SPÖ-Chef wich Frage nach Ambitionen auf EU-Kommissionspräsident aus - Kern will in nächsten Tagen Profil für Nachfolge an SPÖ-Spitze erarbeiten.
Die angekündigte Flucht von Christian Kern nach Brüssel sorgt auch am Tag danach noch für Wirbel. Am Vormittag tagte das SPÖ-Präsidium zur Nachfolge des Ex-Bundeskanzlers. Die Liste an Absagen ist schon beachtlich. Landeshauptmann Kaiser, Hans-Peter Doszkozil und Nationalratspräsidentin Doris Bures haben keine Lust auf den Top-Job in der SPÖ. Pamela Rendi-Wagner hält sich noch bedeckt.
Neuer Parteichef bis 15. Oktober
Die Suche nach einem neuen SPÖ-Parteichef soll bis spätestens 15. Oktober abgeschlossen sein. Das verkündete Bundesgeschäftsführer Max Lercher nach den Sitzungen von Präsidium und Vorstand. Gewählt wird die oder der neue Vorsitzende gemeinsam mit der Liste für die EU-Wahl bei einem Parteitag am. 24. und 25. November.
Dort soll auch - wie eigentlich für Anfang Oktober geplant - das neue Parteiprogramm plus Statut und Migrationspapier beschlossen werden. Wo der Parteitag stattfindet, steht noch nicht fest. Die Welser Messehalle wird es jedoch nicht sein. Dort hätten die Sozialdemokraten ursprünglich zusammentreten sollen.
Kern hilft bei Nachfolger-Suche
Wie von Kern selbst avisiert, wird er führend in der Suche nach seinem Nachfolger aktiv sein - das allerdings "im Wechselspiel mit dem Parteipräsidium", wie Lercher berichtete. Intern sind auch gewisse Kriterien für das künftige Führungspersonal festgelegt worden, die aber nicht nach außen kommuniziert werden.
Der Bundesgeschäftsführer sprach von einer sehr harmonischen Diskussion in den Gremien. Man hab sehr schnell Handlungsfähigkeit gezeigt. Dass am Vortag vor allem kommunikativ nicht alles wie am Schnürchen verlaufen war, gestand Lercher zu: "Der Tag gestern war nicht der optimalste." Ganz aus dem Nichts kam Kerns Wechsel Richtung Brüssel nicht. Man habe schon lange besprochen, dass sich der Parteichef verstärkt europäischen Fragen zuwende, berichtete Lercher.
Die Abstimmung in den Gremien brachte für EU-Spitzenkandidat Kern ein deutliches Pro-Ergebnis, allerdings zwei Gegenstimmen von Vertretern der Jugendorganisationen.
Hitzige Debatten bei SPÖ-Sitzung
Am Vormittag fand in Wien jedenfalls die SPÖ-Präsidiums- und Vorstandsssitzung statt. Hinter den Kulissen soll es laut mehreren Sitzungs-Teilnehmern heiß her gegangen sein. "Was soll das", soll ein Sitzungs-Teilnehmer zu Christian Kern gesagt haben.
SPÖ-Chef Christian Kern wird bei der Suche nach seinem Nachfoler eine zentrale Rolle eingeräumt. Wie er in einem Statement am Rande der sozialdemokratischen Gremiensitzungen kundtat, sei er beauftragt worden die Sondierungen über den künftigen Vorsitzenden zu leiten.Einen Zeitrahmen dafür nannte Kern nicht. Man werde sich die Zeit nehmen, die es brauche.
Kern will EU-Spitzenkandidat der Sozialdemokraten werden
SPÖ-Chef Christian Kern will bei der EU-Wahl im Mai 2019 auch als europaweiter Spitzenkandidat der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) antreten. Kern kündigte seine Bewerbung am Mittwoch am Rande des Salzburger EU-Gipfels bei einem Treffen der Europäischen Sozialdemokraten an. Der Frage, ob er auch das Amt des EU-Kommissionspräsidenten anstrebe, wich Kern aus.
"Sie verstehen mich richtig, dass ich dafür zur Verfügung stehe, aber es gibt andere Kandidaten auch", sagte Kern zur europaweiten Spitzenkandidatur. Über Details wollte Kern freilich nicht reden. Laut Kern gibt eine ganze Reihe guter Kandidaten, die das Potenzial zur Spitzenkandidatur haben. Das Prozedere der Europäischen Sozialdemokraten sieht vor, dass von 1. bis 18. Oktober Bewerbungen möglich sind, die endgültige Entscheidung fällt am 7. Dezember bei einem S&D-Kongress in Lissabon.
