U-Ausschuss
"Im Zweifelsfall muss Immunität gelten"
09.09.2009
Die ÖVP findet die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Parlamentarier teilweise "inakzeptabel" und schimpft die "Inquisitoren" Stadler und Pilz.
Einen "sensibleren Umgang" der Justiz mit der Abgeordneten-Immunität, eine Art Redaktionsgeheimnis zum Schutz ihrer Mitarbeiter und ein Eilverfahren für Auslieferungen in dringenden Fällen. Das wünscht sich die ÖVP angesichts der Ergebnisse der ersten zwei Sitzungstage im Spionage-Untersuchungsausschuss. Außerdem fordert ÖVP-Fraktionschef Werner Amon von BZÖ und Grünen einen ordentlichen Umgang mit den Auskunftspersonen. Die bisherigen Befragungen hatten aus seiner Sicht teilweise Tribunal-Charakter.
Inquisitoren Stadler und Pilz
Amon kritisiert insbesondere
BZÖ-Justizsprecher Ewald Stadler und Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz.
Ersterer trete als "Chefinquisitor" auf, letzterer versuche den
U-Ausschuss als "selbst ernannter Co-Vorsitzender" an sich zu
ziehen. Pilz hatte v.a. Staatsanwalt Hans-Peter Kronawetter in die Mangel
genommen und ihm Anzeigen wegen Amtsmissbrauchs und falscher Zeugenaussage
angedroht. Amon will erst einmal "in aller Ruhe" die Protokolle
der Sitzung prüfen und empfiehlt der Opposition, "nicht in der
Schärfe von Inquisitoren Vorverurteilungen auszusprechen".
Diskretion, aber Eilverfahren
Grundsätzlich fordert Amon einen "sensiblen
Umgang" der Staatsanwaltschaft mit der Immunität der Abgeordneten.
Schließlich schütze diese Bestimmung auch einfache Bürger, die sich mit
vertraulichen Informationen an Abgeordnete wenden und sich Geheimhaltung
erwarten würden. "Die Staatsanwaltschaften müssen im Zweifelsfall
die Immunität von Abgeordneten anerkennen", verlangt Amon.
Gleichzeitig könnte es aus seiner Sicht eine Art "Eilverfahren"
geben, um in Sitzungspausen des Nationalrats die beschleunigte Auslieferung
von Abgeordneten und einen raschen Beginn der Ermittlungen zu ermöglichen
und Absprachen zu verhindern.
BZÖ-Verfolgung "inakzeptabel"
Für "höchst
problematisch" hält Amon das Vorgehen der Staatsanwaltschaft gegen
BZÖ-Mitarbeiter. Zur Erinnerung: Gegen BZÖ-Mann Peter Westenthaler wurde
wegen Verleumdung ermittelt. Da er selbst wegen seiner parlamentarischen
Immunität aber nicht verfolgt werden konnte, wollte die Staatsanwaltschaft
jene Mitarbeiter belangen, die Westenthalers Aussagen mittels
Presseaussendung verbreitet hatten. Das sei "inakzeptabel",
kritisiert Amon und fordert eine Art Redaktionsgeheimnis, um die Assistenten
der Abgeordneten zu schützen. Außerdem fordert er die Behörden auf, vor
Grundrechtseingriffen wie der im Fall Westenthaler durchgeführten
Rufdatenrückerfassung zu versuchen, die Vorwürfe im Gespräch mit den
Betroffenen zu klären.
Über allfällige Gesetzesänderungen soll laut Amon nach Abschluss des U-Ausschusses entschieden werden.
FPÖ für Reform des Immunitätsrechts
Die Opposition
tritt nach den ersten Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss für eine
rasche Anpassung des Immunitätsrechts ein. Der Dritte Nationalratspräsident
Martin Graf will der Justiz deutlich weniger Spielraum als bisher für
Ermittlungen gegen durch die Immunität geschützte Abgeordnete lassen. Graf
will erreichen, dass die Staatsanwaltschaft deutlich früher als bisher einen
Auslieferungsantrag im Parlament stellen muss, wenn sie im Umfeld eines
Abgeordneten ermitteln möchte. "Sobald Ermittlungen ergeben, dass
ein Abgeordneter Beschuldigter ist oder zum Beschuldigten werden könnte,
muss die Aufhebung der Immunität beantragt werden", so Graf.
Außerdem fordert er eine klare Festlegung, bei welchen Delikten Abgeordnete durch ihre Immunität geschützt werden und bei welchen sie ausgeliefert werden. Derzeit werde mit zweierlei Maß gemessen: Die Opposition werde ausgeliefert, Koalitions-Abgeordnete aber nicht.
BZÖ für stärkere Bürgerrechte
BZÖ-Justizsprecher
Ewald Stadler lädt die Regierungsparteien zu Gesprächen zum Ausbau der
Bürgerrechte ein. "SPÖ und ÖVP sind offenbar zur Einsicht gelangt,
dass Handlungsbedarf besteht und dringend Lücken und Umgehungsmöglichkeiten
zum Schutz aller Bürger geschlossen werden müssen", freut
sich Stalder. Es gebe eine Reihe durchaus vernünftiger Vorschläge, weshalb
man sich schnell einigen könne, so der Orange.
Grüne für Schutz vor Verfolgung
Der Grüne
Sicherheitssprecher Peter Pilz kritisiert, dass die Staatsanwaltschaft
"nicht Missstände, sondern die Aufdecker verfolgt". Die politische Abteilung
der Wiener Staatsanwaltschaft bezeichnete er als "Missbrauchszentrum der
Justiz" und den Wiener Verfassungsschutz als in "hohem Maße
missbrauchsanfällig". Es gehe deshalb nicht um den Schutz der Abgeordneten,
sondern um einen "umfassenden Schutz der Bürger vor Verfolgung".