Langsam findet sie wieder ins Leben zurück. Sie will kämpfen, weil sie die Jahre an der Seite von Helmut Zilk stark gemacht haben. Das denkt Dagmar Koller über die Spionage-Affäre – das große Interview.
ÖSTERREICH: Liebe Frau Koller, wie haben Sie von den Vorwürfen
gegen Zilk erfahren?
Dagmar Koller: Ich bin von der Aufzeichnung
der Kerner-Show aus Hamburg nach Hause gekommen. Ich habe mir die Sauna
eingeschaltet und mich danach im Bademantel vor den Fernseher gesetzt. Dann
kamen die Nachrichten im ORF und der Bericht über die schlimmen Vorwürfe
gegen den Helmut.
ÖSTERREICH: Was ist Ihnen dadurch den Kopf
gegangen?
Koller: Ich hatte plötzlich so Herzschmerzen, dass ich
gedacht habe, ich habe einen Infarkt. Ich war schockiert, weil ich diese
Sache schon vor elf Jahren einmal erlebt habe. Nur hatte ich damals meinen
wunderbaren Mann an meiner Seite, der sofort das Telefon in die Hand
genommen und sich gerechtfertigt hat.
ÖSTERREICH: Wie ist
das damals bekannt geworden?
Koller: Wir waren damals auf dem Weg
nach Zürich und mussten in der Zeitung die Überschrift „Zilk, Spion?“ lesen.
Er hat sich furchtbar über die Vorwürfe aufgeregt. Er hat gesagt, dass sei
schlimmer, als die Hand weggeschossen zu bekommen.
ÖSTERREICH:
Wie haben Sie am Wochenende auf den erneuten Schock reagiert?
Koller:
Ich habe sofort den Christian Rainer (Herausgeber „profil“, Anm.) angerufen.
Er ist ein Freund der Familie. Aber er hat gesagt, sie hätten die
Originalpapiere aus Tschechien geschickt bekommen. Das sind doch dieselben
Papiere wie vor elf Jahren. Mein Mann war später Ehrenbürger von Prag. Das
muss man sich mal vorstellen.
ÖSTERREICH: Wie haben Sie
sich gefühlt?
Koller: Fürchterlich. Ich habe getobt. Am
nächsten Tag bin ich zu meinem Mann ans Grab gegangen und habe mir Kraft
geholt. Und auch Dr. Scholz (Ex-Stadtratschulratspräsident Wien, Anm.) hat
mich sehr unterstützt. Deshalb habe ich mich entschlossen, in die Sendung zu
gehen, denn ich muss meinen Mann doch schützen.
ÖSTERREICH:
Wie haben Sie die TV-Show erlebt? Vor allem „profil“-Chefredakteur Herbert
Lackner hat sie ja heftig attackiert …
Koller: Es war sehr
geschmacklos, was er im Beisein der Witwe von sich gegeben hat. Wäre er ein
Sir, hätte er sich bei mir entschuldigt.
ÖSTERREICH:
Und Gerd Bacher?
Koller: Der hat mich zutiefst enttäuscht, war er
doch mit Zilk einer der großen Fernsehmacher im Land. Und er hat nichts zur
Verteidigung gesagt. Ich habe mir von ihm erwartet, dass er bei diesen
entscheidenden Fragen Position bezieht. Er war einmal ein Freund vom Zilk
und von mir.
ÖSTERREICH: Umso schlimmer muss es gewesen
sein, als er neben Ihnen sitzt und lückenlose Aufklärung verlangt?
Koller:
Es war grauenhaft. Wenn es nicht der Gerd Bacher wäre, der so alt ist, dann
hätte ich ihm eine Ohrfeige gegeben. Aber ich habe von meiner Mutter eine
gute Erziehung mitbekommen.
ÖSTERREICH: Mit Gerd Bacher ist
eine Freundschaft zerbrochen?
Koller: Ja, für immer! Das ist die
größte Enttäuschung meines Lebens.
ÖSTERREICH:
Wie haben Sie den Botschafter von Tschechien empfunden?
Koller:
Er hat viel gelacht und den Kopf geschüttelt, er hat ja gewusst, warum das
Ganze wieder aufgekommen ist. Die Tschechen haben mich gewarnt – zehn Tage
bevor die Geschichte im „profil“ gestanden ist. Die wussten, dass da was im
Umlauf ist.
ÖSTERREICH: Was werden Sie jetzt dagegen tun?
Koller:
Gar nichts. Ich bin sehr glücklich, dass mich Bürgermeister Michael
Häupl in jeder Hinsicht unterstützt. Der große Boleslaw Barlog hat einmal
am Theater gesagt: Eine Zeitung ist etwas, das man liest und am nächsten Tag
ist sie für tote Fische zum Einpacken.
ÖSTERREICH: Wie
haben Sie vor zehn Jahren mit ihrem Mann die Spionagevorwürfe ausgehalten?
Koller:
Es war schrecklich ihn in dieser Zeit der Ungerechtigkeit zu erleben. Ich
habe ihm jeden Tag Kraft gegeben, weil ich gespürt habe, dass alle auf
seiner Seite sind.
Er war kein Spion. Schon allein das Wort ist eine
Beleidigung. Das schwöre ich Ihnen bei meinem Leben und an dem hänge ich
sehr.
ÖSTERREICH: Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter?
Koller:
Ich werde mir die Freunde sehr gut aussuchen. Langsam fühle ich mich wieder
bei Kräften, und wenn ich das Trauerjahr hinter mir habe, fängt’s erst
richtig an (Buchtitel der Koller-Biografie, Anm.).
ÖSTERREICH:
Wie reagieren Menschen Ihnen gegenüber?
Koller: Es gibt eine
Welle des Mitgefühls, die ist fast schon beängstigend. Überall, wo ich
auftrete, reden mir die Leute Mut zu und regen sich über die Vorwürfe auf.
ÖSTERREICH:
Hat Bacher mit Ihnen Kontakt aufgenommen?
Koller: Nein. Nach der
Sendung ist der Herr Oberhauser (Info-Chef des ORF, Anm.) zu mir gekommen,
hat sich verabschiedet. Bacher ist sofort gegangen. Er hat gespürt, dass er
mich tief getroffen hat.