Positiv bis zurückhaltend haben europäische Sozialdemokraten auf die Ankündigung von Kern reagiert, bei der EU-Wahl im Mai 2019 auch als europaweiter Spitzenkandidat der S&D-Fraktion antreten zu wollen. "Ich freue mich, weil das zeigt, wie intensiv in unseren sozialdemokratischen Parteien verfolgt wird, was auf dem Spiel steht", meinte S&D-Fraktionschef Udo Bullmann in Salzburg.
Kern sei ein "profilierter" Kandidat, man müsse nun aber das Bewerbungs- und Auswahlprozedere abwarten. Von 1. bis 18. Oktober sind Bewerbungen möglich, Ende November stehen Hearings vor der S&D-Fraktion im EU-Parlament auf dem Programm, die endgültige Entscheidung fällt dann am 6. und 7. Dezember bei einem S&D-Kongress in Lissabon.
Chancen auf Juncker-Nachfolge
Der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion im EU-Parlament hat gute Chancen auf die Nachfolge von Jean-Claude Juncker und den Posten des EU-Kommissionspräsidenten. Der Frage, ob er mit seiner Bewerbung auch diesen Posten anstrebe, wich Kern aus: "Ich möchte das Vertrauen der Österreicher in Europa stärken. Wir haben eine Auseinandersetzung zu führen mit Kräften, die Europa zerstören wollen. Und wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, was können wir tun, welche Allianzen können wir bilden, um das Erbe der Gründerväter zu bewahren. Das ist das, worum es mir geht. Gemeinsam werden wir schauen, dass wir den Kahn wieder flott kriegen. Ich möchte nicht hinnehmen, dass wir hinter die Liberalen oder vor allem hinter die Rechtsdemagogen zurückfallen."
Schwierige Lage für SPÖ
Zur schwierigen Lage der SPÖ meinte Kern, dass er in den nächsten Tagen ein Profil seines Nachfolgers oder seiner Nachfolgerin erarbeiten werde, dann werde man dem Parteipräsidium Vorschläge vorlegen und gemeinsam zu einem Ergebnis kommen. Auf die Frage, ob er einen Scherbenhaufen hinterlassen habe und wie sehr die Partei mit seinem angekündigten Rückzug als Vorsitzender hadere, erklärte Kern: "Es gibt immer Trennungsschmerz, aber man sollte sich selbst nicht überbewerten. Es gibt viele Leute, die einen Beitrag geleistet haben. Das wird auch in Zukunft so sein. Jeder hat seine Stärken, jeder hat seinen Platz. Ich bin der Meinung, dass das Geschäft der Opposition, diese Arbeit der Zuspitzung, etwas ist, was andere mindestens so gut können. Ich konzentriere mich auf das, wovon ich was versteh und was ich mit Freude in den nächsten Jahren betreiben möchte."
Auf die Kritik von Ex-SPÖ-Chef und -Kanzler Franz Vranitzky, wonach man so nicht abtreten könne, reagierte Kern zurückhaltend. Er habe gerade vorhin mit Vranitzky am Telefon geplaudert. "Er hat nicht jedes Detail des Prozesses gekannt, er kann jetzt vielleicht das eine oder andere besser einordnen." Kern übte auch Kritik am Umstand, dass ein Teil seiner Pläne durch Indiskretion von internen Quellen nach außen getragen worden war und zu einem chaotischen Bild in der Partei geführt hatte. Der Prozess sei "nicht nur in meinem Einflussbereich etwas holprig gelaufen", sagte der SPÖ-Chef.
Kern: "Bin nicht idealtypisch für einen Oppositionspolitiker"
Seinen Rückzug auf Bundesebene schilderte er als persönliche Entscheidung, die er reiflich überlegt habe. Sein persönliches Profil sei nicht idealtypisch für einen Oppositionspolitiker: "Das ist nicht mein Stil, mit dem Bi-Hander auf Leute einzudreschen." Er habe sich andere Umgangsformen erworben.
Seine Bilanz nach der verlorenen Nationalratswahl sieht Kern dennoch nicht negativ. Man liege über dem Resultat von damals, obwohl man einen Niedergang direkt nach der Wahl wie in der Oppositionszeit unter Schwarz-Blau I befürchtet habe.
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Chaos um Kern: Erste Reaktionen
Ludwig: "Geeignetste Person wird zur Verfügung stehen"
Freilich gab es am Mittwoch auch Stimmen, die die Absagen der Favoriten nicht so ganz ernst nahmen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig etwa meinte, er gehe davon aus, dass jene Person, die für am geeignetsten für das Amt befunden werde, dann auch zur Verfügung stehe. Auch Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl hält die jetzigen Absagen noch nicht für endgültig.
