Streit eskaliert: ÖVP-Chef Pröll stellt Darabos via ÖSTERREICH ein Ultimatum.
Die Stimmung erinnert zunehmend an die letzten Monate der Regierung Gusenbauer/Molterer. SPÖ und ÖVP – eigentlich Koalitionspartner – stehen sich immer unversöhnlicher gegenüber. Der Streit über die Zukunft der heimischen Wehrpflicht droht immer mehr zum Pulverfass der Regierung zu werden. Denn beide Seiten in diesem Streit bunkern sich ein:
Die SPÖ möchte bekanntlich die allgemeine Wehrpflicht kippen. Und wie SP-Kanzler Werner Faymann bereits in ÖSTERREICH sagte, eine „Volksbefragung über die unterschiedlichen Modelle machen“, falls er sich nicht mit der ÖVP – dem Koalitionspartner – auf ein gemeinsames Konzept einigen könne.
Die ÖVP wiederum betont offiziell, dass man zunächst mit SP-Verteidigungsminister Norbert Darabos über eine Sicherheitsstrategie reden wolle – und erst danach über die Zukunft der Wehrpflicht. Tatsächlich hat die ÖVP freilich bereits ein durch VP-Außenminister Michael Spindelegger erarbeitetes fertiges Konzept zur Wehrpflicht neu.
Die Wahlkampf-Pläne
der Koalitionsparteien
Demnach beharrt die ÖVP weiterhin auf einer reformierten Wehrpflicht. In der ÖVP ist man vor allem über Darabos verärgert – VP-Klubchef Karlheinz Kopf ritt bei der Sondersitzung im Parlament heftige Attacken gegen den SPÖ-Minister, sprach sogar von „Koalitionsbruch“, da die Wehrpflicht „im Koalitionsübereinkommen“ stehe.
Auch in der SPÖ wird im Hintergrund längst eine Volksbefragung als letzter Ausweg vorbereitet. Damit rechnet mittlerweile auch die ÖVP: Vizekanzler Josef Pröll erklärt im ÖSTERREICH-Interview, dass die ÖVP „für eine Volksbefragung gerüstet“ sei.
Die SPÖ möchte jedenfalls bereits vor dem Sommer das Volk über das scheinbar populäre Thema befragen: Die Roten wollen dann ihr Modell – Umstellung auf ein Berufsheer – gegen das Modell der ÖVP – pro Wehrpflicht – abfragen lassen.
Rot-Grün gegen Schwarz-Blau als Testlauf
Die SPÖ wird dabei von den Grünen und dem BZÖ unterstützt. Die ÖVP hat hingegen die FPÖ in Sachen Wehrpflicht auf ihrer Seite: Die Volksbefragung wäre also schon ein Probegalopp für Rot-Grün gegen Schwarz-Blau.
Rote wie schwarze Spitzenleute sind sich hinter den Kulissen freilich einig, dass „eine solche Volksbefragung ein Eingeständnis des Scheiterns der Regierung“ wäre. Der Wahlkampf für die Volksbefragung dürfte äußerst brutal werden. Dann, so ein SP-Mann, seien „Neuwahlen wahrscheinlich“.
Die Volksbefragung wäre freilich auch ein Testlauf für eine Nationalratswahl: Sollte sich der rot-grüne Block durchsetzen, könnte die SPÖ Neuwahlen im Herbst riskieren. Gewinnt hingegen Schwarz-Blau die Volksbefragung, würde wohl Pröll den Sprung in Neuwahlen wagen.
Im kleinen Kreis meinte der schwarze Vizekanzler unlängst übrigens: „Eines ist sicher: Schwarz-Blau hätte nach Wahlen eine klare Mehrheit.“
I. Daniel
Seite 2: Das Pröll-Ultimatum im großen ÖSTERREICH-Interview
Pröll: "Gute Argumente für Volksbefragung"
ÖSTERREICH: Am Freitag gab es drei Misstrauensanträge gegen SP-Verteidigungsminister Darabos. Einige VP-Mandatare hätten diese gerne unterstützt. Haben Sie noch Vertrauen in Darabos?
Josef Pröll: Ich verstehe den Unmut, aber sage auch: Die Abgeordneten der ÖVP sind sich ihrer Verantwortung für die Regierungsarbeit und für Österreich bewusst. Dieses Verantwortungsbewusstsein fordern wir allerdings auch von Darabos ein. Das ist seine letzte Chance!
ÖSTERREICH: Aber nicht nur Darabos, auch SP-Kanzler Faymann forciert via Medien ein Wehrpflicht-Aus. Wie wollen Sie sich da mit der SP einigen?
Pröll: Die Politik dieser Regierung wird am Verhandlungstisch zwischen Werner Faymann und mir entschieden und nicht in den Medien. So sehe ich jedenfalls das Primat der Politik.
