Heftige Kritik an 12-Stunden-Tag
Kern kündigt Regierung "heißen Sommer" an
06.07.2018
SPÖ-Chef verspricht Rücknahme des Arbeitszeitgesetzes: 'Der Tag wird kommen.'
SPÖ-Chef Christian Kern hat nach dem Beschluss der neuen Arbeitszeitregeln, die auch die Möglichkeit des 12-Stunden-Tags vorsehen, heftige Kritik an der Bundesregierung geübt. ÖVP und FPÖ hätten mit ihrem Vorgehen den bisherigen Konsens der Zweiten Republik aufgekündigt. "Ausgleich war immer Prinzip. Die Regierung hat bewiesen, dass ihnen das egal ist", sagte Kern am Freitag in der SPÖ-Zentrale.
"Der soziale Ausgleich ist mit dem gestrigen Tag begraben worden." Es sei von "unfassbarer Kurzsichtigkeit", was Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung dabei abgeliefert haben. "Sie werden die Rechnung dafür bekommen." Das neue Arbeitszeitgesetz bringe Verschlechterungen für über drei Millionen Arbeitnehmer. Es handle sich um ein "Geschenk an die Großsponsoren der ÖVP", so Kern bei der Pressekonferenz weiter.
Lüge und Verzerrung der Realität
Den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ warf Kern Lüge und Verzerrung der Realität vor. Die von der Regierung behauptete Möglichkeit der 4-Tage-Woche stehe etwa nicht im Gesetz, Betriebsvereinbarungen seien sehr wohl betroffen, weil diese in der Regel zeitlich befristet sind, und das "kurioseste Argument" sei die Freiwilligkeit. "Da wurden ganz bewusst Lügen verbreitet." Insgesamt werde es zu "massiven Einkommensverlusten" bei den Arbeitnehmern kommen.
Kern versprach, dass die Auseinandersetzung um die Arbeitszeit für die SPÖ noch lange nicht vorbei sei. "Wir werden weitermachen. Der Tag wird kommen, an dem wir dieses Gesetz wieder zurücknehmen, weil es ein schlechtes Gesetz ist. Ich kann ihnen garantieren, die SPÖ wird nicht ruhen, bis dieses Gesetz wieder zurückgenommen ist."
"Brachialer Angriff"
Das Vorgehen von ÖVP und FPÖ ist laut Kern "keine vorsichtige Machtverschiebung, sondern ein brachialer Angriff". Der SPÖ-Chef konstatierte einen Angriff auf Gewerkschaft, auf NGOs und einen bedenklichen Umgang mit der Pressefreiheit.
Welche Interessen die Regierung vertritt, zeigten zudem weitere Beschlüsse bzw. Vorhaben von ÖVP und FPÖ aus dieser Woche. So wurde im Parlament eine Neuregelung bei der Grunderwerbssteuer beschlossen. Während normale Bürger beim Kauf einer Eigentumswohnung oder eines Schrebergartens künftig weiterhin 3,5 Prozent Grunderwerbssteuer zahlen müssen, wurde die Grunderwerbssteuer für professionelle Immobilienanleger gestrichen, berichtete Kern. Auch die Pläne zum neuen Standortrecht, bei dem langwierige Bewilligungsverfahren künftig einfach abgekürzt werden sollen, falle in diese Kategorie. Und die "Ausgabenbremse" bei den Sozialversicherungen sei "völlig undurchdacht", so der ehemalige Bundeskanzler. "Das richtet Schaden in unserem Land an. Der Professionalitätsgrad dieser Regierung ist begrenzt."
"Heißer Sommer"
Der rote Parteivorsitzende und seine Bundesgeschäftsführer kündigten der Regierung einen "heißen Sommer" und einen "heißen Herbst" an. Streikempfehlungen gab es nicht. "Es ist nicht meine Aufgabe, der Gewerkschaft zum Streik zu raten, aber am Ende des Tages gehe ich davon aus, dass die das nicht mit Langmut zur Kenntnis nehmen." Die SPÖ selbst werde in der Causa kein Volksbegehren starten, weil man die Sache nicht "parteipolitisch punzieren" will. "Ich möchte nicht, dass es ein SPÖ-Volksbegehren ist", sagte Kern. Sollten aber unabhängige Organisationen - wie etwa beim Nichtraucher-Volksbegehren die Ärztekammer - die Initiative übernehmen, werde man das Volksbegehren unterstützen.
Kritik an einer Pflastersteinaktion gegen ÖVP- und FPÖ-Abgeordnete, hinter der die Regierungsparteien ÖGB und SPÖ vermuten, wies Kern neuerlich zurück. Die Aktion sei "idiotisch" gewesen, und es sei absolut nicht okay, wenn sich jemand im politischen Diskurs bedroht fühle. ÖVP und FPÖ würden damit in Wirklichkeit aber nur von der Sache ablenken. "Ich werde jeden einzelnen Tag bedroht, und Verprügeln ist dabei das Mindeste."