Der Vizekanzler humpelt noch, aber die Beinschiene ist weg, das alte Pröll-Lachen und sein Optimismus sind zurück. Josef Pröll hat die schwerste Woche als Finanzminister überstanden – und zieht die Bilanz der Krise.
Josef Pröll ist seit Ostern durch ein Stahlbad gegangen: Achillessehne kaputt, enorme Schmerzen, Euro kaputt, Milliarden für Griechen und EU-Rettungspaket, ein persönlicher Absturz in den Umfragen. Erstmals spürt Pröll den Zorn der Steuerzahler, denen er für die Griechen Milliarden abknöpft und gleichzeitig neue Ökosteuern aufbrummt.
Pröll humpelt wieder – ohne Krücken, ohne Gips. Und Pröll lacht wieder – der Optimismus ist zurück. Im Sonntagsinterview mit ÖSTERREICH sagt der Finanzminister:
- Ohne Hilfe für die Griechen wären in Österreich sofort fünf Milliarden Euro verloren gewesen, das Budget wäre ruiniert gewesen.
- Wenn die Griechen die Eurozone verlassen, bricht der ganze Euroraum zusammen.
- Ohne Rettungspaket des letzten Wochenendes wäre der Euro jetzt ruiniert.
- Nach Prölls Meinung greift das Rettungspaket. Er zeigt sich als Optimist: „Wir sind über den Berg, die Krise ist weitgehend vorbei.“
Im zweiten Teil des Interviews – morgen im Montag-ÖSTERREICH – kündigt Pröll an:
- Wie die Ministerien sparen müssen – und warum Bildung und Forschung nicht gekürzt werden.
- Warum er weiter auf der Ökosteuer besteht und sie im Budget 2011 haben will.
- Warum er ein Fan von Bankensteuer und Spekulationssteuer ist – und wie beides in Kürze kommen wird.
ÖSTERREICH: Können Sie uns erklären, warum die gesamte EU-Spitze
das Griechenland-Debakel jahrelang übersehen hat?
Josef Pröll:
Hier geht es schlicht um Tricksen, Tarnen, Täuschen. Die Griechen haben über
Jahre hinweg falsche Daten vorgelegt, wir sind über Jahre angelogen und
gezielt betrogen worden.
ÖSTERREICH: Unds das ist niemandem
aufgefallen?
Pröll:: Wenn Ihnen ein Land komplett falsches
Datenmaterial vorlegt und das von der Nationalbank bestätigen lässt, dann
fällt das nicht auf.
ÖSTERREICH: Wenn jemand in einem
Verein betrügt, wird der ausgeschlossen. Oder?
Pröll:
Es muss für Griechenland Konsequenzen geben –- keine Frage. Da muss in
Griechenland die Justiz einschreiten, bis hin zu Haftstrafen für die
schuldigen Politiker. Und in der EU muss es künftig klare Rechtsinstrumente
geben, wie man solche Betrügereien aufdeckt –- und was mit Rechtsbrechern
dieser Art passiert.
ÖSTERREICH: Die Frage, die sich
Österreichs Steuerzahler stellen, ist: Warum zahlen wir den griechischen
Betrügern auch noch 2,3 Milliarden?
Pröll: Um es ganz
klar zu sagen: Wir retten nicht die Griechen –- wir retten uns selbst. Es
geht um unser eigenes Geld. Uns haben alle Experten gesagt: Wenn
Griechenland fällt, dann fällt Österreich mit. Wir sind bei der
Griechen-Krise am Kern angekommen –- am Fundament des Euro. Und ich stimme
Angela Merkel hundertprozentig zu: Am letzten Wochenende stand Europa als
Gesamtes am Abgrund. Wenn der Euro fällt, dann fällt die ganze EU –- dann
ist unser gesamtes Friedensprojekt kaputt.
ÖSTERREICH: Es
gibt aber viele Experten, die sagen: Der EU passiert gar nichts, wenn sie
die Griechen aus dem Euro entlässt und ihnen keine Milliardenhilfe zahlt.
Pröll:
Jeder vernünftige Expearte sagt Ihnen: Wenn Griechenland in Konkurs geht,
dann gehen wir mit in die Pleite. Wir können Europa und den Euro nicht mehr
entkoppeln.
ÖSTERREICH: Wieso?
Pröll: Weil
bei einem Konkurs von Griechenland bei uns in Österreich von einem Tag auf
den anderen sofort fünf5 Milliarden Euro als Verlust fällig gewesen wären.
Wir hätten fünf5 Milliarden Verlust gehabt! Da ist es doch viel klüger, den
Griechen 2,3 Milliarden Kredit zu geben, Griechenland damit zu stabilisieren
und das Geld in ein paar Jahren mit Zinsen wieder zurück zu bekommen.
ÖSTERREICH:
Das glauben Sie wirklich –- wir kriegen die Milliarden mit Zinsen zurück?
Pröll:
Davon gehe ich aus, weil der Internationale Währungsfonds bisher in
allen Fällen, wo er Geld verliehen hat, das Geld auch wieder zurückgeholt
hat.
ÖSTERREICH: Jetzt haben Sie zusätzlich zu den 120
Milliarden für Griechenland letztes Wochenende auch noch 750 Milliarden als
Rettungspaket für den Euro durchgeboxt. Ist das nicht irrsinnig viel?Pröll:
Bei diesen 750 Milliarden habe ich dafür gekämpft, dass das nicht Kredite
sind, die unsere Staatsschulden belasten, sondern Haftungen, die das Budget
nicht belasten. Man muss wissen: Wir standen am Abgrund der wirtschaftlichen
Zukunft für ganz Europa.