ÖSTERREICH: Faymann sagt, falls es keine Einigung mit der VP gibt, werde es eine Volksbefragung geben. Was bedeutet das für die Koalition?
Pröll: Wenn man ehrlich verhandelt, sollte man auch mit Kompromissbereitschaft in die Gespräche geben, eine Einigung anstreben und nicht von vorneweg das Scheitern ins Auge fassen. Aber wir fürchten uns sicher nicht davor, die Bevölkerung zu fragen.
ÖSTERREICH: Aber das Koalitionsklima ist insgesamt schlecht. Ihr Klubchef hat bereits von Koalitionsbruch gesprochen.
Pröll: Der Auftrag ist klar: Michael Spindelegger und Norbert Darabos erarbeiten bis Anfang März eine gemeinsame Sicherheitsstrategie.
ÖSTERREICH: Fürchten Sie nicht, dass die Wehrpflicht-Aus-Kampagne der SP die VP ins Eck drängt?
Pröll: Uns geht es um Sicherheit und es geht um Solidarität. Ich bin mir sicher, dass wir in dieser Diskussion auch etliche gestandene und überzeugte Sozialdemokraten als Verbündete in der Sache haben, wenn es um gesellschaftliche Solidarität geht.
ÖSTERREICH: Sie haben von getricksten Zahlen von Darabos und Hundstorfer bezüglich Heer und Zivildienst geredet. Sind die Kosten denn höher als angegeben?
Pröll: Das haben die beiden ja bereits selbst eingestanden. Es ist abenteuerlich und unverantwortlich, hier mit falschen Zahlen zu operieren.
ÖSTERREICH: Erwin Pröll ist für eine Wehrdienstverkürzung auf fünf Monate. Vorstellbar?
Pröll: Ich bleibe bei meinem Weg: erst klären, was brauchen wir, um Sicherheit zu gewährleisten – dann klären wir die Reform von Bundesheer und Wehrpflicht.
ÖSTERREICH: Überrascht Sie die SP-Heereskampagne?
Pröll: Unter Vranitzky hat die SPÖ noch von einer Wahl zur anderen gedacht. Bei Kanzler Klima von einer Umfrage zur nächsten. Heute drängt sich die Frage auf, ob manche in der SPÖ-Zentrale weiter denken als die nächste Schlagzeile.
ÖSTERREICH: Faymann will in sechs Monaten eine Volksbefragung. Gibt es dann nur noch Wahlkampf bis dahin?
Pröll: Wir haben gute Argumente, um eine Volksbefragung bestreiten zu können. Aber ganz ehrlich: Ich erwarte mir, dass die Regierung arbeitet und Lösungen bringt. Es geht um Aufschwung, Wachstum und Arbeitsplätze. Dazu lade ich den Kanzler ein. Auch Werner Faymann kann ja kein Interesse daran haben, dass es einmal heißt: auch sein „Genug gestritten“ war nicht in Stein gemeißelt …
ÖSTERREICH: Darabos hat sich mit Deutschlands Verteidigungsminister Guttenberg verglichen, der die Wehrpflicht ausgesetzt hat. Ist das nicht ein europäischer Trend?
Pröll: Ich kenne beide persönlich. Kein Vergleich.
Interview: Isabelle Daniel
Seite 3: Die unterschiedlichen Plände von SPÖ und ÖVP
SPÖ will Berufsheer
-
Keine Wehrpflicht: Die Wehrpflicht soll definitiv abgeschafft werden, sie sei nicht mehr zeitgemäß. Dazu soll es im Sommer eine Volksbefragung geben.
-
Berufsheer: Künftig soll das Heer aus Freiwilligen bestehen, die Größenordnung soll bei 15.000 Berufssoldaten liegen.
-
Katastrophenschutz: Aufgabe des Profi-Heers soll der Katastrophenschutz sein.
-
Zivildienst-Ersatz: Um die Lücke der fehlenden Zivildiener auszugleichen, soll es ein freiwilliges Sozialjahr geben. Laut Sozialminister seien die Kosten dafür nicht höher. Das wird von ÖVP nun bezweifelt.
ÖVP will Wehrpflicht
-
Wehrpflicht „light“: Die ÖVP will die Wehrpflicht beibehalten, allerdings in einer leichteren Form.
-
Strengere Musterung: Die Tauglichkeitsprüfungen sollen wesentlich strenger ausfallen.
-
25.000 Soldaten: Das Heer soll dann aus rund 25.000 Soldaten bestehen.
-
Aufgaben: Das Bundesheer soll neben dem Katastrophenschutz und den Auslands-Friedenseinsätzen die Landesverteidigung sicherstellen.
- Zivildienst: Vor allem VP-Innenministerin Maria Fekter warnt davor, dass bei einem Wegfall der Wehrpflicht das Pflege- und Gesundheitswesen zusammenbrechen könnte.