Holocaust-Gedenkstätte
Kern in Yad Vashem: "Ewiges Unrecht"
24.04.2017
Kanzler Kern besuchte am Holocaust-Gedenktag die zentrale Gedenkstätte.
Montagvormittag, 10.00 Uhr Ortszeit, in Jerusalem. Die Sirenen heulen, Israel steht zwei Minuten still. Menschen, Autos, Straßenbahnen halten an. Eine kollektive Verneigung vor den Opfern des Holocaust, derer am Yom Hashoah gedacht wird. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) erlebte diese Schweigeminuten nach einer Kranzniederlegung in der Gedenkstätte Yad Vashem.
Yad Vashem, erklärt die Museumsführerin beim Kanzler-Rundgang, ist auch eine virtuelle Begräbnisstätte. "Die meisten Opfer der Shoa haben ja kein eigenes Grab." Der Besuch habe ihn tief bewegt, schrieb der Kanzler danach ins Gästebuch. Dieser Ort werde "die Welt immer an den schrecklichen Mord, die Grausamkeiten und das ewige Unrecht, das der jüdischen Gemeinschaft angetan wurde, erinnern".
MItverantwortung Österreichs
Der Bundeskanzler hatte während seines viertägigen Aufenthalts in Israel bereits zuvor die Mitverantwortung Österreichs an den nationalsozialistischen Verbrechen betont und vom "dunkelsten Kapitel unserer Geschichte" gesprochen. Freilich habe es Jahrzehnte gedauert, ehe sich Österreich seiner Rolle und Mitschuld am Holocaust gestellt habe.
Im Holocaust-Memorial fehlt es nicht an Österreich-Bezügen. So wurden dem Kanzler Bilder des 1921 geborenen Malers Alfred Glück gezeigt. Er hielt unter anderem den Einmarsch der Nationalsozialisten im März 1938 in Wien mit Bleistift und Pinsel fest. Später wurde er bei seiner Flucht in die Schweiz gefasst und nach Auschwitz deportiert. Er überstand mehrere Todesmärsche und lebte letztlich bis zu seinem Tod 2007 in Israel.
Es wird aber nicht nur an die Opfer und Täter erinnert. In Yad Vashem sind auch 109 "Gerechte unter den Völkern", die aus Österreich stammen, erfasst. Personen, die unter Gefährdung des eigenen Lebens den Verfolgten halfen. Wie Anton Schmid: Der 1900 in Wien geborene Installateur rettete als Feldwebel der deutschen Wehrmacht hunderte Juden im litauischen Ghetto von Vilnius vor dem Massenmord. Er bezahlte seinen aufopfernden Einsatz mit dem eigenen Leben. Er habe "als Mensch" gehandelt, sagte er, ehe er am 13. April 1942 in Vilnius hingerichtet wurde.
Am Sonntagabend hatte Kern als erster österreichischer Bundeskanzler am offiziellen Staatsakt zum Holocaust-Gedenken in Yad Vashem teilgenommen. "Eine große Ehre" und der wichtigste Teil seiner Israel-Reise, wie der Kanzler betonte. Der SPÖ-Politiker war der einzige internationale Staatsgast und wurde daher von Präsident Reuven Rivlin explizit willkommen geheißen.
Dieser strich in seiner Rede hervor, nicht jedes kritische Wort zu Israel könne einfach als antisemitisch abgetan werden. Allerdings sei die Zunahme des Antisemitismus besorgniserregend. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu bedauerte in seiner Ansprache, dass Massenmord und Genozid auch nach der Shoa nicht verhindert worden seien.
Netanyau nannte Kambodscha, Ruanda, den Sudan oder Syrien als Beispiele. Es brauche daher energische Antworten, sagte Israels Premier, und lobte den jüngsten US-Luftschlag unter der Ägide von Präsident Donald Trump gegen einen syrischen Militärstützpunkt nach dem mutmaßlich vom syrischen Regime unter Staatschef Bashar al-Assad durchgeführten Giftgasangriff mit dutzenden Toten.
Bei dem emotionalen - aber wetterbedingt auch sehr kalten - Festakt im Freien wurden in sechs Schalen ebenso viele Flammen - eine für jede Million vernichteter Juden - von Holocaust-Überlebenden entzündet. Einer von ihnen war der 1925 in Thessaloniki in Griechenland geborene Moshe Ha-Elion.
Er durchlitt die Konzentrationslager Auschwitz und Mauthausen samt Außenlager Melk. Das Kriegsende ereilte ihn aber gerade noch lebend im Lager Ebensee in Oberösterreich. Er gründete in Folge eine Familie, die über die Jahrzehnte auf zwei Kinder, sechs Enkel und fünf Urenkel anwuchs. "Meine Rache an Hitler", so sein Kommentar in einer Videozuspielung während der Zeremonie.