Kanzler Faymann im ersten großen Interview nach der Rot-Blau-Entscheidung im Burgenland.
Der Kanzler sagt so deutlich wie noch nie, dass er auch 2018 keine Koalition mit der FPÖ machen wird – und dass er eine neue Form der Asyl-Diskussion haben möchte. Ohne Dramatisierung …
Kanzler Faymann über Rot-Blau im Burgenland und die Zukunft der Flüchtlinge
ÖSTERREICH: Finden Sie die Entscheidung von Hans Niessl für eine rot-blaue Koalition richtig? Oder schadet das der SPÖ?
FAYMANN: Das ist die Entscheidung von Hans Niessl. Er ist als Landeshauptmann gewählt, seine Landesorganisation entscheidet – und es ist ganz normal, dass er regionale Koalitionen bildet, wenn hinter seinem Rücken von der ÖVP sein Sturz geplant wird.
ÖSTERREICH: Ist Rot-Blau eine Option für die SPÖ?
FAYMANN: Ganz sicher nicht. Ich habe hier eine ganz klare Haltung: Es gibt keine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene. Nicht beim letzten Mal, nicht heute und ganz sicher auch nicht 2018.
ÖSTERREICH: Niessls Rot-Blau könnte zur Zerreißprobe für die SPÖ werden.
FAYMANN: Nein, das sehe ich nicht. Es gibt leider Journalisten, die haben Spaß daran, jeden Kritiker der SPÖ hochleben zu lassen. Und dann gibt es ein paar – und das sind keine zehn –, die sich gerne in Szene setzen. Und die werden dann von Medien hofiert. Die Wahrheit ist: Mehr als 80 Prozent der SPÖ-Mitglieder stehen voll hinter meiner Aussage, dass es keine Koalition mit der FPÖ geben wird – und damit hinter mir. Und eine 100 Prozent einheitliche Linie gibt es in keiner Partei mehr – Gott sei Dank, das ist Demokratie. Selbst unter Kreisky hat es unterschiedliche Meinungen gegeben. Das ist nicht neu, das war selbst beim „Sonnenkönig“ so.
ÖSTERREICH: Soll man Niessl aus der SPÖ ausschließen?
FAYMANN: Das ist lächerlich. Da müsste man ja auch jeden Bürgermeister ausschließen, der eine FP-Koalition hat.
ÖSTERREICH: Wird die Flüchtlingssituation dramatisch?
FAYMANN: Die Kriege, die zu diesen weltweiten Flüchtlingsströmen führen, sind dramatisch. Ich weiß nicht, welchen Sinn es hat, dauernd mit Kraftausdrücken beim Thema Asyl zu agieren – das hilft nur denen, die Hass säen und hetzen. Also nur der FPÖ.
ÖSTERREICH: Die Innenministerin selbst spricht von einer dramatischen Zuspitzung.
FAYMANN: Das hilft nur den Hetzern der FPÖ und stimmt nicht. Mit etwas gutem Willen haben wir genug Platz für Kriegsflüchtlinge. Unser Land ist nicht groß geworden durch Hass und Hetze, sondern durch Menschlichkeit.
ÖSTERREICH: Sind Sie für oder gegen Zeltlager?
FAYMANN: Ich wünsche mir, dass es keine Zeltlager gibt – ich bin klar gegen Zeltstädte. Je rascher sie weg sind, desto besser. Man sollte dort, wo Minister Klug Kasernen angeboten hat, diese als Übergangslösung wählen. Vor allem aber geht es darum, die Flüchtlinge gerecht in kleinen Einheiten und festen Quartieren auf ganz Österreich zu verteilen. Da müssen jetzt die Länder, die die Quote nicht erfüllen, zur Pflicht gerufen werden. Es braucht mehr Gemeinsamkeit von Bund und Ländern, weniger Erregung, mehr Realismus.
ÖSTERREICH: Ist die Innenministerin überfordert?
FAYMANN: Ich wünsche mir, dass man dieses Thema mit weniger Aufregung diskutiert. Wir haben im Jugoslawienkrieg geholfen, wir werden jetzt helfen, ohne den Hetzern der FPÖ auf den Leim zu gehen.
"Wir brauchen einen Fünf-Jahres-Plan für Griechen"
Werner Faymann wird sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, endlich eine dauerhafte Lösung für Griechenland zu finden. Er plädiert dafür, den Griechen mehr Zeit zu geben. Wenn Athen aus der Eurozone rausfliegen würde, wäre das ein schlechtes Signal, sagt er.
Kanzler Faymann über die mögliche Griechen-Pleite und Lösungen
ÖSTERREICH: Der Streit um Griechenland spitzt sich in der EU zu – sollen die Griechen raus aus dem Euro?
FAYMANN: Wenn irgendwie möglich: Nein! Aber dafür muss man den Griechen jetzt langfristig helfen. Nicht so wie derzeit immer nur über die nächste Woche. Die Situation erinnert an einen Ertrinkenden, dem man immer nur über die nächste Welle hilft, aber nie ganz aus dem Wasser.
ÖSTERREICH: Die EU streitet in der Griechen-Krise seit Jahren herum.
FAYMANN: Es wird höchste Zeit, eine langfristige Lösung zu finden. Ich werde mich in nächster Zeit selbst verstärkt dafür einsetzen, dass wir mit den Griechen zu einer dauerhaften Lösung finden – so wie uns das bei der Bankenkrise mit dem Schutzschirm gelungen ist.
ÖSTERREICH: Wie könnte diese Lösung aussehen?
FAYMANN: Ich glaube, wir brauchen ein Maßnahmenpaket für die nächsten fünf Jahre. Wir brauchen für diesen Zeitraum eine Form von Zahlungsaufschub – unter strengen Regeln und Bedingungen –, die Griechen sollen nicht gar nichts zahlen, aber man sollte ihnen für diese fünf Jahre weitgehenden Zahlungsaufschub gewähren. Und dann muss man mit ihnen ein Paket schnüren, das Sparen und Reformen vorsieht, aber mit sozialem Augenmaß – und das gleichzeitig Investitionen möglich macht. Und Sicherheit.
ÖSTERREICH: Eine Pleite …
FAYMANN: … wäre das Teuerste, da bestünde auch Ansteckungsgefahr für andere Länder. Die ganze Stimmung in der Eurozone wäre verheerend, wenn wir ein Kontinent werden, wo Länder aus der gemeinsamen Währung rausfliegen – das würde das Vertrauen in den ganzen europäischen Gedanken erschüttern.