Missbrauchsskandal
"Ich bin wütend, Gott!"
30.03.2010
Seit Jahresbeginn sind bei der Missbrauchsombudsstelle 566 Meldungen eingegangen. Beim Gottesdienst am Mittwoch im Stephansdom soll es ein "Schuldbekenntnis" der Kirche geben.
Kardinal Christoph Schönborn wird beim geplanten Klage- und Bußgottesdienst ein "Schuldbekenntnis im Namen der Kirche" zu den Missbrauchsfällen sprechen. Bei der Veranstaltung im Wiener Stephansdom am Mittwoch um 19 Uhr werden die Kirchenspitze und ihre Kritiker in seltener Einigkeit auftreten: Die Plattform "Wir sind Kirche" war bei der Vorbereitung der Liturgie eingebunden, Schönborn wird den Gottesdienst leiten.
"Ich bin wütend, Gott!"
Das Leitmotiv der Messe
lautet "Ich bin wütend, Gott!", beim Wortgottesdienst werden Menschen, die
Opfer von Missbrauch durch Mitarbeiter der Kirche geworden sind, von ihren
Erfahrungen berichten. "Sie werden Zeugnis von ihrer bedrängenden Situation
geben", kündigte Dompfarrer Anton Faber an. In Fürbitten und einem
besonderen "Weihrauch- und Kerzenritus" könnten die Gottesdienstbesucher
"ihre Ohnmacht und Enttäuschung genauso wie ihre Hoffnungen und Bitten vor
Gott tragen", so Faber.
"Dunkle Seiten" des Lebens zeigen
Die Gestaltung der
Liturgie werde bewusst die alte kirchliche Tradition der Klagepsalmen
aufgreifen, um die "dunklen Seiten" des Lebens vor Gott zu bringen, erklärte
Dompfarrer Faber. Hans Peter Hurka von "Wir sind Kirche" zeigte sich im
Vorfeld des Bußgottesdienstes überzeugt, "dass das Aussprechen von
Enttäuschungen ein wichtiger erster Schritt zur Aufarbeitung sein kann".
566 Meldungen seit Jänner
Insgesamt 566 Meldungen hat es
seit Beginn dieses Jahres bei den Ombudsstellen für Opfer sexuellen
Missbrauchs in der Kirche gegeben. Spitzenreiter dabei sind die Erzdiözese
Wien mit 174 und die Diözese Innsbruck mit 115 Kontakten. Mehr als die
Hälfte der Fälle dürfte verjährt sein. Tatsächlich sexuellen Missbrauch
betreffen nach aktuellem Erkenntnisstand vorerst nur 27 Prozent der
Meldungen. Bei 26 Prozent der Fälle handelt es sich um Gewalt, knapp die
Hälfte bedarf noch weiterer Aufklärung.