Geht es nach Kaiser soll man jetzt jedenfalls vor allem in einer strukturierten Art und Weise die Vorsitzfrage klären. Die gestrigen Ereignisse seien ja "gelinde gesagt unkoordiniert" gewesen. In der Partei gebe es Verunsicherung. Auch von Schockstarre war die Rede. Ob er von Kern enttäuscht sei, wollte der Landeshauptmann nicht wirklich beantworten, sei das doch keine politische Kategorie. Überhaupt müsse jeder selbst entscheiden, wie er vorgehe, zeigte Kaiser dezent Distanz zum Altkanzler.
Frauen-Chefin Heinisch-Hosek: "Zeit ist reif für eine Frau"
Wunschkandidaten wollte vor dem Präsidium niemand äußern. Nicht einmal Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek wollte sich auf eine weibliche Kandidatin festlegen, auch wenn sie festhielt, dass die Zeit auf allen Ebenen längst reif sei für eine Frau sei, das gelte auch in der SPÖ. Die meisten Präsidiumsmitglieder wollten in der Personalfrage gar nichts sagen oder behalfen sich wie der niederösterreichische Landesvorsitzende Franz Schnabl mit Floskeln wie, dass die SPÖ genug Persönlichkeiten habe, die geeignet seien.
Wohl zweifelsohne abgesegnet wird in den Gremien Kerns Wunsch, als EU-Spitzenkandidat nominiert zu werden, auch wenn die Begeisterung über seine Vorgangsweise hinter vorgehaltener Hand äußerst gering ist. So verneinte beispielsweise AK-Präsidentin Renate Anderl, dass die Vorgänge am Vortag optimal gewesen seien. Der frühere EU-Parlamentarier Jörg Leichtfried wiederum freute sich über eine Aufwertung der EU-Wahl, wenn dafür ein ehemaliger Bundeskanzler zur Verfügung stehe.
Niessl möchte schnell Klarheit
Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) fordert nach der Rücktrittsankündigung vom Bundesparteivorsitzenden Christian Kern rasche und klare Entscheidungen. "Ich glaube, dass die Partei jetzt rasche Entscheidungen und klare Entscheidungen braucht. Die Sozialdemokratie muss innerhalb relativ kurzer Zeit entscheiden, wer der neue oder die neue Vorsitzende ist", so Niessl zur APA.
Diese Entscheidungen könnten "sicher dazu beitragen, dass wieder konstruktive und kantige Oppositionsarbeit im Parlament geleistet wird. Ich glaube, da muss die Sozialdemokratie den Österreichern verpflichtet sein, rasch eine Persönlichkeit an die Spitze zu setzen, die die Regierung kontrolliert und dort kritisiert, wo das auch angebracht ist", sagte der Landeshauptmann am Mittwoch und verwies dabei etwa auf die Rechte der Arbeitnehmer.
Niessl sieht "interessante Kandidaten"
Mögliche Nachfolger nannte er im APA-Gespräch nicht. Aber: "Ich sehe durchaus die Persönlichkeiten, die durch die Medien diskutiert werden. Da gibt es einige Frauen und Männer, die im Gespräch sind und ich glaube da hat die Sozialdemokratie einige interessante Kandidaten."
Mittlerweile haben allerdings einige dieser genannten Kandidaten der Bundespartei eine Absage erteilt - so auch Burgenlands SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil. Zu dessen Absage meinte Niessl: "Ich verstehe seine Entscheidung. Ich bin aber der Meinung, dass er ein hervorragender Landespolitiker ist und dass er auch gezeigt hat, dass er ein ausgezeichneter Bundespolitiker in der Vergangenheit war. Aber die Entscheidung hat er zu treffen."
An Spekulationen, was wäre, würde Doskozil doch nach Wien gehen - er soll Niessl am 28. Februar 2019 auch als Landeshauptmann folgen - wolle er sich nicht beteiligen, sagte der frühere Landesparteivorsitzende.
Kern will Spitzenkandidat der Europa-Sozialdemokraten werden
Christian Kern will ins Europäische Parlament und dem Vernehmen nach als Spitzenkandidat der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) bei den nächsten Europawahlen im Mai 2019 kandidieren. Beobachter in Brüssel schätzen seine Chancen hierfür als nicht so schlecht ein, denn bisher hat sich nur der slowakische Kommissionsvize Maros Sefcovic für den Posten deklariert.
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