Seine Gegenwehr

Hypo: Gusenbauers 60.000-Euro-Deal

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Seit bekannt wurde, dass Alfred Gusenbauer die Hypo beraten hat, steht der Ex-Kanzler im Kreuzfeuer der Kritik. Was wirklich geschah. Wie er kontert.

Aktuell befindet sich Alfred Gusenbauer (50) in der Steiermark. Morgen, Montag, besteigt er den Großvenediger von Osttirol aus – vermutlich auch, um den Kopf freizukriegen. In den vergangenen Tagen stand der Ex-SP-Kanzler wieder im Kreuzfeuer der Kritik. 60.000 Euro kassierte er von der Hypo als Berater. Dazu: Er soll sich deshalb sogar mit Intim-Feind Strache getroffen haben.

Unvereinbar für einen Ex-Kanzler, wettern die Gegner. Gusi hätte erst als Politiker mit Steuergeld die Hypo gerettet, dann als Berater ihr Geld kassiert.

Die Chronologie zum Polit-Aufreger der Woche.

  • l November 2008: Gusenbauer leitet als Kanzler das „Banken-Rettungspaket“ ein. In der EU stimmt er wie alle anderen Regierungschefs ebenfalls dafür.
  • l Im Dezember 2008 tritt Gusenbauer zurück.
  • l Zwei Monate später heuert er wieder bei der Arbeiterkammer NÖ an – dort war er nur karenziert. Die Hypo erhält Staatshilfe.
  • l Im August 2009 scheidet Gusi aus der AK aus, wird Berater. Der Ex-Kanzler bezieht ein Büro in der Kanzlei von Rechtsanwalt Leopold Specht. Dieser betreut auch die Hypo-Alpe-Adria.
  • l Der neue Hypo-Vorstand Pinkl bittet Gusenbauer um Beratung im EU-Verfahren gegen die Hypo. Gusenbauer erhält 10.000 Euro im Monat Honorar.
  • l Im Herbst trifft er sich in Wien mit Heinz-Christian Strache, um über die „angespannte wirtschaftliche Situation zu reden“. FP-EU-Mandatar Andreas Mölzer behauptet, Gusenbauer habe Strache gebeten, die Blauen mögen ihre Angriffe auf die Hypo einstellen. Bestätigt ist das nicht. Aber durchaus glaubhaft.

Nach sechs Monaten ist Gusenbauers Beratung abgeschlossen. Gesamt erhielt er 60.000 Euro Honorar.

Gusi selbst bestätigt das Treffen mit Strache – dementiert aber, dass er ihn beeinflussen wollte. Tatsächlich schloss Strache im Dezember 2009 den Pakt mit dem Kärntner BZÖ ab – die Orangen tragen die Polit-Verantwortung für die Hypo

Aufregung.
Übrig bleibt nun jede Menge Aufregung um Vereinbarkeit und schiefe Optik. Im ÖSTERREICH-Interview nimmt Gusenbauer erstmals ausführlich Stellung zu seiner Hypo-Beratung, seinen Motiven und seinem Treffen mit Strache. Und er schlägt gegen seine Gegner zurück: Vor allem der Vergleich mit Karl-Heinz Grasser echauffiert ihn.

Dennoch wirkt der Multi-Berater (Jahres-Gage jenseits der 400.000 Euro) auffallend entspannt: Weil er „sich seine Zeit nun freier einteilen“ könne.

Gusi lässt in ÖSTERREICH auch mit Steuer-Vorschlägen aufhorchen: Im Unterschied zu SP-Bundeskanzler Werner Faymann hält er die zwischen SPÖ und ÖVP paktierte Bankenabgabe für „nicht sinnvoll“. Er würde lieber den Spitzensteuersatz erhöhen...

ÖSTERREICH: Sie haben die Hypo-Alpe-Adria 2009 beraten. War das nicht unvereinbar?
Alfred Gusenbauer: Es handelt sich sicher um keine Unvereinbarkeit, weil ich zum Zeitpunkt meiner Beratertätigkeit längst nicht mehr Kanzler war. Die Hypo ist mit Franz Pinkl an mich herangetreten und hatte mich um Rat im EU-Verfahren gebeten. Ich habe das nicht nur aus privaten Gründen angenommen, sondern auch aus wirtschaftspolitischen Motiven. Wenn die Hypo damals die Haftungen hätte zahlen müssen, wäre sie sofort insolvent gewesen. Und das hätte einen negativen Dominoeffekt auf andere österreichische Banken auslösen können.

ÖSTERREICH: Trotzdem: Als Kanzler hatten Sie 2008 das Bankenschirm-Paket mit Hilfe auch für die Hypo beschlossen. Und just diese Bank haben Sie dann beraten?
Gusenbauer: Ich hatte als Kanzler die Bankenhilfe in die Wege geleitet, weil wir verhindern mussten, dass das Wirtschaftssystem zusammenbricht. Der Beschluss, dass die Hypo Geld kriegt, ist erst nach meinem Ausscheiden aus der Politik getroffen worden.

