180.000 Kinder
Kindergarten-Chaos im Sommer
01.07.2008
Wohin mit den Kindern? Dieses Problem betrifft die meisten Familien mit Kindern im Alter bis zu sechs Jahren. Nur jeder 8. Kindergarten hat offen.
Eine aktuelle Studie der Statistik Austria beschreibt, wie sich Hunderttausende Familien im Land fühlen: allein gelassen. Denn die Betreuungseinrichtungen für Kinder bis sechs Jahre reichen einfach nicht aus – Eltern wissen nicht, wohin mit ihren Kindern in den Ferien. Die Zahlen sprechen für sich:
In Österreich gehen derzeit 205.636 Kinder in den Kindergarten. Doch in den Sommerferien hat nur jede achte Einrichtung offen. Somit bleiben rund 180.000 Kinder ohne Platz in ihrem Kindergarten.
Lediglich 25.700 Kinder haben das Glück, ihren Stammkindergarten durchgehend besuchen zu können. Laut Statistik Austria machen heimische Kindergärten durchschnittlich fünf Wochen Urlaub.
Alle sperren im Burgenland
Burgenländische Eltern haben es
definitiv am schwersten: Kein einziger Kindergarten bleibt über den ganzen
Sommer offen – alle sperren im Durchschnitt für 24 Tage. In Niederösterreich
machen 1.029 Kindergärten eine Sommerpause, also bleiben nur 1,3 Prozent
durchgehend geöffnet. Das erfordert etwa von Sandra Wieseneder einiges an
Organisationstalent. In Brunn am Gebirge bleibt lediglich einer von drei
Kindergärten im Sommer geöffnet: „Aber nicht durchgehend, sondern nur in
den ersten und in den letzten drei Ferienwochen. Dazwischen bin ich
gezwungen, mir Urlaub zu nehmen.“
61 Tage zu
Über das gesamte Jahr betrachtet sind Kindergärten in
der Steiermark am häufigsten geschlossen: An 61 Tagen müssen sich die
Familien selbst einen Ausweg suchen. In Vorarlberg ist die Situation nicht
wesentlich besser: Im Sommer muss an 39 Tagen Ersatzprogramm für die Kinder
gefunden werden – und das bei regulären 25 Urlaubstagen für die Eltern. In
Wien geht es Familien am besten – nur sechs Tage lang bleiben die
Kindergärten zu.
Betreuung in der Familie
Elke Luwitsch (34) in Innsbruck leidet
besonders in der Ferienzeit. Während andere vom Urlauben sprechen, muss sie
sich überlegen, wo sie ihre zwei Töchter unterbringt: „Leider ist der
Kindergarten im Sommer geschlossen. Einige bleiben offen, doch die sind mir
zu weit weg. Außerdem ist es eine Kostenfrage – billig ist das nicht. Es ist
für mich schwierig, diese neun Wochen Ferien zu überbrücken – das geht nur
mit einem perfekten Familiennetzwerk.“
Hedwig Lutz vom Wirtschaftsforschungsinstitut: „Für die Erwerbsbeteiligung von Eltern ist das nicht sonderlich förderlich, wenn Kindergärten so oft Schließtage haben. Die gesamte Urlaubsplanung hängt davon ab – oft hat man nicht einmal so viel Urlaub wie Schließtage.“
Weit besser, so die Wissenschafterin, laufe das System in den nordischen Ländern: „Warum sollten die ihre Kindergärten zusperren? Es ist natürlich eine Kostenfrage, aber das wird dort geregelt.“
Fehlgeleitetes Geld?
In Österreich werden derzeit 15 Millionen
Euro an die Länder bezahlt, um mehr Betreuungsplätze zu schaffen. Die
SP-Frauenministerin Heidrun Silhavy meint, das Geld könnte falsch oder gar
nicht eingesetzt werden: „Wir müssen schauen, ob die Länder das Geld auch
tatsächlich abrufen. Leider nutzen ja gerade die Länder, die bei der
Kinderbetreuung Nachholbedarf haben, dieses Angebot oft nicht.“