Bruder übernimmt Ruder
Kärnten: So tickt der neue Scheuch
03.08.2012
Sein Markenzeichen sind Halstücher, sein zweiter Name ist "Reißwolf". Ein Porträt.
Macht ist in Kärnten Family-Business: Wenn Uwe Scheuch (42) nach den mehrfachen Belastungen in der Birnbacher-Affäre den längst überfälligen Rücktritt wagt, dann springt der nächste Scheuch in die Bresche – nämlich Bruder Kurt (44) . Er stieg am Mittwoch vom Klubobmann zum Vizelandeshauptmann und zum Chef der FPK auf. Landeshauptmann Gerhard Dörfler hat die Bruder-Rochade von Uwe zu Kurt auf den Punkt gebracht: „Es ist die Kontinuität gewahrt.“
Starke Bindung
Denn Uwe und Kurt, das sind zwei wie Pech und Schwefel. Das liegt auch daran, dass die beiden Brüder sehr früh (Uwe war eineinhalb und Kurt dreieinhalb Jahre alt) den Vater verlieren. Er verunglückt bei einem Unfall auf dem Gut ihn Mühldorf. Der zwei Jahre ältere Kurt ist seit damals der „Beschützer“ seines kleineren Bruders, der ihn allerdings um einen Kopf überragt. „Ich werde Uwe ein Leben lang unterstützen“, beschreibt Kurt Scheuch die enge Bindung.
Großvater prägt die Brüder
Geprägt werden die beiden machtbewussten Brüder von ihrem Großvater Robert Scheuch. Er nimmt die Rolle des Ersatzvaters ein. Ihm gehörte auch der Sternhof bei Spital an der Drau. Dieses Gut (mit 40 Hektar Acker und 60 Hektar Wald) aus dem Jahr 1470 bewohnen die Scheuchs bis heute mit ihren beiden Ehefrauen, ihren fünf Kindern und mit Mama Scheuch. „Unsere Kinder haben drei Mütter und zwei Papas“, beschreibt Kurt die Scheuch-Idylle.
Der Großvater war ein überzeugter Nationalsozialist. Nach dem Krieg 1949 gehörte er zu den Mitgründern der VDU, der Vorläuferpartei der FPÖ. Hier laufen sich Robert Scheuch und Robert Haider – der Vater von Jörg Haider – über den Weg und werden Freunde. Jahrzehnte später machen die Brüder Scheuch an der Seite von Jörg Haider Karriere.
Als Haider 2002 in Knittelfeld die FP-Spitze loswerden will, sind die Scheuchs dabei. Kurt erhält in Knittelfeld den Titel „Reißwolf“, weil er auf offener Bühne den schriftlichen Kompromiss zwischen Riess-Passer und den FP-Rebellen zerreißt. 2005 sind sie bei der Abspaltung zum BZÖ wieder dabei. Und im Jänner 2010 – 18 Monate nach Jörg Haiders Tod – avancieren Uwe und Kurt zu den Putsch-Brüdern: Sie sind die Masterminds der BZÖ/FPK-Spaltung.
Mann fürs Grobe
Nach der „Part of the game“-Affäre und den zwei erstinstanzlichen Verurteilungen sowie den Ermittlungen wegen Geldwäsche in der Birnbacher-Affäre hat Uwe Scheuch die FPK ordentlich in die Bredouille gebracht. Jetzt muss Kurt, der als Mann fürs Grobe gilt, den FPK-Karren aus dem Dreck ziehen. „Ich musste in der Partei schon viele Rollen spielen“, rechtfertigt Kurt sein schlechtes Image.
Dazu gehört es auch, den Richter seines Bruders als „Kröte“ zu bezeichnen (es gilt die Unschuldsvermutung). Exakt drei Stunden nach seiner Benennung zum Vizelandeschef wird der Strafantrag gegen Kurt Scheuch wegen Beleidigung bekannt. Trotz der Turbulenzen ist er überzeugt: Die FPK bleibt in Kärnten die Nummer eins . Ist das die typische Scheuch-Arroganz oder kennt er nur die Eigenwilligkeit der Kärntner?
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Kurt Scheuch: "Habe keinen Machtrausch"
ÖSTERREICH: Herr Scheuch, viele empfinden es als Farce, dass Uwe Scheuch durch Kurt Scheuch ersetzt wurde. Können Sie die Macht nicht loslassen?
Kurt Scheuch: Ich erliege nicht dem absoluten Machtrausch, sondern habe mich sehr wohl gefragt, ob ich dieser Verantwortung gewachsen bin. Mir ist es nicht leicht gefallen, diesen Schritt zu gehen. Die emotionale Schiene zu meinem Bruder ist sehr stark. Und es war schwer mit anzusehen, wie eine große Hoffnung nach zwei Jahren Hexenjagd zu Ende geht. Mir geht es auch um Verantwortung: Ich möchte Kärnten nicht den Trillerpfeifen (Anm. d. Red.: SPÖ) auf der Straße überlassen.
