VP-Wissenschaftsministerin Karl plädiert für die Gesamtschule – und rüttelt an der VP-Linie: Die Partei und die Lehrer-Gewerkschaft schäumen.
ÖVP-Wissenschaftsministerin Beatrix Karl muss heftige Kritik von der eigenen Partei einstecken. Der Grund: Karl rüttelt am jahrzehntelangen Widerstand der ÖVP gegen eine Gesamtschule. Statt der selektiven Trennung zwischen Hauptschule und Gymnasium plädierte die streitbare Ministerin im ORF-Radio für ein „Gymnasium für alle 10- bis 14-Jährigen“, allen Kindern sollten die gleichen Bildungschancen ermöglicht werden – Worte, die man bis jetzt nur aus der SPÖ-Ecke hörte.
Gewerkschafts-Attacken, Ordnungsruf von Pröll
Die Folge:
ein Aufschrei der konservativen Gremien, zunächst aus der VP-dominierten
Lehrervertretung. Pflichtschul-Gewerkschafter Walter Riegler verwehrte sich
„als Staatsbürger gegen eine Vorgangsweise, die an eine Diktatur erinnert“.
Und sein AHS-Gegenüber Eva Scholik unterstellte Karl „Überforderung“.
Heftige Attacken ritt auch Karls Nachfolger im ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB): Generalsekretär Lukas Mandl sprach von einer „krassen und isolierten Einzelmeinung“. Schließlich rückte VP-Chef Josef Pröll höchstpersönlich aus, um Karl zurückzupfeifen: Karls Vorstoß sei nicht akkordiert und keinesfalls ein Schwenk in Richtung Gesamtschule.
Der Zorn ist nachvollziehbar. Denn nur wenige Tage vorher hatte ÖAAB-Chef Michael Spindelegger ein Bildungskonzept präsentiert, dessen Herzstück eine „durchlässige Hauptschule“ ist: Der Übertritt ins Gymnasium soll dadurch erleichtert werden. Karl bezeichnete das Konzept gestern als „sehr ambitioniert“, für einen „Meilenstein“ müsste man aber einen Schritt weiter gehen. „Gymnasium für alle“ eben.
Lob von Schmied und
VP-Bildungsexperten
Lob gab es dafür
auch, nämlich von der SPÖ-Bildungsministerin. Claudia Schmied zeigte sich
„sehr erfreut über diesen Riesenschritt der ÖVP“ in Richtung Gesamtschule.
Unterstützung aus den Reihen der ÖVP kommt von Bernd Schilcher: „Karls Vorstoß ist mutig“, so der Bildungsfachmann: „Sie spricht aus, was viele in der ÖVP denken.“ Viele Bildungsexperten fordern die Gesamtschule seit Jahren. Dabei geht es immer auch um „soziale Durchlässigkeit“, also bessere Bildungschancen für Einkommensschwache. Österreich belegt laut einer OECD-Studie den drittletzten Platz im Ranking. Der Grund unter anderem: das selektive Schulsystem.
Karl: "Für alle gleiche Chancen"
Ö1: Wie sehen Sie Michael Spindeleggers Konzept einer
„durchlässigen Hauptschule“? |
Riegler: "Dann muss sie gehen“
ÖSTERREICH: Sie orten in Karls Vorstoß zum Gymnasium für
alle einen Skandal. Warum? |