ÖSTERREICH: Sie haben sich damals auch mit Strache getroffen, um über die Hypo zu reden ...
Gusenbauer: Ich treffe mich nach wie vor mit politischen Entscheidungsträgern aller Parteien, um die politische und wirtschaftliche Entwicklung einschätzen zu können. Ich habe ihn damals getroffen, aber sicher nicht wegen der Hypo. Dass wir damals auch über die insgesamt gefährliche wirtschaftliche Situation geredet haben, ist wahrscheinlich.

ÖSTERREICH: Haben Sie Strache seither getroffen?
Gusenbauer: Nein, ich treffe mich mit den Polit-Entscheidungsträgern ein, zwei Mal im Jahr.

ÖSTERREICH: Die Grünen sprechen sich für eine Coo­ling-Off-Phase für Spitzenpolitiker aus. Sinnvoll?
Gusenbauer: Die gibt es de facto bereits: Politiker, die ausscheiden, haben Anspruch auf sechs Monate Gehaltsfortzahlung. Ich habe damals bewusst darauf verzichtet. Ich garantiere Ihnen, dass bei dieser Debatte nichts herauskommen wird, weil sie extrem verlogen ist. Glauben Sie wirklich, das Parlament beschließt dann, dass man Politikern ein bis zwei Jahre Gehalt fortzahlt? Fürs Nichtstun? Das wäre demokratiepolitisch untragbar. Aber daher kann man Politikern eben auch nach ihrem Ausscheiden kein Berufsverbot erteilen.

ÖSTERREICH: Mehrere Kommentatoren haben Sie nun indirekt mit dem Fall Grasser verglichen. Den hatten Sie selbst immer kritisiert, nicht?
Gusenbauer: Das zeigt, dass manchen Manipulatoren der Öffentlichkeit jegliche Redlichkeit verloren gegangen ist. Im Fall von Grasser wurden zwei Verfahren wegen möglicher Untreue eingeleitet. Da geht es um Vorfälle, die mutmaßlich in seiner Zeit als Finanzminister geschehen sind. Um Privatisierungen und öffentliches Geld. Das mit meiner Beratung zu vergleichen ist schon unverfroren. Da hört sich ja jede Rechtsstaatlichkeit auf.

ÖSTERREICH: Wie sehen Sie den Fall Grasser?
Gusenbauer: Ich bin kein Kriminalbeamter. Die Justiz muss prüfen, ob es allfällige Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Aber, was mir als gelerntem Österreicher auffällt: Ein Ex-Kabinettschef hat vor fast einem Jahr vor dem Staatsanwalt ausgesagt, dass es ein „System FPÖ“ gegeben haben soll, wonach Einzelne durch Privatisierung profitieren wollten, und bisher sind keine sichtbaren Aktivitäten der Staatsanwaltschaft sichtbar. Ich halte das für eine besorgniserregende Entwicklung des Rechtssystems, wenn Verfahren Ewigkeiten dauern. Das ist in einem aufgeklärten Rechtsstaat unerträglich.

ÖSTERREICH: Ex-Bawag-Chef Elsner ist hingegen sehr schnell festgenommen worden und sitzt, obwohl er schwer krank ist. Behandelt die Justiz Grasser und Elsner ungleich?
Gusenbauer: Man kann das fast nur noch kabarettistisch, wie unlängst Werner Schneyder im Burgtheater, beantworten: In Österreich ist es offensichtlich so, dass Elsner für die gesamte Branche die Strafe absitzen muss. Aber man hat den Eindruck, dass mit unterschiedlichem Maßstab gemessen wird. Ich will mich da nicht einmischen, aber viele Menschen, mit denen ich rede, meinen, da wird einer besser und einer schlechter behandelt. Es ist gefährlich, wenn die Menschen den Eindruck bekommen, dass es egal ist, ob jemand schuldig oder unschuldig ist. Dass andere Kriterien zählen. Das kann zu einer gefährlichen Erosion des Vertrauens in den Rechtsstaat und des Wertesystems führen.

ÖSTERREICH: SPÖ und ÖVP haben sich auf eine Bankenabgabe geeinigt. Für wie sinnvoll halten Sie diese Steuer?
Gusenbauer: Der Ansatz, dass jene, die die Krise mitverursacht hätten, einen Beitrag leisten müssen, ist richtig. Ob die österreichischen Banken aber wirklich die Krise verursacht haben, bezweifle ich. Den Banken zu erklären, dass sie verschiedene Geschäftspraktiken einschränken müssen, führt zu weniger Kreditvolumen und damit zu weniger Wachstum. Und wenn sie dann noch eine Abgabe zahlen müssen, dann wissen wir doch, dass am Ende die Konsumenten dafür zahlen müssen. Ich halte diese Abgabe nicht für sinnvoll. Da gäbe es gerechtere Lösungen.

ÖSTERREICH: Zum Beispiel?
Gusenbauer: Man sollte den Spitzensteuersatz ab einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro brutto auf 55 Prozent erhöhen. Ich kenne keinen Betroffenen, der das ablehnen würde. Das ist eine sinnvollere Maßnahme als die Bankenabgabe.

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