Regierungsbildung geschafft – jetzt redet Werner Faymann. Über den Koalitions-Pakt, Josef Pröll. Und was er anders machen will als Gusenbauer.
ÖSTERREICH: Sie haben nach nur 56 Tagen Verhandlung die Große
Koalition genau so geschafft, wie Sie sich das vorgenommen haben. Fühlen Sie
sich als Sieger?
Werner Faymann: Es sind in den letzten 20
Monaten viele Scherben zerbrochen worden. Wir fangen jetzt bei ganz neu und
in einem neuen Stil an. Dazu gehört, dass sich keiner als Sieger fühlt
sondern wir uns als Team, als Partner verstehen, die nur gemeinsam gewinnen.
ÖSTERREICH:
Niemand hat damit gerechnet, dass diese Koalition so schnell steht.
Faymann:
Das ist auch ein Kompliment an den Partner Josef Pröll – alleine geht gar
nix. Ich muss Josef Pröll auch ein persönliches Kompliment machen: Ich hatte
in diesen Verhandlungen in keiner einzigen Sekunde das Gefühl, dass ich ihm
nicht vertrauen könnte.
ÖSTERREICH: Hat es in diesen
Koalitions-Verhandlungen Knackpunkte gegeben, wo das Ganze an der Kippe
stand?
Faymann: Am schwierigsten aber auch am entscheidendsten
war, gegen gewisse Widerstände durchzusetzen, dass wir wirklich fünf
Milliarden Euro an Geld für die Konjunktur bekommen. Wir haben mit diesem
Regierungsprogramm das europaweit zweitgrößte Konjunkturpaket nach Spanien
geschafft. Kein anderes Land wird seine Wirtschaft so ankurbeln wie
Österreich unter der neuen Regierung.
ÖSTERREICH: Haben
Sie im Gegenzug dazu bei den Ministerposten nachgegeben – viele sagen, Josef
Pröll hätte Ihnen bei der Ressortverteilung die Hosen ausgezogen.
Faymann:
In dieser Regierung zieht keiner dem anderen die Hosen aus – diese Zeiten
sind vorbei. Wichtig war mir, dass die Sozialkompetenz komplett zur SPÖ
kommt. Aber ich fühle mich als Kanzler für alle Ministerien verantwortlich –
und ich will vom ersten Tag an erreichen, dass alle Minister lernen, dass
wir in dieser Regierung Partner sind.
ÖSTERREICH: Kein
Mensch versteht, warum Sie das mächtige Justizministerium gegen das mühsame
Gesundheitsressort getauscht haben.
Faymann: Jeder, der meinen
Wahlkampf beobachtet hat, konnte sehen, dass Gesundheit mein zentrales Thema
war – das Thema, das die Menschen am meisten bewegt hat. Gesundheit ist das
Mega-Thema der nächsten Jahr – nicht nur bei uns, auch bei Obama in den USA
– und ich will mit dem von meiner Partei geführten Gesundheitsressort
beweisen, dass jeder Bürger beim wichtigsten Thema seines Lebens – der
Gesundheit – in Zukunft auf den Staat vertrauen kann, dass das gesichert ist.
ÖSTERREICH:
Inhaltlich sind Sie in den Verhandlungen sehr hart geblieben – haben Sie
alles durchgesetzt, was Sie erreichen wollten?
Faymann: Hart ist
das falsche Wort, ich bin konsequent geblieben. Ich kann stolz behaupten,
dass wir in keinem einzigen Punkt umgefallen sind oder unser Wahlversprechen
nicht gehalten haben. Es gibt keine Studiengebühren im Regierungsprogramm,
keine Pensionsautomatik, die Steuerreform ist – so wie ich es erreichen
wollte – zur Gänze vorgezogen. Ich halte wirklich, was ich versprochen habe.
ÖSTERREICH:
Sie haben bis zum Finale auf der EU-Volksabstimmung bestanden?
Faymann:
Ich habe hier mit Josef Pröll einen gemeinsamen Vorschlag erarbeitet, der
sehr sinnvoll ist: Wann immer wir uns in einer grundsätzlichen Frage – etwa
einer Volksabstimmung – überstimmen, gibt es Neuwahlen. Ich habe dazu
gesagt: Wir werden als SPÖ weiter für eine Volksabstimmung bei einer
Änderung des EU-Vertrages eintreten und wir haben nun alle Zeit der Welt,
die ÖVP davon zu überzeugen, dass es sinnvoll ist das Volk einzubinden. Aber
keine Partei darf der anderen ihre Haltung vorschreiben.
ÖSTERREICH:
Frau Plassnik hat das offenbar nicht gereicht.
Faymann: Es hat in
der letzten Verhandlungsrunde eine Differenz gegeben, richtig. Frau Plassnik
hat diese gemeinsam getroffene Vereinbarung nicht gereicht.
ÖSTERREICH:
Sie sind nicht unglücklich, dass Sie aus der Regierung ausscheidet?
Faymann:
Ich habe mich ihr nicht vor die Beine geworfen, als sie den Raum verlassen
hat. Aber ich respektiere ihre Position. Sie hat ihre Haltung. Ich habe
meine.
ÖSTERREICH: Wie würden Sie Ihre Position als
Regierungschef jetzt beschreiben – in Zeiten wie diesen?
Faymann:
Ich sehe meine Aufgabe so wie jemand, der als Feuerwehrmann die Aufgabe
hat, einen Großbrand zu löschen. Pröll und ich stehen wie Feuerwehrleute vor
dem Großbrand drohender Arbeitslosigkeit – wir haben vor, diese Brandgefahr
im Sinne der Menschen zu löschen.