Kanzler gibt Sozialpartnern für 1.500 Euro Mindestlohn noch 2017 Zeit.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) will mit der Umsetzung seines diese Woche präsentierten "Plan A" möglichst sofort beginnen. Jene Punkte, bei denen es Konsens mit der ÖVP gehe, könnten schon nächsten Dienstag im Ministerrat angegangen werden, sprach der SPÖ-Chef in der ORF-"Pressestunde" etwa die Abschaffung der Selbstbehalte für Selbstständige in der Krankenversicherung an.
Einen Zeitrahmen gab Kern den Sozialpartnern, was die Festsetzung eines Mindestlohns von 1.500 Euro angeht. 2017 sei ein gutes Datum, diese Frage zu lösen. Könnten sich Gewerkschaft und Wirtschaft heuer nicht einigen, werde man gesetzliche Maßnahmen in Erwägung ziehen.
Spielraum zeigte der Kanzler, was die von ihm angestrebte Wahlrechtsreform in Richtung Mehrheitswahlrecht angeht. Sein Modell, den Regierenden einen Bonus zu geben, indem auch die Minister im Nationalrat stimmberechtigt wären, sei nur ein möglicher Vorschlag. Auch die Idee des Juristen Klaus Poier, der der stärksten Fraktion 50 Prozent plus ein Mandat geben würde, erscheint ihm interessant, wiewohl ebenfalls nicht ohne Tücken.
Kern kann sich vorstellen, dass in dieser Debatte auch Alt-Bundespräsident Heinz Fischer "einen hervorragenden Beitrag leisten könnte". Umsetzen will der Kanzler die Wahlrechtsreform jedenfalls bereits bis zur nächsten Nationalratswahl, die nach seiner Vorstellung wie geplant erst im Herbst 2018 stattfinden soll. Bis dahin habe man ja einen Vertrag mit der ÖVP. Zudem sei das Verhältnis zu Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) exzellent.
Bis dahin will Kern auch die Frage der Freizügigkeit am Arbeitsmarkt gelöst haben. Konkret plädierte er neuerlich dafür, im Zuge der "Brexit"-Verhandlungen eine Regelung zu finden, wonach nicht mehr Arbeitnehmer aus allen EU-Staaten in sämtlichen Sektoren auf den österreichischen Arbeitsmarkt strömen können. Es werde zwar eine schwierige Auseinandersetzung, doch die Entsolidarisierung in Europa sei nicht mehr hinnehmbar.
Nichts hält Kern von der Forderung der ÖVP, die Obergrenze für Asylanträge gegenüber der ursprünglichen koalitionären Vereinbarung zu halbieren. Diese willkürliche Zahl bringe nichts. Was es vielmehr brauche seien Lösungen, wie Zuwanderung begrenzt werde und wie man abgewiesen Asylwerber aus dem Land bringen könne. Hier müsse sich der Außenminister engagieren.
Bestanden wurde vom SPÖ-Chef darauf, über-50-jährigen Langzeit-Arbeitslosen Jobs im sozio-ökonomischen Bereich zur Verfügung zu stellen. Allzu großen Zwang will er aber offenbar nicht ausüben: "Wenn sich jemand völlig entzieht, wird man da nicht weiterkommen." Bei den Unis bestand Kern trotz Kritik der eigenen Studentenschaft auf seinem System einer stärkeren Studienplatz-Finanzierung.
Nicht hineinziehen lassen wollte sich Kern in die von der ÖVP angezettelte Diskussion um den SPÖ-Berater Tal Silberstein, der "Dirty Campaigning" gegen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) betreiben soll. Dies sei "an den Haaren herbeigezogener Unfug", meinte der Kanzler dazu. Auf die von VP-Generalsekretär Werner Amon am Sonntag neuerlich erhobenen Vorwürfe, dass gegen Silberstein ein Haftbefehl vorliege und er eine Ehrenerklärung des SPÖ-Chefs wolle, dass dieser den Berater nicht für "Dirty Campaigning" einsetze, wollte Kern nicht antworten.