Die Ärzte streiken Donnerstag und Freitag gegen die geplante Gesundheitsreform. Sturm auf die Ambulanzen gab es trotzdem keinen.
Wenig Glück haben die Ärzte mit ihrem Timing. Wie schon vergangene Woche wurde ihre Streikaktion von anderen Ereignissen überschattet. Die SPÖ kündigte am vergangenen Ärztestreiktag ihre Personalrochade an, am Abend fand das Euro 08 Match Österreich-Deutschland statt. Dieses Mal forderte die SPÖ eine Volksabstimmung über den EU-Vertrag, was wohl die nächste ernsthafte Koalitionskrise auslösen dürfte. Rund 15.000 Ärzte waren aufgerufen, ihre Ordinationen geschlossen zu halten und gegen die geplante Gesundheitsreform zu protestieren. In ganz Österreich fanden zudem Informationsveranstaltungen und Kundgebungen zur Causa statt. Auf die Patienten hatte der Streik wenig Auswirkungen.
Keine genauen Zahlen
Gestreikt haben die niedergelassenen
Hausärzte, Fach- und Wahlärzte, die Zahnärzte beteiligten sich nicht.
Genaue Zahlen zu den Teilnehmern rückten diesmal weder der Hauptverband der
Sozialversicherungsträger noch die Ärztekammer heraus. Angaben über offenene
Praxen hatten beim letzten Streik für Missstimmung zwischen Kassa und Ärzten
gesorgt. Die Ärztekammer ging jedenfalls von einer "nahezu lückenlosen
Teilnahme" aus, wie die Pressestelle verkündete.
Hoffen auf Entgegenkommen
Bei den Ärztevertretern hofft man auf
Entgegenkommen seitens der Politik in zwei Knackpunkten: Einerseits bei der
Einbindung der Ärzteschaft in die geplante Qualitätssicherung. Statt den
angepeilten Einzelverträgen im Fall des vertragslosen Zustandes wird
außerdem ein spezielles "Verrechnungsabkommen" gefordert. Das erklärte der
Obmann der Niedergelassenen Ärzte, Günther Wawrowsky. Er kündigte weitere
Aktionen an, sollte man diesen Forderungen der Ärzteschaft in Sachen
Gesundheitsform nicht entgegenkommen: "Wir könnten uns noch mehr einfallen
lassen". Genaue Angaben zu weiteren mögliche Maßnahmen gab es seitens der
Ärztekammer allerdings keine. Aus dem Gesundheitsministerium hieß es, man
sei zuversichtlich, dass es im Laufe der weiteren Gespräche mit den Ärzten
zu einer Einigung kommen werde.
Kritik der Opposition
Die Opposition machte indes erneut die
Regierung für die Streiks verantwortlich und übte einmal mehr heftige Kritik
an der Gesundheitsreform. "Die Regierung muss endlich die Differenzen mit
der Ärzten ausräumen", forderte Kurt Grünewald, Gesundheitssprecher der
Grünen in einer Aussendung. Wie FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar
Belakowitsch-Jenewein, meldete er Zweifel an, ob die geplanten Maßnahmen
überhaupt zu Einsparungen führen. Für das BZÖ trägt die Regierung die "volle
Verantwortung" für den Streik.
Versorgung über die Notrufnummer 141 in Wien
Mit Ausnahme
von Wien blieb in allen Bundesländern pro Sprengel bzw. pro Bezirk eine
Ordination eines Allgemeinmediziners geöffnet. In der Bundeshauptstadt wurde
die Versorgung über die Notrufnummer 141 sichergestellt. Insgesamt werden
rund 750 Ärzte die Notfallversorgung garantieren
Geringe Auswirkungen auf Wiener Ambulanzen
"Es ist nicht
so, dass wir sagen können, wir werden gestürmt", sagte
Susanne Drapalik, Leiterin der Stabsstelle für Sofortmaßnahmen im Wiener
Krankenanstaltenverbund (KAV), am Donnerstag. Dies gelte für sämtliche
Gemeindespitäler, aber auch für das Allgemeine Krankenhaus (AKH).
Das Aufkommen an Ambulanzbesuchern sei ein wenig höher als an normalen Tagen. Einen vermehrten Besuch bemerke man vor allem in den Kinder- und HNO-Abteilungen. "Es ist aber noch nicht bewertbar, ob das tatsächlich auf den Streik zurückzuführen ist", so Drapalik. Ähnlich hatte sich die Situation am erste Ärztestreiktag am 16. Juni dargestellt. Auch damals war trotz geschlossener Ordinationen der Ansturm auf die Spitäler ausgeblieben.
Ein Anruf pro Minute bei Rotem Kreuz in Salzburg
Auch die
Ordinationen der niedergelassenen Ärzte Salzburgs blieben geschlossen. "Wir
wollen ebenfalls damit auf die drohende Gefahr für unser Gesundheitssystem
aufmerksam machen," so Ärztekammer-Präsident Karl Forstner. Bei der
Notdienstzentrale des Roten Kreuzes gingen am Vormittag die Anrufe minütlich
ein. Not- und Bereitschaftsdienste waren in allen 45 Salzburger
Versorgungssprengeln eingerichtet.
Ausnahmefall Kärnten
Im Gegensatz zu ihren Kollegen in den
anderen Bundesländern haben sich die Kärntner Ärzte nicht am
österreichweiten Ärztestreik beteiligt. In der Landesregierung war für den
Nachmittag nämlich ein "Gesundheitsgipfel" mit
Landeshauptmann Jörg Haider (B) sowie Vertretern der Ärztekammer und der
Gebietskrankenkasse anberaumt. Haider möchte ein einheitliches Vorgehen
gegen die Gesundheitsreform erreichen.
"Wir streiken nicht gegen jene, die uns unterstützen", erklärte Ärztekammerpräsident Othmar Haas. "Die Praxen sind heute weitgehend geöffnet", hieß es deswegen am Donnerstag bei der Ärztekammer. Am Freitag sollen hingegen die Ordinationen auch in Kärnten geschlossen bleiben.