Nach Hypo und Haider
Justizgipfel soll Verfahren beschleunigen
26.08.2010
Vor allem bei der Wirtschaftskriminalität dauern Verfahren ewig.
Die Standesvertreter der Richter und Staatsanwälte treffen am Nachmittag mit der Regierungsspitze zu einem "Justizgipfel" zusammen. SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann hat angesichts heftiger Kritik an ewig langen Wirtschaftsverfahren zu dem Termin geladen. Er will sich die Anliegen der Standesvertreter anhören und hat seine Unterstützung angeboten. Neben Faymann werden auch ÖVP-Vizekanzler Josef Pröll, SPÖ-Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek und die zuständige Ressortchefin Claudia Bandion-Ortner teilnehmen.
Zu wenige Kollegen
Die Schwerpunkte sind Wirtschaftskriminalität und Korruption. Der Anlass sind Vorwürfe, die Justiz würde Ermittlungen in politisch heiklen Wirtschaftsverfahren verschleppen. Nun soll beraten werden, wie sich die Situation verbessern lässt. Hauptthema war zuletzt die dünne Personaldecke der Justiz, auf die vorige Woche auch die Präsidenten der vier Oberlandesgerichte verwiesen hatten.
Die nackten Tatsachen
Österreichweit sind in den vier Oberlandesgerichts- bzw. Oberstaatsanwaltschaftssprengeln 1.587 Richter und 354 Staatsanwälte tätig. Sieben Staatsanwälte davon sind derzeit bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft beschäftigt. Sie sind allerdings nicht die einzigen, die sich mit Bestechung, Amtsmissbrauch und Co. beschäftigen. "Kleinere" Fälle werden auch von allen anderen Staatsanwälten bearbeitet.
Von den insgesamt 354 Staatsanwälten sind 324 Staatsanwälte erster Instanz und 30 Oberstaatsanwälte (zweite Instanz). In Summe sind in der Justiz auch 185 Richteramtsanwärter und über 4.800 "Nichtrichterlich Bedienstete" tätig. Bei den Richteramtsanwärtern handelt es sich um angehende Richter und Staatsanwälte, die zum Beispiel während des Studiums ihr Gerichtsjahr absolvieren. Den Ausbildungsstatus "Richteramtsanwärter" haben sie für drei Jahre.
Das meiste Justizpersonal hat der Sprengel Wien (zuständig auch für Niederösterreich und Burgenland) aufzuweisen. 761 Richter, 94 Richteramtsanwärter und 169 Staatsanwälte sind hier tätig. Im OLG-/OStA-Sprengel Graz (Steiermark und Kärnten) sind es 301 Richter, 35 Richteramtsanwärter und 65 Staatsanwälte. Linz (Oberösterreich und Salzburg) verzeichnet 315 Richter, 32 Richteramtsanwärter und 67 Staatsanwälte und Innsbruck (Tirol und Vorarlberg) 210 Richter, 24 Richteramtsanwärter sowie 46 Staatsanwälte. Am Obersten Gerichtshof und der Generalprokuratur gibt es weiters 59 Richter, 16 Staatsanwälte und 36 Nichtrichterlich Bedienstete.
Österreichweit sollen sich künftig mindestens 40 Staatsanwälte um komplexe Wirtschaftsfälle kümmern, das hat das Justizministerium vor wenigen Tagen bekanntgegeben. Angesiedelt bei den vier Oberstaatsanwaltschaften werden sie für Fälle wie Betrug, Untreue oder Förderungsmissbrauch zuständig sein, die eine Schadenssumme von fünf Mio. Euro übersteigen. Auch organisierte Schwarzarbeit, Pyramidenspiele mit einer größeren Zahl von Geschädigten, Bilanzdelikte, Finanzstraftaten oder Geldwäscherei fallen in ihre Zuständigkeit. Derzeit gibt es zwar schon spezialisierte Wirtschaftsabteilungen, dies jedoch nicht flächendeckend. Dort, wo es heute noch keine eigene Wirtschaftsabteilung gibt, kann jeder Staatsanwalt auch mit Wirtschaftsfällen betraut werden.
Die neuen Zentren sollen mit 1. Juni 2011 ihre Arbeit aufnehmen. In Wien werden rund 20 Staatsanwälte im Wirtschaftskompetenzzentrum zum Einsatz kommen, die restlichen 20 teilen sich auf die weiteren drei Standorte Graz, Linz und Innsbruck auf. Sie werden in ihrer Arbeit jeweils auch von mindestens einem externen Experten unterstützt.