Schmied lehnt Pröll-Pläne ab - Pröll beruft sich auf Kanzler.
Jetzt stürzt unsere Bildungspolitik ins Chaos. Nach 24 Stunden
„Schrecksekunde“ schlägt Claudia Schmied nun in einer Interview-Offensive
zurück, attackiert Pröll frontal – und sagt „Nein“ zu den Länder-Plänen.
Die Nachricht erreichte Claudia Schmied kurz vor dem Gipfel. Just als sie
Donnerstag die Rax besteigen wollte, erfuhr sie, dass NÖ-Chef Pröll und
OÖ-Kaiser Pühringer künftig die alleinige Verantwortung für alle Schulen und
Lehrer haben wollen – und Pröll sogar behauptet, das mit Kanzler Faymann
abgesprochen zu haben.
Claudia Schmied fiel auf der Rax aus allen Wolken. 24 Stunden ging sie auf
Tauchstation, telefonierte höchst emotionell mit dem Kanzler, drohte mit
Rücktritt, „wenn das wirklich paktiert ist“. Schmied zum Kanzler: „Nur über
meine Leiche.“
Gestern – nach einem neuerlichen Ein-Stunden-Telefonat mit dem Kanzler und
mit Staatssekretär Ostermayer – ging die Bildungsministerin dann in die
Gegenoffensive.
In einem wahren Interview-Furioso attackierte sie Pröll frontal, wirft ihm
eine „One-Man-Show mit unnötigen Irritationen“ vor – und sagt dezidiert:
„Prölls Vorschlag ist unvorstellbar. Das wird es mit mir sicher nicht geben.“
Mit Schmieds Ansage stürzt die österreichische Schulpolitik in diesem Herbst
ins totale Chaos.
Der vom Kanzler mit Pröll paktierte „Schulgipfel“ im September wird nun
entweder gar nicht stattfinden – oder im Streit Ministerin gegen
Landes-Kaiser enden.
Pröll gab gestern gegenüber ÖSTERREICH über seinen Sprecher nur ein
Statement ab – das hatte es an Giftigkeit in sich: „Mein Ansprechpartner war
nie die Ministerin, sondern der Kanzler. Die Dame ist entwaffnend
uninformiert – aber die gute Kinderstube verbietet dazu jeden Kommentar.“
Enge Berater Prölls verraten: Der Landes-Chef ist mega-sauer auf Kanzler
Faymann und die SPÖ.
Pröll war definitiv der Meinung, mit dem Kanzler einen Pakt zu haben: Die
Länder bekommen die Schulverwaltung und die Kompetenz für alle 122.000
Lehrer, dafür ermöglicht Pröll, dass die ÖVP der gemeinsamen Neuen
Mittelschule zustimmt – und am „Schulgipfel“ im September wird der
Kompromiss von Pröll, Häupl und Faymann gemeinsam präsentiert.
Jetzt ist der Schul-Kompromiss vorerst gescheitert. Ohne Lehrer-Kompetenz
werden Pröll und die VP-Landeschefs alle Schulreform-Versuche beinhart
blockieren.
Umgekehrt hat Schmied ihren Verbleib in der Regierung mit der Kompetenz für
alle Lehrer verknüpft – der von Faymann und Pröll paktierte Kompromiss hätte
ihren Rücktritt zur Folge. Ihr Satz „Das wird es mit mir sicher nicht geben“
lässt einen heißen Schul-Herbst erwarten.
ÖSTERREICH: Die ÖVP-Landeshauptleute Pröll und Pühringer
haben am Donnerstag gefordert, dass die Länder die Verantwortung für
Schule und Lehrer übernehmen sollen. Claudia Schmied:
Ich war einigermaßen überrascht, nachdem ich das aus dem Urlaub mit
einer gewissen Zeitverzögerung mitverfolgt habe. Ich war auf der Rax
unterwegs, da war schlechter Handy-Empfang. Erwin Pröll hat seine
Position für Niederösterreich kundgetan. Faktum ist, dass beide
Pröll-Aussagen nicht stimmen. Es gibt weder eine Vereinbarung mit der
Regierungsspitze – das hat mir der Bundeskanzler bestätigt –, noch
kann von einer einheitlichen Position der Bundesländer die Rede sein.
