Wien. Einen Befragungsmarathon hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Ibiza-Untersuchungsausschuss hingelegt. Fünf Stunden lang beantwortete er mehr oder weniger Fragen zu möglichem Postenschacher in der türkis-blauen Regierung sowie Gefälligkeiten für Parteispenden. Das dies jemals der Fall gewesen sein könnte, bestritt der Regierungschef erwartungsgemäß. Auch emotional wurde es vereinzelt - alle aktuellen Infos im LIVETICKER weiter unten.
In seinem Eingangsstatement verteidigte Kurz die Art und Weise, wie Personalentscheidungen in einer Bundesregierung getroffen werden. Er habe die Regeln nicht erfunden, so Kurz. Das System habe seine Schwächen, "wir kennen aber kein besseres". Sollten etwa in der Casinos-Postenbesetzung Zuwendungen geflossen seien, dann müsse das strafrechtlich verfolgt werden. Aber nicht jede Personalentscheidung habe etwas "Anrüchiges". Er lehne pauschale "Anpatzversuche" ab.
ÖVP habe keine Novomatic-Spenden erhalten
Spenden von Novomatic habe die ÖVP jedenfalls nicht erhalten, sagte Kurz. Schließlich habe man alle Spender überprüft und aus gewissen Bereichen habe man keine Spenden angenommen, dazu zählte etwa der Glücksspiel-Bereich oder auch Waffenproduzenten. Zur Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos erklärte Kurz, dass er dem wenig Aufmerksamkeit geschenkt habe. Er habe sich nie für den Freiheitlichen stark gemacht.
Früh entsponnen hat sich auch eine Debatte um die Offenlegung des Terminkalenders des Kanzlers. Dieser meinte, alle relevanten Unterlagen aus seiner ersten Amtszeit gesetzeskonform dem Staatsarchiv übermittelt zu haben. Der Opposition reicht das nicht, aber auch dem jetzigen Regierungspartner, den Grünen: "Wann sie zum Zahnarzt gegangen sind, interessiert uns nicht", meinte Fraktionsführerin Nina Tomaselli, ein Termin mit Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner aber schon.
U-Ausschuss-Akten werden in den Befragungsraum gerollt.
Details zu seinem SMS-Verkehr mit dem damaligen Vizekanzler Heinz-Christian Strache wollte Kurz laut eigener Aussage gerne beantworten - allerdings in einer geheimen Sitzung. Dazu kam es dann doch nicht. Der Bundeskanzler hatte gemeint, dass er aus Sicherheitsgründen seine SMS regelmäßig lösche, dafür gebe es Sicherheits-Aspekte, weil es auch andere Staaten betreffe.
Unterschiedlichste Untersuchungsthemen des Ausschusses
Davor waren unterschiedlichste Untersuchungsthemen des Ausschusses behandelt, der der angeblichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung nachgehen soll. Etwa die Bestellung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Vorstand. Dazu erklärte Kurz, dass er Schmid seit rund zehn Jahren kenne und in unterschiedlichen Funktionen mit ihm "immer gut zusammengearbeitet" habe. Die Entscheidung habe aber der Aufsichtsrat getroffen und auf diesen habe er keinen Einfluss genommen.
Mit der Spendenliste der ÖVP konfrontiert, meinte Kurz, dass er immer wieder Gespräche mit einzelnen Spendern geführt und sich zum Teil auch dafür bedankt habe. Zuständig sei aber der Finanzreferent der Partei. Zudem seien Großspenden von der ÖVP selbst veröffentlicht worden und öffentlich zugänglich. Überhaupt würden in der Partei strengere regeln gelten, als vor dem Rechnungshof, meinte der Kanzler.
Auf die Frage von Hafenecker, wer denn die Partei führt, wenn er denn nicht mitbekomme, was um ihn herum passiere, meinte Kurz: "Jetzt platzt mir gleich der Kragen." Persönlich wurde es, als Kurz verneinte, jemals den Austausch von Journalisten etwa im ORF gewünscht zu haben. Hier platzte dem einstigen "Kurier"-Chefredakteur und nunmehrigen NEOS-Mandatar Helmut Brandstätter der Kragen, er drohte dem Kanzler mit Gericht.
Schmid verweist auf Letztverantwortung des Ministers
ÖBAG-Vorstand Schmid auf dem Weg zur Befragung.
Der nunmehrige ÖBAG-Chef Thomas Schmid ist am Mittwoch im Ibiza-U-Ausschuss zur Casinos-Affäre und seiner Bestellung zum Vorstand der Staatsbeteiligungsholding ÖBAG befragt worden. Schmid machte dabei immer wieder von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch, weil Ermittlungen gegen ihn laufen. Zudem kenne er noch nicht alle Akten und sei noch nicht von der WKStA einvernommen worden.
In seinem Eingangsstatement wies Schmid darauf hin, dass er als Kabinettschef von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), der ebenfalls als Beschuldigter im Casag-Verfahren geführt wird, lediglich eine koordinierende Tätigkeit inne gehabt habe. Die "Letztentscheidung" sei beim Minister gelegen, betonte Schmid. Auch in seiner Funktion als Generalsekretär des Ministeriums könne er sich nicht daran erinnern, von einem Weisungsrecht Gebrauch gemacht zu haben - "weder schriftlich noch mündlich", so Schmid.
Schmid verteidigte den Umbau von der ÖBIB zur ÖBAG
Zudem verteidigte Schmid den Umbau von der ÖBIB zur ÖBAG. Mit der ÖBAG sei es gelungen, "eine Staatsholding auf Augenhöhe der anderen Eigentümer" zu schaffen, ein nach internationalem Standard ausgelegtes staatliches Beteiligungsmodell.
Bei Erklärungen zum allgemeinen Prozedere zeigte sich Schmid auskunftsfreudig, sobald die Fragen der Abgeordneten konkreter wurden, machte er jedoch von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch. Etwa als Krainer von Schmid wissen wollte, wer denn für die Bewerbungen der ÖBAG-Aufsichtsräte verantwortlich war, die letztlich ihn zum Alleinvorstand bestellten. Die NEOS hatten nämlich tags zuvor E-Mails vorgelegt, die nahe legen, dass etwaige Bewerbungen bei Schmid selbst landeten. In diesem Punkt entschlug sich Schmid. Um sich nicht selbst zu belasten, wie Krainer festhielt.
Ebenso entschlug sich Schmid zu einem SMS-Verkehr mit Strache und detaillierten Fragen im Zusammenhang mit der Bestellung des früheren FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos. Diese seien Teil des laufenden Strafverfahrens, so Schmid.
Wenig erhellend waren auch Schmids Auskünfte, wie und aus welchem Grund eine Novelle zum Glücksspielgesetz, mit der man illegales Glücksspiel bekämpfen wollte und die sich bereits in Begutachtung befand, wieder zurückgezogen wurde. "Ich kann mich daran nicht mehr erinnern", sagte er.
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