Auch im Ministerrat konnte die Koalition auf keinen grünen Zweig kommen. Neuwahlen sollen trotzdem kein Thema sein.
Leicht von der Hand gegangen ist der rot-schwarzen Regierung ihre Arbeit schon vorher nicht, seit dem EU-Schwenk der SPÖ geht in der Großen Koalition aber wieder einmal gar nichts mehr. Auch eine dreistündige Aussprache beim Ministerrat hat am Mittwoch keine Lösung gebracht. Im Gegenteil: Vizekanzler Wilhelm Molterer (V) forderte die sofortige Rücknahme des roten Europa-Schwenks, Kanzler Alfred Gusenbauer und SP-Chef Werner Faymann sehen dagegen keinen weiteren Diskussionsbedarf.
Gusenbauern hält an Schwenk fest
Gusenbauer hatte schon vor
Beginn der Regierungssitzung klar gemacht, dass die SPÖ trotz der Kritik von
ÖVP und Bundespräsident Heinz Fischer an ihrer neuen Europa-Linie festhalten
wird, wonach neue EU-Verträge künftig einer Volksabstimmung unterzogen
werden sollen. Es stehe dem Parlament frei, Volksabstimmungen anzusetzen,
deponierte Gusenbauer: "Dass die SPÖ irgendwo um Erlaubnis fragen muss,
das ist in der Bundesverfassung nicht vorgesehen."
"ÖVP lehnt Gespräche ab"
Gusenbauer warf dem
Koalitionspartner in diesem Zusammenhang zudem vor, von der SPÖ angebotene
Gesprächstermine abgelehnt zu haben. Stattdessen habe die ÖVP ein seit
längerem für vergangenen Sonntag geplantes Spitzengespräch zu Pflege,
Gesundheitsreform und Mindestsicherung "in einen sogenannten
Koalitionsausschuss umgewandelt, den es eigentlich gar nicht gibt", um
dort das Volksabstimmungsthema zu besprechen, kritisierte der Kanzler. Einen
Termin zur Fortsetzung dieses Koalitionsausschusses gibt es laut Gusenbauer
nicht.
Keine Thema bei Kroatien-Beitritt
Klargestellt wurde von der SPÖ
immerhin, dass die Volksabstimmungs-Forderung nur für neue EU-Verträge mit
der Tragweite eines Vertrags von Maastricht oder Lissabon gilt, nicht aber
beispielsweise - wie von der ÖVP befürchtet - für den kroatischen
EU-Beitritt, der ja ebenfalls von jedem Mitgliedsland abgesegnet werden
muss. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein reagierte darauf zwar
versöhnlich und sprach von einem "Rückzieher", wenn auch
einem "in der Sache guten". ÖVP-Chef Wilhelm Molterer schlug
allerdings sofort wieder eine härtere Gangart ein.
Molterer fordert Rückzieher
Molterer forderte von der SPÖ
einen sofortigen Rückzieher in der Volksabstimmungs-Frage. Seit dem roten
Schwenk werde Österreich in der EU nicht mehr als verlässlicher Partner
gesehen. Nun sei die staatspolitische Verantwortung der SPÖ gefordert. "Ich
erwarte daher von der SPÖ, dass sie diese Position revidiert",
sagte der Vizekanzler und will dem Koalitionspartner nicht mehr viel Zeit
geben. "Die SPÖ ist jetzt gefordert ihren Kurswechsel zu überdenken,
jetzt", so Molterer und betonte, er würde eine entsprechende
Klarstellung des SP-Präsidiums am nächsten Montag "sehr
begrüßen".
Kein Ultimatum
"Ich weiß nicht, was diese Drohgebärden sollen"
und "Ultimaten seien nicht sinnstiftend", erwiderte Gusenbauer am Mittwoch
bei einer Arbeitssitzung im Kanzleramt.
Keine Neuwahlen
Weder SPÖ noch ÖVP glauben jedoch, trotz des
Streits, an Neuwahlen. Der Kanzler auf die Frage, wie lange die Regierung
angesichts ihrer derzeitigen Situation noch weitermachen will: "Das
geht so lange, bis dass es Gemeinsamkeiten zu verkaufen gibt."
Sozialminister Erwin Buchinger plädierte vor dem Ministerrat ebenfalls gegen
Neuwahlen und warf der ÖVP vor, den Absprung aus der Regierung
vorzubereiten. Bei der SPÖ sei das dagegen nicht der Fall, "zumindest
nicht von Personen in verantwortungsvollen Positionen".
Freilich versicherten auch die ÖVP-Minister weiterhin arbeiten zu wollen. So betonte etwa Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, für ihn seien Neuwahlen kein Thema. Angesichts der roten Absage an eine Abstimmung über den Kroatien-Beitritt belustigte sich der VP-Minister allerdings über den "nächsten Umfaller der SPÖ". Neo-Innenministerin Maria Fekter wolle die Neuwahlspekulationen nicht beurteilen und betonte, ihr Ressort brauche auch eine gute Führung, wenn die Regierung nur noch für kurze Zeit halten sollte. Außerdem zeigte sie sich einmal mehr überzeugt, auch nach der nächsten Wahl Innenministerin zu bleiben.
Pause für Sachpolitik
Die Sachpolitik hat indessen Pause:
Die von Justizministerin Maria Berger (S) für Mittwoch geplante Reform des
Schadenersatzrechtes wurde wieder von der Tagesordnung des Ministerrats
genommen. Auch in der Pflege-Frage - die SPÖ will die Anhebung des
Pflegegeldes um fünf Prozent ab 2009, die ÖVP den sofortigen Wegfall der
Vermögensgrenze bei der 24-Stunden-Betreuung zuhause - brachte die
Regierungssitzung keinen Durchbruch. Bartenstein berichtete im Anschluss
aber immerhin von einer Annäherung. Nennenswerte inhaltliche Beschlüsse gab
es nicht.
"Totale Regierungsblockade"
Die Opposition reagiert
auf die fortgesetzte Regierungskrise wie erwartet: FPÖ und BZÖ kündigten für
die kommenden Nationalratssitzungen Misstrauensanträge gegen Molterer (FPÖ)
sowie Gusenbauer (BZÖ) an. Außerdem verlangt die FPÖ die Rücknahme der
Ratifizierung des Vertrags von Lissabon und das BZÖ will seinen bereits im
Vorjahr eingebrachten Neuwahlantrag wieder auf die Tagesordnung setzen. Die
Grünen sprechen von einer "totalen Regierungsblockade" und
sehen in der SPÖ neben Gusenbauer und Faymann nun auch die "Kronen
Zeitung" und FP-Chef Heinz-Christian Strache am Ruder.