Heuer haben sich schon genau so viele Menschen in islamistischen Trainingslagern ausbilden lassen wie in den letzten vier Jahren zusammen.
In Österreich gibt es einen Trend zur Reise ins Terrorcamp. Im heurigen Jahr wurden bereits genauso viele Ausreisen in islamistische Trainingslager für Extremisten verzeichnet wie in den letzten vier Jahren zusammen. Eine entsprechende Einschätzung gab der Leiter des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Peter Gridling, bei der Präsentation des Verfassungsschutzberichts Montagvormittag ab. Was Links- und Rechtsextremismus angeht, befürchtet der BVT-Chef in naher Zukunft eine Zunahme gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den beiden Gruppen.
Rechte besser getarnt
Insgesamt ist die Lage, was den
Rechtsextremismus angeht, stabil. Die Anzeigen in diesem Bereich gingen von
835 vor zwei Jahren auf 791 im Jahr 2009 zurück. Allerdings stiegen die
Anzeigen nach dem Verbotsgesetz (von 360 auf 396), was ÖVP-Innenministerin
Maria Fekter und Gridling vor allem auf eine höhere Sensibilität der
Bevölkerung in diesem Bereich zurückführten. Bedenklich ist für die
Verfassungsschützer, dass sich die Rechtsextremisten heute besser tarnen als
früher, wo Glatzen und Bomberjacken deutliche Signale nach außen waren.
Zudem gelingt es einzelnen Gruppen, sich vor allem mit deutschen
Gesinnungsfreunden zu vernetzen.
Linke schmieren gerne
Eine "gewaltige Zunahme" erkannte Fekter
bei linksextremistischen Delikten. Tatsächlich stieg die Zahl der Anzeigen
im Jahresvergleich von 64 auf 90, jedoch beruhigen die Details. Diese
Entwicklung ist nämlich praktisch ausschließlich auf vermehrte
Schmieraktionen zurückzuführen. Gridling glaubt freilich, dass es bei den
linksextremen Delikten ein Problem bei der Zuordnung gibt, es in Wahrheit in
diesem Bereich doch eher mehr Vorfälle gebe als von der Statistik
ausgewiesen.
Prügelbereiter als zuletzt
Mit Besorgnis betrachtet der
Verfassungsschutz, dass es auf beiden Seiten zunehmende Bereitschaft gibt,
Auseinandersetzungen gewaltbereit zu bestreiten. Provokationen gebe es vor
allem von der linken Seite schon seit längerem, meinte Gridling. Nunmehr
orte man auch bei Rechtsextremisten steigendes Interesse, die Konflikte
tätlich auszutragen.
Tierschützer waren in U-Haft
Praktisch kein Faktor im
heurigen Verfassungsschutzbericht sind radikale Tierschützer. Gerade einmal
drei Anzeigen wurden im Vorjahr verzeichnet. 2008 waren es noch 36.
Zurückzuführen ist dies laut Fekter darauf, dass die Anführer der radikalen
Gruppen in U-Haft gesessen seien bzw. Gerichtsverfahren gegen sie (nach dem
"Mafia-Paragrafen") durchgeführt worden seien.
Islamisten operieren im Dunkeln
Was den Islamismus angeht,
betonte die Innenministerin, dass die direkte Bedrohung in Österreich "nicht
so groß" sei. Gridling ergänzte, dass der radikale Islam hierzulande kein
Massenphänomen sei. Es gebe eine nur knapp dreistellige Gruppe, die als
radikal anzusehen sei. Trotzdem seien Radikalisierung und Rekrutierung auch
in Österreich ein Problem. Schwierigkeiten bereiteten vor allem kleinere
Gruppen, die nicht mit Al-Kaida-Zellen kooperierten und daher schwerer zu
erkennen seien.
Terrorcamps hoch in Mode
Auffällig ist für die
Verfassungsschützer, dass das Interesse an der Teilnahme an Terrorcamps in
Afghanistan und Pakistan angestiegen sei. Gridling wollte aus
ermittlungstaktischen Gründen keine genauen Zahlen nennen, einige Dutzend
würden es aber schon sein, die sich zu Terroristen ausbilden lassen wollten.
Die meisten dieser potenziellen Terroristen sind zwischen 19 und 25.
Jugendliche aus muslimischen Familien seien hier ebenso zu finden wie
Konvertiten.
Alles ist auch für den Verfassungsschutz nicht verhinderbar, gestand Gridling heute ein. So sei man von dem Massaker in einem Wiener Sikh-Tempel mit einem Toten und zwölf teils Schwerverletzten, "völlig überrascht" worden.