Fall Evangelos
"Kind hat Recht auf beide Elternteile"
05.04.2010
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner nimmt im ÖSTERREICH-Interview zum Fall Evangelos Stellung und kündigt ein neues Sorgerecht an.
Das Schicksal des dreijährigen Evangelos bewegte letzte Woche das Land. Seine Mutter Sandra M. war vorm mutmaßlich gewalttätigen Vater, mit dem sie in Griechenland gelebt hatte, zurück nach Österreich geflohen. Das sei Kindesentführung entschied Österreichs Oberster Gerichtshof. Erst müsse das Sorgerecht juristisch geklärt werden – in Griechenland. Ein Urteil, für das Justizministerin Claudia Bandion-Ortner herbe Kritik einstecken musste.
ÖSTERREICH: Frau Minister, haben sie im Fall Evangelos hartherzig agiert?
Claudia Bandion-Ortner: Die Kritik kommt von genau denjenigen, die sonst eine unabhängige Justiz fordern, wie etwa der Grün-Politikerin Maria Vassilakou oder Parlamentspräsidentin Barbara Prammer. Ich kann und darf nun einmal kein Urteil des Obersten Gerichtshofes beeinflussen. Zur Sache selbst: Die Behörden beider Länder stimmen sich ab. Es ist nicht so, dass das Kind der Mutter entrissen, allein in ein Flugzeug gesetzt und dann einem angeblich gewalttätigen Vater übergeben wird.
ÖSTERREICH: Erst vor kurzem sorgte die Väterbewegung für die umgekehrte Debatte. Soll man die Obsorge anders regeln?
Bandion-Ortner: Ein Kind hat das Recht auf beide Elternteile. Man muss verhindern, dass ein Vater sein Kind nach einer Trennung monatelang nicht sieht. Darum planen wir im Mai eine Enquete zum Thema Obsorge. Wir prüfen da unter anderem die automatische gemeinsame Obsorge nach einer Scheidung, wie es sie in Deutschland auch schon gibt.
ÖSTERREICH: Was passiert in Fällen, wo der Vater der Mutter gegenüber gewalttätig ist?
Bandion-Ortner: Wenn der Vater erwiesenermaßen gewalttätig ist, bekommt selbstverständlich die Mutter das Sorgerecht.
ÖSTERREICH: Das heißt, erst wenn der Vater in einem Prozess verurteilt wird?
Bandion-Ortner: Nein, es gibt ja jetzt schon Instrumente, vorläufige Entscheidungen, Wegweisungen, das muss man dann eben auf die Kinder ausdehnen.
ÖSTERREICH: SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek will die elektronische Fußfessel bei Wegweisungen einsetzen ...
Bandion-Ortner: Das System, das wir einführen werden, ist dafür technisch nicht geeignet. Außerdem befindet sich bei der Wegweisung die Person auf freiem Fuß, die Fußfessel ist aber eine andere Form der Haft.