Insider-Report

Kern: Kampf um die rote Macht

11.08.2018

Sie wollen SP-Chef stürzen +++ So läuft die Polit-Intrige

Zur Vollversion des Artikels
© Reuters
Zur Vollversion des Artikels

Auslösender Blitz war ein simpler Tweet des bekennenden Faymann-Fans und früheren SPÖ-Wien-Parteisekretärs Christian Deutsch, der auf Twitter am Mittwoch eher harmlos postete: „Heute vor 10 Jahren wurde Werner Faymann von 98 % der Delegierten zum SPÖ-Vorsitzenden gewählt. (…) Es ist Zeit, die SPÖ wieder (…) an die Spitze zu führen!“ Der Tweet schlug wie eine Bombe ein. Weite Teile der SPÖ empfanden das als Signal zum Putsch gegen Kern.

Denn Christian Deutsch ist in der SPÖ ein legendärer Rebell. Vor zwei Jahren rief er mit einem ähnlichen Tweet zum Sturz von Wiens SPÖ-Chef Häupl auf und brachte Michael Ludwig als Nachfolger ins Spiel. Was anfangs absurd klang, wurde zur Lawine: Deutsch schoss Häupl tatsächlich aus dem Rathaus hinaus, organisierte dann die SPÖ-interne Wahl von Ludwig und gilt seither als „Hero“ der Wiener Parteibasis.

„Mastermind“ Deutsch arbeitete zuletzt aus dem Büro von Wohnbau-Stadtrat Ludwig, gilt als Ludwigs wichtigster Berater – ist aber auch sein Angestellter. Man kann fast davon ausgehen, dass Deutsch-Tweets mit dem Wiener SPÖ-Chef abgesprochen, wenn nicht gewünscht sind. Entsprechend heftig schlug der harmlose Deutsch-Tweet in der Partei ein. Die Folgen waren ähnlich wie beim Häupl-Sturz: Als Erster „likte“ der Bezirksvorsteher der Donaustadt, Ernst Nevrivy, den Deutsch-Tweet.

Ernst Nevrivy ist der mächtigste Mann der Wiener SPÖ, er führt den größten Bezirk (Wien 22), er ist das Sprachrohr der Bezirke, die schon Häupl „killten“. Gleich danach sprang Nevrivy die burgenländische SPÖ-Hoffnung Hans Peter Doskozil zur Seite und kritisierte offen den „grün-linken Fundi-Kurs“, den Kern der SPÖ beim kommenden Parteitag verpassen wolle.

Damit sind die Fronten in der SPÖ erstmals klar: Die mächtige Wiener Partei und die kleine, aufmüpfige Burgenland-Fraktion machen gegen Kern als neuen SPÖ-Chef mobil. So ritten die Kern-Fans gegen die vermeintlich „rechten“ SPÖ-Rebellen ein. Zuerst twitterte Kern-Sohn Niko Tiraden gegen Doskozil. Dann sandte Tirols neue SP-Chefin Elisabeth Blanik eine Solidaritätsadresse an Kern, ebenso die SP-Obleute aus Ober- und Niederösterreich.

Kern-Freund Kaiser will 
in der SPÖ Frieden stiften

Schließlich versuchte Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser, ein deklarierter Kern-Freund, zu kalmieren und parteiinternen Frieden zu stiften. Der Hintergrund ist dramatisch: Kern muss sich beim Parteitag im Oktober zur Wahl als SPÖ-Chef stellen. Die entscheidende Frage lautet nun: Würde sich Hans Peter Doskozil zur Kandidatur gegen Kern überreden lassen? Mit den Wiener Arbeiterbezirken hätte Doskozil zwar jene Gruppe hinter sich, die schon Michael Häupl stürzte – aber noch viel zu wenig Stimmen für die Mehrheit. Entscheidend wird, wie sich die mächtige Gewerkschaft entscheidet. Deren neuer Chef Wolfgang Katzian gilt als Faymann-Mann, war letztlich „Königsmacher“ für Ludwig in Wien.

Weite Teile der Partei wollen sich eine Kraftprobe Kern gegen Doskozil unbedingt ersparen, „weil es dann die Partei zerreißt“. Deshalb halten sich die wichtigen Player in der SPÖ – Wiens Bürgermeister Ludwig, Kärntens Kaiser, der Gewerkschafter Katzian – vorerst zurück. Sie warten auf Kerns Entscheidung, der jetzt aber offenbar von Ludwigs Berater Deutsch „sturmreif“ geschossen werden soll.

Christian Kerns Umfragewerte sind exzellent, er kommt bei der Parteibasis gut an. Sein Problem: Er driftet nach Meinung vieler SPÖ-Granden zu weit nach links, ist zu wirtschafts­liberal, bereitet Rot-Grün als Ablöse von Schwarz-Blau vor, fährt seit Neuestem sogar „mit dem Fahrrad ins Büro“.

© APA/GEORG HOCHMUTH

Sechs von neun Ländern stehen hinter Parteichef

Kern hat sechs von neun Bundesländern klar hinter sich. Wenn er im Oktober als SPÖ-Chef antritt, ist deshalb ein Gegenkandidat unwahrscheinlich – weil außer Doskozil niemand in Sicht ist, der dazu bereit ist. Und Doskozil lieber im Burgenland Landeshauptmann wird, als sich am Parteitag zu opfern.

Wenn Kern aber spürt, dass ihn vor allem die Wiener SPÖ und die Gewerkschaft stürzen wollen, wird er selbst auf ein Antreten am Parteitag verzichten. Schon im Sommergespräch mit Wolfgang Fellner war Kern letzten Sonntag zu einem klaren „Ja“ für eine Kandidatur nicht mehr zu bewegen – er flüchtete sich in ausweichende Sätze wie „Das ist ja eh klar“, „Das ist keine Frage“ oder „Das ist der Plan“.

Dann gibt es drei „Kompromisskandidaten“:

  • Doris Bures wäre die Favo­ritin, wenn die SPÖ – so wie ihr Twitter-„Mastermind“ Deutsch – in eine neue Faymann-Nostalgie verfällt.
  • Wolfgang Katzian wäre für viele Gewerkschafter eine „Traumbesetzung“ – immerhin hat er die „Demo der 100.000“ gegen die Regierung organisiert.
  • Und Peter Kaiser hätte als großer Wahlsieger in Kärnten und „Liebling“ aller in der SPÖ wohl die besten Chancen, wenn er Kärnten wirklich gegen die Oppositionsbank in Wien tauschen will.

(Wolfgang Fellner)

Zur Vollversion des Artikels