ÖSTERREICH: Sollten die Kärntner nicht selbst entscheiden, von wem sie regiert werden wollen. Warum gibt es erst im Frühjahr 2013 Neuwahlen?
Scheuch: Das Land erlebt gerade viele Polit-Unwetter und Sturmkatastrophen. Ich möchte mit dem Kopf und nicht mit dem Bauch handeln. Tatsache ist, es wird keine Neuwahlen geben, bevor die FPK den Rettungsschirm ESM eingeklagt hat. Außerdem fehlt für Neuwahlen das logische Argument: Wenn wir in neun Wochen wählen, wird Landeshauptmann Gerhard Dörfler die Nummer eins bleiben.
ÖSTERREICH: Glauben Sie wirklich, dass Dörfler Wahlsieger wird?
Scheuch: Sehen Sie eine Alternative?
ÖSTERREICH: Schwer zu beurteilen, die Kärntner sind anders als der Rest von Österreich …
Scheuch: Das stimmt, aber wir sind auch stolz auf diese Eigenheiten. Aber Tatsache ist: Die Kärntner lieben Gerhard Dörfler. Der Peter Kaiser hat nicht das Zeug, die Menschen zu erreichen. Aber auch wenn die FPK stark verliert, dann sitzen in der Regierung Gerhard Dörfler, Harald Dobernig, Kurt Scheuch und Peter Kaiser. Kaiser könnte wegen der Top-Team-Affäre ein paar Tage später angeklagt werden. Und was machen wir dann? Wählen wir wieder? Aber der Neuwahl-Termin im Frühjahr ist für mich nicht in Stein gemeißelt. Der Landeshauptmann hat für nächste Woche die Parteiobmänner zu Gesprächen eingeladen. Wir hoffen, dass es da eine Einigung wegen des Neuwahl-Termins gibt.
ÖSTERREICH: Morgen geht der Birnbacher-Prozess weiter. Fürchtet die FPK neue Enthüllungen?
Scheuch: Ich finde es bedenklich, dass der alte Mann zum Star für seine Verbrechen wird. Und ich bin schon sehr neugierig, wie hoch das Urteil gegen Birnbacher ausfällt. Ich bin mir sicher, dass er nur mit einer bedingten Strafe aus dem Prozess aussteigt. Der Vergleich der beiden Urteile Birnbacher und Scheuch und die Taten, die dahinter stehen, werden eine klare Sprache sprechen.
ÖSTERREICH: Ihr Bruder hat Ihnen in der Nacht in Ihrem Schlafzimmer seinen Rücktritt mitgeteilt. Was waren Ihre Gedanken?
Scheuch: In dieser schlaflosen Nacht habe ich viel Enttäuschung und auch viel Wut empfunden.
ÖSTERREICH: Wollten Sie ihn umstimmen?
Scheuch: Ja, aber nur kurz. Man kann ihn kaum umstimmen. Außerdem kommt in der Familie Scheuch der Mensch vor der Politik.
ÖSTERREICH: Sie und Ihr Bruder leben auf dem Sternhof. Wie funktioniert das Zusammenleben?
Scheuch: Mein Vater ist gestorben, als der Uwe eineinhalb Jahre und ich drei Jahre alt war. Aus dieser Situation haben wir eine sehr enge Verbindung. Meine Mutter ist immer unsere Klammer gewesen. Unsere Kinder wachsen wie Geschwister auf. Sie haben zwei Papas und drei Mütter. Aber unsere Schlafzimmer teilen wird nicht (lacht). Denn der Sternhof ist nicht so klein. Das Zentrum ist das große Vorhaus und die Küche, wo meine Mutter sehr häufig anzutreffen ist.
ÖSTERREICH: Für die Ehefrauen ist es kein Problem, wenn der eine Bruder den anderen in der Nacht im Schlafzimmer besucht …
Scheuch: Das ist kein Problem und kann schon vorkommen. Aber meistens klopfen wir an.
ÖSTERREICH: Ihr Markenzeichen sind die Halstücher. Wie viele besitzen Sie?
Scheuch: Da bin ich etwas schrullig und ich überlege gerade, ob ich das Halstuch ablegen soll. Im Prinzip habe ich nur drei verschiedene Varianten an Tüchern und davon jeweils etwa zehn Stück.
ÖSTERREICH: Was wird Ihr Bruder jetzt machen?
Scheuch: Da mache ich mir keine Sorgen. Er ist kein armer Mann.
ÖSTERREICH: Das sicherlich nicht, aber eine Karriere ohne Politik war nicht geplant?
Scheuch: Ich habe so eine Situation auch schon einmal erlebt. Ich würde ihm raten, ein paar Tage zum Nachdenken auf die Alm zu gehen. Danach kann er entscheiden, ob er ins Kieswerk geht oder am Bauernhof bleibt. Aber ich traue ihm zu, dass er eine weitere eigene Firma startet.