Engster Mitarbeiter klagt an

HPM: 3,3 Millionen Euro veruntreut?

17.04.2011

Ex-Kollegen erheben schwere Vorwürfe gegen den EU-Aufdecker.

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© ÖSTERREICH/ Fichtinger
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Martin Ehrenhauser hat genug. Der bis Freitag engste Mitstreiter von Hans-Peter Martin hat seinen ehemaligen Chef bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Heute wollte Ehrenhauser mit Martin abrechnen und der Öffentlichkeit Details der Anzeige präsentieren. Doch die groß angekündigte Pressekonferenz war nach etwas mehr als einer Viertelstunde bereits wieder vorbei.

Ehrenhauser will im EU-Parlament bleiben
Der fraktionsfreie Europaparlamentarier Martin Ehrenhauser erklärte am Montag, dass er "auch in Zukunft als unabhängiger Abgeordneter im Europäischen Parlament mit meinem Team weiter arbeiten" werde und für ihn "Prinzipien wie Sparsamkeit, Kontrolle und Transparenz nicht austauschbar" seien. "Was ich nach außen hin verteidige, muss ich auch intern verteidigen. Ich lasse mir nicht vorwerfen, die Wähler getäuscht zu haben", so Ehrenhauser vor Journalisten.

Ausgaben „in keiner Weise nachvollziehbar“
Ehrenhauser habe sich bei H.P. Martin seit September 2010 vergeblich für die Aufklärung der Finanzen eingesetzt. "Nach meiner Einschätzung als operativer Leiter des EU-Wahlkampfes 2009 sind nur rund die Hälfte der öffentlichen Fördermittel für politische Zwecke ausgegeben worden", erklärt Ehrenhauser. Die Ausgaben wären für ihn in "keiner Weise nachvollziehbar" gewesen. Als dem Mitglied im Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments Unterlagen zugespielt wurden, zeigte sich das wahre Ausmaß. "Die mir zugetragenen Unterlagen belegen den dringenden Verdacht, dass Hans-Peter Martin mindestens eine Millionen Euro Steuergeld abgezweigt hat", so Ehrenhauser in einer Aussendung.

Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft
Der unabhängige EU-Abgeordnete hatte am vergangenen Freitag eine Sachverhaltsdarstellung im Umfang von 290 Seiten an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt. Bevor Ehrenhauser Details über den Inhalt von weiteren Unterlagen bekannt gibt, sollen "Widersprüche in den Aussagen H.P. Martins aufgelöst werden."

Ehrenhauser: Entkräftung der Vorwürfe oder Rücktritt
Ehrenhauser fordert H.P. Martin daher auf, "von ihm und seinem Architekten eidesstattliche Erklärungen zu veröffentlichen oder ein vollständiges Geständnis abzulegen und sein Mandat abzugeben." Mit Robert Sabitzer würde als nächster Kandidat auf der Liste ein "erfahrener Mitstreiter, der sich glaubhaft und engagiert für mehr Transparenz, Kontrolle und Sparsamkeit von öffentlichen Mitteln einsetzt, nachrücken."

Martins Ex-Kollegin Werthmann: Verbleib von 3,3 Millionen unklar
Die aus der Liste "Hans-Peter Martin" ausgetretene EU-Abgeordnete Angelika Werthmann hat Vorwürfe der unklaren Wahlkampfkostenabrechnung gegen ihren früheren Chef bekräftigt. In einer Aussendung am Montag betonte sie, dass "die Wahlkampfkostenabrechnung nie nachvollziehbar war - zu meinem Austritt im Juli 2010 war der Verbleib von immerhin rund 3,3 Millionen Euro ungeklärt".

Werthmann: „Verfahrene Erklärungsversuche von Martin“
Dass "mit diesen Geldern private Zahlungen getätigt worden sein sollen, ist nochmals eine andere 'Liga'", so Werthmann. Immerhin habe auch ihr Hans-Peter Martin öfters gesagt, "dass der Wahlkampf 2009 'bescheidene' 500.000 Euro ausmache", erklärte die Abgeordnete. Werthmann warf Martin fehlende Transparenz in der Frage des Verbleibs und der Verwendung der Gelder aus der Wahlkampfkostenrückerstattung vor und zeigte sich "erschüttert" darüber, dass "diesbezüglich bis dato nichts korrigiert beziehungsweise in Ordnung gebracht wurde", sowie über Martins "verfahrene Erklärungsversuche bezüglich der aktuellen Angelegenheit des Architekten N."

Mangeldes Demokratiebewusstsein?
Auch mangelndes Demokratiebewusstsein sei einer der Gründe für ihren Austritt aus der Liste "Hans-Peter Martin" gewesen, betonte die Abgeordnete. "Schon im Herbst 2009 versuchte ich, Kenntnisse über unter anderem die Parteistruktur und -mitglieder zu gelangen. Doch da war Nichts." Werthmann betonte, sie hoffe, dass die jetzt vorhandenen Belege ausreichten und dass "vor allem auch der Verbleib der Gelder aus den vergangenen Wahlkämpfen geklärt werden kann, denn da sind ja immerhin noch rund 2,3 Millionen Euro ungeklärt".

