Die ÖVP wehrt sich gegen Schuldzuschreibungen am Stillstand der Gespräche zur Schulreform und will einen eigenen Vorschlag präsentieren.
"Es liegt nicht an uns, sich zu bewegen", betonte Wissenschaftsminister Johannes Hahn (V) bei einer Pressekonferenz. Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) habe sich bereits im April mit seiner grundsätzlichen Akzeptanz von Modellversuchen zu einer Gesamtschule ("Mein Gott, testen wir es") "bewegt, wie sich vor ihm noch keiner bewegt hat", meinte Hahn. Die ÖVP will jetzt in den nächsten Tagen selbst einen "ausformulierten Gesetzesvorschlag" einbringen.
"Mitbestimmung einseitig abschaffen"
Unterrichtsministerin
Claudia Schmied (S) hätte wissen können, was möglich sei und was nicht. "Wir
wären schon viel weiter, wenn sie die Aussage akzeptiert und entsprechend
umgesetzt hätte", so Hahn. Dieses Entgegenkommen sei mehr als ein
Sozialdemokrat je gezeigt hätte - nämlich das Zulassen von Initiativen, von
denen man inhaltlich nicht überzeugt sei. Schmied habe dagegen eine eigene
Schulart einführen, die Mitbestimmung einseitig abschaffen und keine andere
Form von Schulversuchen zulassen wollen.
Papier anders als die Abmachung
Der VP seien vier Punkte
wesentlich, betonte Hahn: Einerseits müsse die qualifizierte Mitbestimmung
der Schulpartner gewährleistet sein. In Gesprächen mit Schmied habe er dabei
Übereinstimmung erzielt, "die dann in den schriftlichen Papieren
aber nicht mehr aufgetaucht ist". Im entsprechenden Entwurf seien dann
auf einmal nur mehr Mitwirkungs- und Anhörungsrechte vorgesehen gewesen: "Da
hätte man gleich 'Salzamt' hinschreiben können." Durch
Versuche würde das Profil einer Schule verändert - deshalb seien alle dort
betroffen und müssten mitreden können - über Ausmaß und Qualität könne man
reden.
ÖVP will Wahlfreiheit gewährleisten
Zweitens müsse es
an jedem Standort Wahlfreiheit zwischen Schulversuch und Regelschulwesen
geben. Eine Regelschule in angemessener Entfernung, wie von Schmied
gewünscht, sei "nicht akzeptabel". Im Arbeitsrecht bedeute
diese Formulierung eine Fahrtzeit von bis zu einer Stunde. Beim Austesten
von Medikamenten gebe es auch Leute, die sagen, dass sie an einem
entsprechenden Versuch teilnehmen wollen. Gleichzeitig sollten aber jene,
denen dies zu riskant sei, nicht dazu gezwungen werden. Drittens müssten die
Bundesländer Ideen einbringen können, was sie ausprobieren möchten. Es solle
eine Vielfalt an Versuchen geben können und "keine Versuchsdiktatur".
Und schließlich müssten bestehende Versuche evaluiert werden bzw. bisherige
Evaluierungen veröffentlicht werden.
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Kompromiss reicht nicht
Die von Schmied zuletzt genannten
Kompromissvorschläge seien ihm heute, Montag, Früh zugegangen, so Hahn. Beim
ersten Überfliegen habe er festgestellt, dass auch dort die Wahlfreiheit
nicht sichergestellt sei. Er könne auch nicht herauslesen, dass alle Modelle
gleich behandelt werden.
"Fehlende Verhandlungsgrundlagen"
Die Absage der
Gespräche am Sonntag erklärte Hahn mit fehlenden Verhandlungsgrundlagen:
Wenn die zur Verfügung gestellten Unterlagen mangelhaft seien bzw. hinter
den Status quo zurückfielen, brauche man in dieser Phase nicht zu
diskutieren. In den nächsten Tagen werde die ÖVP selbst einen
ausformulierten Entwurf vorlegen.
"Es soll auch Wunder in der Politik geben"
Große Eile
sei bei diesem Thema nicht angebracht: Wenn es neue, substanzielle
Vorschläge gebe, werde man darüber reden. Hahn kann sich aber nicht
vorstellen, dass es bis zum von Schmied als Zieltermin genannten Mittwoch
ein Ergebnis geben wird - "aber Wunder soll es auch in der Politik geben".
Die Koalition sieht er deshalb nicht auf der Kippe.
SPÖ und ÖVP einig: Kein Grund für Neuwahlen
Auch
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (S) sieht trotz des Schulstreits in
der Koalition keinen Anlass für eine Neuwahldebatte. Bei ihrer
Einjahres-Bilanz als Parlamentschefin pochte die SPÖ-Frauenchefin aber auf
die Umsetzung der Modellversuche für die neue Mittelschule, die im
Regierungsabkommen vorgesehen seien.
Wenn sich das ganze um ein Jahr verzögere, bedauere sie das zwar, es gehe aber die Welt nicht unter. Denn Prammer ist ohnehin überzeugt, dass sich die einzelnen Bundesländer mit den jeweils geplanten Schul-Projekten von der Bundespolitik nicht stoppen ließen.
Schüssel: "Koalition wird halten"
Auch
ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel glaubt daran, dass sie "nach
menschlichem Ermessen die volle Legislaturperiode halten wird". "Das
Ende der Regierung sehe ich nicht nahe. Ganz im Gegenteil", erklärte er
in einer Pressekonferenz der ÖVP Oberösterreich mit Landeshauptmann Josef
Pührunger und Klubobmann Michael Strugl am Montag in Linz.
Viele positive Leistungen der Regierung würden nur zugedeckt von "Reizthemen, die man bei guter Vorbereitung leicht erledigen könnte", stellte Schüssel fest. Er zählte unter anderem das Budget für die halbe Legislaturperiode auf, den Finanzausgleich, die Erhöhung der Stipendien. Auf den Hinweis, dass er nur Leistungen von ÖVP-Mitgliedern in der Regierung nenne, meinte er, vieles von den beschlossenen Dingen liege im ÖVP-Verantwortungsbereich, weil dies professionell angegangen sei. Er nannte dann aber auch namentlich Verkehrsminister Werner Faymann (S), der viele Dinge "deblockiert" habe.