Gusenbauer
Halbe Studien-Gebühr für Berufstätige
31.12.2006
Gusenbauer entfernt sich vom Wahlversprechen, die Studiengebühren abzuschaffen und ernet Kritik von Grünen und BZÖ.
Die SPÖ rückt von ihrem zentralen Wahlkampfversprechen, die Studiengebühren komplett abzuschaffen, weiter ab. Parteichef Alfred Gusenbauer meinte im "Kurier" (Sonntagsausgabe), wenn "Bummelstudenten" das Problem der ÖVP seien, sei das leicht zu lösen: "Man schafft Studiengebührenfreiheit für das Regelstudium und führt für Berufstätige das Teilzeitstudium ein, sodass jeder, der nur halb studiert, weil er arbeiten muss, nur die halben Studiengebühren bezahlt. Wer bummelt, muss voll zahlen."
Gusenbauer hatte erst vor Kurzem gemeint, "kein Verständnis für Bummel-Studenten" zu haben, was ihm harsche Kritik von der ÖH einbrachte. Die Studentenvertretung nannte Gusenbauers Aussagen eine "Frechheit".
Mehr Minister
Der SP-Chef sprach sich gleichzeitig für mehr
Minister und weniger Staatssekretäre in der nächsten Regierung aus. Man
müsse "grundsätzlich hinterfragen, ob es sinnvoll ist, die Anzahl
der Minister möglichst klein und die der Staatssekretäre möglichst groß zu
halten", so Gusenbauer. "Finanziell ist es unerheblich, ob man
Minister oder Staatssekretäre bezahlt, aber für die Vertretung Österreichs
in der EU ist es besser, wenn ein Minister zu den Räten fährt."
Derzeit gebe es Minister, die gleich in vier Räten vertreten seien.
Kritik an Gusenbauer von Grünen und BZÖ
Gusenbauer sei
nicht nur von seinem zentralen Wahlkampfversprechen abgerückt, er habe auch
zur Begründung "die ÖVP-Diktion Bummelstudenten"
übernommen. "Die SPÖ scheint bereit zu sein, alles auf dem Altar
der Großen Koalition mit der ÖVP zu opfern", kritisiert
Grünen-Wissenschaftssprecher Kurt Grünewald.
Die von Gusenbauer vorgeschlagene Lösung, wonach "Bummelstudenten" voll bezahlen sollen, sei "eine völlige Verkennung der Realität an den Universitäten". Schuld an den Studienverzögerungen sei nicht der Unwille der Studenten, sondern Strukturmängel sowie Ausstattungs- und Betreuungsdefizite. Die Studierenden müssten also für den von der Regierung geschaffenen Mangel an Studienplätzen und der "miserablen Betreuungssituation" die Rechnung zahlen, "und werden zu allem Überdruss dafür von Gusenbauer noch als 'Bummelstudenten' beschimpft", empörte sich Grünewald.
Den zweiten Vorschlag Gusenbauers, dass berufstätige Teilzeitstudenten nur die halben Studiengebühren zahlen sollen, kritisierte Grünewald als "krasse Schlechterstellung" von berufstätigen Studierenden. Das hieße, dass Berufstätige immer Studiengebühren zahlen müssen, Nichtberufstätige aber nur nach dem Regelstudium.
Gerald Grosz, von der für die Einführung der Gebühren mitverantwortlichen Noch-Regierungspartei BZÖ, ortete einen "Kniefall" Gusenbauers. Der SP-Chef werde "vor lauter Umfallern wahrscheinlich im Liegen angelobt werden müssen", so der orange Generalsekretär.
Seine klare Ablehnung äußerte Grosz zu einer Aufblähung der künftigen Regierung. Die Pläne Gusenbauers - mehr Minister und weniger Staatssekretäre - seien "ein weiterer Beweis für die Verschwendungs- und Schuldenpolitik der SPÖ".
Broukal: De-facto-Abschaffung
Die SPÖ hat das Abrücken von
Parteichef Alfred Gusenbauer von der vollständigen Abschaffung der
Studiengebühren am Sonntag als Vorschlag "zur De-facto-Abschaffung"
verteidigt. "Dieser Vorschlag bedeutet für 95 Prozent der Studierenden
die Abschaffung der Studiengebühren. Nur jene Studierenden, die besonders
lange und ohne Not die Leistungen der Universitäten in Anspruch nehmen,
müssten demnach in Zukunft Gebühren zahlen", argumentierte
Wissenschaftssprecher Josef Broukal in einer Aussendung.
Das Gusenbauer-Konzept sieht laut Broukal vor, dass in Zukunft niemand mehr für die durchschnittliche Studiendauer Gebühren zahlt. Berufstätige Studierende dürfen doppelt so lange studieren ohne Gebühren zahlen zu müssen, und zahlen für zusätzliche Semester nur die halben Gebühren. In jenen Fällen, in denen es durch die ungenügende Ausstattung der Universitäten nicht möglich ist, in der Durchschnittszeit das Studium zu beenden, müssten die Universitäten dafür sorgen, dass zusätzliche Lehrveranstaltungen angeboten werden, so der Wissenschaftssprecher.
Broukal betonte außerdem, dass zur Vermeidung von Härtefällen gleich zu Beginn eine Kommission gebildet werden solle, in der die Vertreter der Hochschülerschaft sowie der Studierendenanwalt des Bildungsministeriums vertreten sein sollten. An die ÖH appellierte Broukal, nicht von vornherein einen sehr guten Vorschlag abzuqualifizieren.
Keine Angst vor Studentenansturm
Die SPÖ befürchtet im Gegensatz
zur ÖVP keinen Studenten-Ansturm. Es sei nicht zu erwarten, dass ein Student
aus Deutschland wegen 80 Euro im Monat, die er sich an Studiengebühren
erspare, seinen Wohnsitz nach Österreich verlege oder hohe Fahrtkosten in
Kauf nehme, so SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal am Dienstag in einer
Aussendung.
Nicht stichhaltig ist für Broukal das Argument Brineks, dass die Einführung eines Teilzeitstudiums hohen Verwaltungsaufwand bedeute. "Im Zeitalter der Voll-EDV-Ausstattung ist es kein Problem, automatisch festzustellen, ob jemand vereinbarungswidrig mehr als die ausgemachte die Hälfte der Leistungen in Anspruch nimmt", so Broukal, der begrüßte, dass die ÖVP nun endlich in die Sachdiskussion eintrete. Gleichzeitig appellierte er aber auch an die ÖVP, ihre "Alles muss bleiben wie es ist"-Haltung aufzugeben.