"Diese Fakten sind für das BVT ein Wahnsinn", bestätigt einer der Agenten des Nachrichtendienstes in Wien die in einer Sicherheits-Analyse aufgedeckten Missstände. Er sprach nun mit ÖSTERREICH.
Er ist einer der vielen "007" des österreichischen Nachrichtendienstes, natürlich ohne der berühmten "Lizenz zum Töten", aber mit guten Verbindungen zu anderen europäischen Geheimdiensten: In einem Cafe in der Wiener Innenstadt traf sich nun der Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz- und Terrorismusbekämpfung (BVT) zu einem Gespräch mit ÖSTERREICH.
Es geht um die 25 Seiten lange Zusammenfassung der Sicherheits-Analyse des BVT: Dieses "Security assessment" hat der "Berner Club", eine im Geheimen tagende Verbindung aller befreundeten europäischen Nachrichtendienste, bei Experten des britischen Geheimdienstes MI5, des deutschen Bundesverfassungschutze und des Schweizer Geheimdienstes FIS bestellt. Am Anfang dieses Jahres waren die kontrollierenden Nachrichtendienstler zu Besuch im BVT am Wiener Rennweg, ÖSTERREICH hat über das sehr beunruhigende Ergebnis der Studie berichtet.
"Missstände waren seit langem bekannt"
"Ich kann alles bestätigen, was da die ausländischen Kollegen zusammengefasst haben. Es ist tatsächliche eine Katastrophe", sagt der BVT-Beamte gleich zu Beginn des Treffens. Durch Schlendrian, Schlamperei und durch das jahrelange Ignorieren von Problemen sei die Sicherheit der Österreicher gefährdet worden: Hacker hätten sich etwa jederzeit in das EDV-System des Verfassungschutzes einklinken können, von dort auch Daten stehlen oder diese manipulieren können. Und wie die Autoren der Sicherheits-Analyse sah auch der Nachrichtendienst-Experte eine große Gefahr: "Diese Missstände in der Cyber-Security sind seit 2009 bekannt. Der BVT-Direktor ließ das nicht ändern, die nötigen Maßnahmen wurden nicht angeordnet."
Mangelnde Kontrolle aller BVT-Mitarbeiter
Ebenso kennt der BVT-Insider die im Dossier des "Berner Clubs" dokumentierten anderen Problemfelder im BVT: "Ja, da findet kein professionelles Monitoring der Mitarbeiter statt." So könnten die Agenten aus Wien privat auch nach Nordkorea, China oder sogar in den Iran reisen, obwohl viele Kollegen sehr viel von anderen europäischen Nachrichtendiensten wissen. Auch die Social-Media-Aktivität der österreichischen Nachrichtendienst-Mitarbeiter werde nicht kontrolliert, jeder könne ungehindert auch Fotos samt heiteren Kommentaren vom aktuellen Einsatz, vom aktuellen Standort auf facebook oder Twitter posten. Und die Kritik in der Sicherheits-Analyse an der Gebäudesicherheit im Hauptquartier sei durchaus berechtigt.
Aus für Terrorwarnungen? "Nein, das will niemand."
Dass die Situation im BVT derart beunruhigend sei, hätte auch Folgen für die Sicherheit der Österreicher: So dürften bedeutende Nachrichtendienste wie etwa der MI5 in Großbritannien oder der deutsche Bundesverfassungsschutz wesentlich zurückhaltender damit sein, das BVT über verdeckte Ermittlungen in Österreich zu informieren. Der Verfassungsschutz-Mitarbeiter meinte: "Die Vertrauenskrise ist offensichtlich. Gut, dass jetzt dieses Dossier des ,Berner Clubs' nicht mehr geheim auf einem Schreibtisch liegt. Gut, dass jetzt die Öffentlichkeit Druck auf die Verantwortlichen macht, die Situation zu rasch zu verbessern." Dass Terrorwarnungen ebenfalls nicht mehr nach Wien gemeldet werden, hält der BVT-Insider aber für ausgeschlossen: "Niemand in unseren Partnerdiensten will da Schuld an möglichen Opfern auf sich laden. Nein, das wird weiterhin praktiziert."
Allerdings stelle sich auch bei vielen BVT-Mitarbeitern die Frage, wie lange noch der Innenminister den vor der Pensionierung stehenden Direktor halten will. So hörte ÖSTERREICH: Mittlerweile sei im Nachrichtendienst schon derart viel Negatives passiert, dass eine Reform nur dann glaubwürdig sei, wenn auch ein Wechsel an der Spitze des BVT befohlen wird.