ÖSTERREICH: Ist das nicht zu
dramatisch formuliert?
Pröll: Vielen ist leider die Dramatik
nicht bewusst. Der Euro wäre ohne das Rettungspaket in eine massive
Geldentwertung wie in den 30er-Jahren gestürzt, ein Land nach dem anderen
wäre wie bei einem Flächenbrand in die Pleite geraten, auch wir hätten
massive Probleme mit Budget und Finanzierung von Sozialbudget, Schulen etc.
bekommen. Da ging es um alles!
ÖSTERREICH: Das Problem ist
nur: Auch nach Ihrem 750-Milliarden-Rettungspaket fällt der Euro weiter.
Pröll:
Ob der Euro so wie Freitag etwas fällt, ist nicht das Problem –- das kann
sogar gut für unseren Export und unsere Wirtschaft sein. Die Bedrohung war
eine massive Geldentwertung des Euros in wenigen Tagen, unsere Währung wäre
ins Bodenlose gefallen. Man sieht bereits jetzt, dass die Risiko- und
Zinsabschläge seit dem Rettungsp-Paket deutlich zurück gehen, dass sie sich
für die Griechen sogar halbiert haben, was die Chance, dass sich
Griechenland stabilisiert, enorm erhöht. Unser Nationalbankp-Präsident
Nowotny hat gesagt, dass dieser Schutzschirm absolut gewirkt hat und absolut
unverzichtbar war. Und das stimmt.
ÖSTERREICH: Ist der Euro
jetzt gerettet - oder haben wir nur Zeit gekauft?
Pröll: Es
war ein unverzichtbarer Schritt - deshalb bin ich optimistisch, dass der
Euro wirklich langfristig gerettet ist. Aber wir sind derzeit in einer ganz
besonders sensiblen wirtschaftlichen Lage –- weltweit. Ich höre in den
letzten Stunden, dass nun in den USA eine heftige Diskussion über
Stabilität, Schulden und Dollar beginnt. Das kann genau so dramatisch wie
die Eurokrise werden.
ÖSTERREICH: Warum stoppen Sie nicht
endlich die Spekulanten gegen den Euro?
Pröll:Ich bin ab 21.
Mai in der Task-Force der EU-Finanzminister und wir werden da den
Spekulanten ganz ganz massiv in die Parade fahren. Ich will, dass wir in der
EU ein Verbot von ungedeckten Leerverkäufen von Staatsanleihen angehen, dass
wir Credit Default Swaps auf Staatsanleihgen verbieten, dass wir also
europaweit den Kern der Spekulation stoppen.
ÖSTERREICH: Ist
die Krise für uns in Europa vorbei?
Pröll: Wir haben in
Europa ein kräftiges Signal des Handelns gesetzt –- und das hilft uns sehr.
Diese Krise hatte in Wahrheit drei Parameter: Zuerst war die Finanzkrise,
ausgelöst durch die Lehmann-Pleite. Hier ist es gelungen, die Banken zu
sichern. Dann kam im Vorjahr die eigentliche fundamentale Wirtschaftskrise,
da haben wir mit den richtigen Maßnahmen erfolgreich gegengesteuert, sind
wieder sehr stabil und klar auf dem Weg nach oben. Und jetzt kam die Krise
ganzer Volkswirtschaften wie die Griechenlands dazu –- und wenn wir die
bewältigen können, dann sind wir über den Berg, dann sind wir durch ein
wahres Sperrfeuer der Krisenbewältigung gegangen –- deshalb bin ich durchaus
optimistisch, dass wir die Krise mit den richtigen Maßnahmen bewältigt haben.
ÖSTERREICH:
Woher nehmen Sie diesen sonnigen Optimismus in düsteren Zeiten?
Pröll:
Ich bin einer, der immer für die Hoffnung und für die Perspektive kämpft und
der nie sagt: „Jetzt geht ollas den Bach owe!“ Ich glaube, dass noch wenige
Finanzminister vor solchen Herausforderungen standen wie ich in den letzten
Monaten. Aber im Gegensatz zu meinen Konkurrenten in der Innenpolitik tue
ich eines nicht: aAbtauchen, verstecken, Hochglanzp-Plakate in Zeiten der
Krise drucken –- und schon gar nicht: die Flinte pessimistisch ins Korn
werfen.
ÖSTERREICH: Stört es Sie, dass Kanzler Faymann
Plakate druckt, wo er sich als Kämpfer für Gerechtigkeit feiert und Sie mit
den Budgetp-Problemen im Regen stehen lässßt?
Pröll:
Ich bin ja nicht in die Politik gegangen, um mich in Hochglanzb-Broschüren
zu sonnen. Ich liebe spannende und schwierige Zeiten. Ob ich da im Regen
oder in der Sonne stehe, ist für mich kein Maßstab in meiner politischen
Arbeit.
ÖSTERREICH: Warum stoppen Sie nicht endlich die
Spekulanten gegen den Euro?
Pröll: Ich bin ab 21. Mai in der
Task-Force der EU-Finanzminister und wir werden da den Spekulanten ganz
massiv in die Parade fahren. Ich will, dass wir in der EU ein Verbot von
Leerverkäufen angehen, dass wir Credit Default Swaps auf Staatsanleigen
verbieten, dass wir also europaweit den Kern der Spekulation stoppen.