Ich halte nicht viel davon, bei so einem wichtigen Thema unnötige
Irritationen hervorzurufen. Die Bundesregierung – ich habe mich mit
dem Bundeskanzler abgesprochen – wartet jetzt bis Herbst auf eine
Position der Länder. Das ist kein Thema, dass man per Zuruf abhandeln
kann, da geht es um ein Volumen von 6 Milliarden Euro und um 120.000
Lehrerinnen und Lehrer. ÖSTERREICH: Landeshauptmann
Pröll meinte, dass sein Vorschlag sehr wohl mit dem Bundeskanzler
akkordiert war. Wie kommt er darauf? Schmied: Das müssen
Sie Erwin Pröll fragen. Das war offensichtlich ein Alleingang von ihm.
Es gibt ja die unterschiedlichsten Kommentare, warum er das jetzt
gemacht hat: Sie reichten von Ablenkungsmanöver bis hin zur
One-Man-Show von Pröll. ÖSTERREICH: Was spricht
aus Ihrer Sicht gegen den Vorschlag, den Ländern die Schulmacht zu
übertragen? Schmied: Österreich braucht vom
Neusiedlersee bis zum Bodensee die besten, das heißt einheitliche
Rahmenbedingungen für die Schule. Wir können es uns nicht leisten, in
neun Bildungsrepubliken zu zerfallen. Das würde ja bedeuten, dass wir
mit dem Bildungstourismus beginnen, dass es neun verschiedene
Schularten gibt, neun verschiedene Dienstrechtsauslegungen. Dann
könnten Lehrer und Eltern ihren Wohnsitz vielleicht nicht verändern.
Das ist einfach unvorstellbar. Wohin das in Deutschland führt, sehen
wir ja. Das wird es mit mir sicher nicht geben. ÖSTERREICH:
Bleiben Sie dabei, dass Sie die Landeslehrer übernehmen wollen? Schmied:
Ich bin da unverändert auf der Bundesposition, die wir ja in der
Bundesregierung ausgearbeitet haben. Und die lautet, dass der Bund
Kosten und Verantwortung für alle Lehrer übernimmt. ÖSTERREICH:
Und wenn sich die Länder nicht darauf einlassen? Schmied:
Ich möchte mich nicht in Wenn-Dann-Aussagen begeben. Es ist wichtig,
souverän zu bleiben. ÖSTERREICH: Am Donnerstag
wurde kolportiert, dass Sie mit Rücktritt drohen, sollte der
Pröll-Vorschlag so umgesetzt werden. Schmied: Ich habe
nie an Rücktritt gedacht und auch nicht damit gedroht. Im Gegenteil:
Ich fühle mich jetzt angespornt. ÖSTERREICH:
Wie geht es mit der Neuen Mittelschule weiter? Pröll hat ja ein
eigenes Modell – die gemeinsame Schule der 10- bis 13-Jährigen –
vorgeschlagen. Schmied: Das Ziel muss die gemeinsame
Schule der 10- bis 14-Jährigen sein. Ein Modell für ganz Österreich.
Wir beginnen im Herbst mit 320 neuen Mittelschulen. Damit haben wir
die 10-Prozent-Grenze für Schulversuche ausgeschöpft. Eine
Ausweitung der Standorte braucht eine Anhebung dieser
10-Prozent-Grenze und eine entsprechende Ausweitung des Budgets.
Bisher sehe ich da aber kein Entgegenkommen der ÖVP. ÖSTERREICH:
Welche Schulkompetenzen sollen die Länder künftig haben? Schmied:
Wir brauchen die Bildungsdirektionen in den Bundesländern. Weil es
ja wichtig ist, auf die Bedürfnisse der einzelnen Regionen
einzugehen. Wichtig ist natürlich, dass wir die Schulstandorte
stärken. Die Schulleiter brauchen mehr Profil, mehr Verantwortung,
mehr Mitspracherecht bei der Auswahl des Personals. Und die großen
Schulen brauchen mittleres Management. Wir werden im Herbst ganz
viele Verhandlungen zum Thema Schule und Bildung führen.
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