HPM wehrt sich: "Haltlose Anschuldigungen Fall für die Justiz"
Der unabhängige EU-Abgeordnete Hans-Peter Martin erklärt: "Auch die heutige Pressekonferenz von M. Ehrenhauser brachte nichts Neues. In der Causa Ehrenhauser sind jetzt die Anwälte am Zug. Entsprechende rechtliche Schritte werden vorbereitet." Die haltlosen Anschuldigungen gegen ihn in den vergangenen Tagen zeigten jedoch, wie wichtig eine Veränderung der Regeln bei der Parteienfinanzierung sei. Er selbst werde nach Abschluss der Ermittlungen in der aktuellen Causa alle seine Einnahmen und Ausgaben "in einem Ticker offenlegen", so Martin in einer Aussendung.

ÖVP-Delegationsleiter Karas fordert lückenlose Aufklärung
Der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas forderte am Montag eine lückenlose Aufklärung der durch Martins Ex-Mitarbeiter Martin Ehrenhauser aufgebrachten Vorwürfe. Martin müsse alle seine drei Wahlkampfkosten-Rückerstattungen offenlegen, sagte Karas. Da es sich bei den Wahlkampfkosten nicht um eine Frage des Missbrauchs von EU-Geldern handle, liege die Verantwortung für die Kontrolle ausschließlich beim Bundeskanzleramt und beim Finanzministerium, die für eine ordnungsgemäße Abrechnung zuständig seien. Beide Stellen müssten umgehend Stellung nehmen und eine Überprüfung von Martins Abrechnungen vornehmen.

Live-Ticker von der Ehrenhauser-Pressekonferenz zum Nachlesen auf Seite 2 >>

 


11:28 Uhr: Die aus der Liste "Hans-Peter Martin" ausgetretene EU-Abgeordnete Angelika Werthmann hat Vorwürfe der unklaren Wahlkampfkostenabrechnung gegen ihren früheren Chef bekräftigt. In einer Aussendung am Montag betonte sie, dass "die Wahlkampfkostenabrechnung nie nachvollziehbar war - zu meinem Austritt im Juli 2010 war der Verbleib von immerhin rund 3,3 Millionen Euro ungeklärt".

11:20 Uhr: Die Pressekonferenz ist zu Ende, Martin Ehrenhauser hat keine neuen Vorwürfe gegen HPM präsentiert.

11:16 Uhr:
Ehrenhauser fordert, die Widersprüche im Zusammenhang mit der Architektenrechnung müssten aufgeklärt werden.

11:08 Uhr: Martin Ehrenhauser hat seine Präsentation beendet, nun sind die Journalisten mit ihren Fragen an der Reihe

11:06 Uhr:
Ehrenhauser will nach rechtlicher Prüfung die Staatsanwaltschaft einschalten.

11:04 Uhr: Ehrenhauser erklärt die Entwicklung der Liste Martin und erläutert, wie er auf den Veruntreuungs-Verdacht gegen HPM kam

11:01 Uhr: Martin Ehrenhauser eröffnet die Pressekonferenz.

10:55 Uhr:
In wenigen Minuten beginnt die Pressekonferenz. Das Medieninteresse ist groß: Im kleinen Bürgerbüro von Martin Ehrenhauser im 9. Wiener Bezirk drängen sich zwei Dutzend Journalisten sowie mehrere Kamerateams.

Die Vorwürfe gegen HPM lesen Sie auf Seite 3 >>

Es geht um eine Million: HP Martin soll von 2,3 Millionen Euro staatlicher Kostenrückerstattung für den EU-Wahlkampf 2009 rund eine Million Euro widmungsfremd ausgegeben haben – es geht um Betrug, Untreue und sogar Urkundenfälschung.

Anzeige bei Staatsanwalt: Martin, für den die Unschuldsvermutung gilt, soll private Rechnungen als Parteiaufwendungen abgerechnet, befreundete Unternehmer bevorzugt und Wirtschaftsprüfer getäuscht haben. In der Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft hat Ehrenhauser alle Fälle aufgelistet. Rechnungen und E-Mails, die ÖSTERREICH zugespielt wurden, erhärten diese Vorwürfe.

Architekt aus Parteikasse gezahlt: Konkret geht es in einem Fall um der Wohnsitz von HP Martin im deutschen Tübingen. Der EU-Parlamentarier wollte das Domizil Anfang 2010 ausbauen lassen und beauftragte das Architektenbüro Niemeyer mit der Planung. Die Planungskosten in der Höhe von 29.750 Euro soll Martin aber als „Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit“ für seine Partei abgerechnet haben. Aus den vorliegenden E-Mails (siehe auch rechts) geht hervor, dass Architekt Niemeyer am 2. Juni 2010 die Rechnung und die entsprechende Bankverbindung Martin mitgeteilt hat. Sechs Tage später beauftragte Martin die Bank, die Summe zu überweisen. Der Haken: Als Zweck taucht lediglich „Rechnung“ auf ...
Tatsächlich scheint unter den Parteiausgaben, die Martin im Herbst 2010 amtlich bestellten Wirtschaftsprüfern vorlegte, der Posten „Niemeyer Zahlung 2010“ mit der Summe 29.750 Euro unter „Sachaufwand für Öffentlichkeitsarbeit“ auf.

Martin bestreitet alle Vorwürfe. EU-Saubermann Martin bestritt gegenüber ÖSTERREICH alles. „Das ist versuchter Rufmord, die Umbaupläne sind alle völlig getrennt von der Liste Martin abgerechnet worden. Ich arbeite auch politisch mit dem Architekten zusammen.“ Am Sonntag widersprach Architekt Niemeyer Martin via profil online: „Es war der einzige Auftrag von Hans-Peter Martin.“

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