unterstützung der Wiener SPÖ.
Er ist ein sehr kluger Kopf, kann gut verhandeln und hat ein tolles Gespür
für die Wünsche der Partei.“
Wunschliste
Was die SPÖ von Faymann wünscht, wurde am Montag im
Präsidium genau festgelegt. Die Pensionsautomatik darf nicht so kommen, wie
das die ÖVP wünscht. Bei der Gesundheitsreform dürfe es keine Belastungen
der Patienten geben und die Kassen müssten die versprochene Geldspritze von
Finanzminister Wilhelm Molterer bekommen.
Und das Wichtigste: Die Steuerreform hat vor allem Arbeitnehmer zu entlasten. Brauner zu ÖSTERREICH: „Wir erwarten von Werner Faymann, dass er klare Positionen formuliert und die umsetzt. Dabei stehen wir einhellig hinter ihm. Wir sehen uns das sicher nicht erste Reihe fußfrei an und lassen Faymann alleine.“
Schwierige Suche
Gleichzeitig wird klar, dass Gusenbauer immer
weniger zu reden hat – die Suche nach der neuen Frauenministerin wird
schwieriger, weil sich kaum noch eine Kandidatin den Wackel-Job in Gusis
Kabinett antun will (siehe Artikel unten). Und niemand in der SPÖ rechnet
damit, dass Gusenbauer tatsächlich wieder als Spitzenkandidat in eine Wahl
gehen wird. „Das wird dann wohl Werner Faymann sein“, war gestern aus einer
bedeutenden Landesgruppe zu hören.
Sprich: Die Ablöse Gusenbauers durch seinen Regierungskoordinator ist demnach nur noch eine Frage weniger Wochen.