3.000 pro Woche im Burgenland aufgegriffen
Heuer schon mehr Flüchtlinge als von 2017 bis 2021 zusammen
16.10.2022Durch den Wald, über Felder und Wiesen - über die Grüne Grenze schicken Schlepper Flüchtlinge aus Ungarn nach Österreich.
Die ersten, auf die sie im Burgenland treffen, sind in vielen Fällen Soldaten des österreichischen Bundesheeres. 750 versehen hier ihren Dienst, Personal, das dem Heer bei seiner eigentlichen Aufgabe, der Landesverteidigung, fehlt, wie Gernot Gasser, Militärkommandant des Burgenlandes, im Gespräch mit der APA feststellte. Er drängt auf politische Lösungen.
Während der Coronapandemie haben sich im Balkanraum zahlreiche Migranten aufgehalten, nun strömen diese weiter Richtung Westen. Dies schlägt sich in der Statistik nieder: In diesem Jahr beläuft sich die Zahl der Aufgriffe in Österreich auf 75.000: "Das sind mehr als in den Jahren 2017 bis 2021 zusammen." 55.000 Personen davon wurden allein im Burgenland aufgegriffen, das sind jede Woche 2.800 bis 3.000, gibt Gasser zu bedenken: "Das ist eine Zahl, die die Einsatzkräfte extrem fordert." Neben dem Burgenland ist das Bundesheer auch in Tirol, Kärnten und der Steiermark im Assistenzeinsatz zur Verhinderung illegaler Migration, insgesamt sind es 1.000 Soldaten - 750 davon im östlichsten Bundesland.
Schlepper bringen die Flüchtlinge in Ungarn nahe an die österreichische Grenze, oft im Wald, jedenfalls dort, wo es für sie "optimale Bedingungen" gibt. Die Flüchtlinge gehen dann zu Fuß weiter, orientieren sich per GPS mit ihren Smartphones. Das ganze passiert nachts, meist ab 2 Uhr früh. "Das heißt, die Nachtsichtfähigkeit ist ein wichtiges Element für die Effizienz unseres Einsatzes und da sind wir gut aufgestellt. Wir haben Radargeräte, die 15 bis 20 Kilometer ins Land blicken, Wärmebildgeräte und Restlichtverstärker", erklärte Gasser.
Werden die illegalen Grenzgänger entdeckt, macht sich eine Patrouille auf den Weg, hält sie an und überprüft sie auf gefährliche Gegenstände. "Die Flüchtlinge sind völlig friedfertig. Die Schlepper sind anders zu bewerten. Aber bis auf einen Fall im Jänner (ein Schlepper schoss auf Soldaten, Anm.) kam es zu keinem Waffengebrauch durch Schlepper." Die Sicherheit der Einsatzkräfte habe höchste Priorität, Schlepperfahrzeuge würden daher vom Heer auch nicht verfolgt. Auch die Polizei handle hier nach dem Prinzip "folgen, nicht verfolgen". Dass Schlepper zuletzt immer wieder Kontrollen an Grenzübergängen durchbrachen, mit völlig überladenen Fahrzeugen davonrasten und mitunter schwere Unfälle verursachten, bereitet dem Militärkommandanten Sorgen: "Es ist menschenverachtend, welches Risiko genommen wird."
Eine Herausforderung sei aber auch der Weitertransport der aufgegriffenen Personen zu den Registrierstellen, vier davon gibt es im Burgenland. Dieser erfolgt gemeinsam mit der Polizei. "Wir können de facto nicht verhindern, dass sie hineinkommen, aber durch die Registrierung sind sie zumindest nicht illegal aufhältig", stellte Gasser fest. "Wir bekämpfen Symptome, nicht die Ursache. Aber das kann kein einzelner Staat in der EU lösen."
Das Bundesheer leistet im Burgenland seit 1990 Assistenzeinsatz an der Grenze. Hauptaufgabe des Heeres wäre aber die Landesverteidigung. "Gerade in Zeiten, in denen wir gelernt haben, dass Frieden in Europa nicht selbstverständlich ist, sollte man daran erinnern." Die langfristige Bindung der Kräfte mache es dem Heer zunehmend unmöglich, sich der Hauptaufgabe zu widmen, warnt er und spricht von Kollateralschäden wie dem Verlust der militärischen Kernkompetenz, der Aushöhlung der Miliz oder der Überlastung der Berufssoldaten. So würden bis zu 100 Unteroffiziere jedes Jahr aus dem Heer austreten.
Mit der Polizei arbeite das Heer im Einsatz gegen die illegale Migration an der Grenze "ausgezeichnet" zusammen. Für das Problem brauche es aber eine politische Lösung, begrüßt Gasser Initiativen wie den Migrationsgipfel von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. "Wir können als Europa aber nicht die Krisen und Verfehlungen anderer Kontinente gut machen, das funktioniert nicht. Die Krise muss man möglichst rasch vor Ort ausbalancieren. Aber es wird immer Menschen geben, die aus wirtschaftlich schlechten Räumen in florierende Räume wollen. Da brauchen wir Antworten", stellte er fest.