Klausur am Semmering
Regierung beschließt 7 Arbeitspakete
31.05.2011
Unter anderem wurden Steuer-Ausnahmen und Ganztagsbetreuung fixiert.
Die Regierung beginnt ihren Papierberg abzuarbeiten. Die ersten der 92 gestern vorgestellten Projekte für den Rest der Legislaturperiode wurden heute zum Abschluss der Regierungsklausur am Semmering vom Ministerrat verabschiedet. Das finanziell bedeutendste davon ist der Pflegefonds, der mit 685 Millionen dotiert wird. Ferner mittels einer Punktation auf den Weg gebracht wurde eine Ausweitung der Absetzbarkeit von Spenden sowie des Kirchenbeitrags.
Spendenabsetzbarkeit wird ausgeweitet
Konkret werden ab 2012 auch Zuwendungen für Umweltschutzorganisationen, Tierheime und die freiwillige Feuerwehr absetzbar sein. Beim Kirchenbeitrag kann man künftig 400 statt bisher 200 Euro steuerlich geltend machen.
Erleichterung für Unternehmensgründer
Eine Erleichterung gibt es bei Unternehmensgründen. Die Befreiung vom Dienstgeber-Anteil an den Lohnabgaben für einen Mitarbeiter gilt nunmehr nicht automatisch im ersten Jahr, sie kann innerhalb der ersten drei Jahre für zwölf Monate genützt werden. Grund: im ersten Jahr nach der Gründung haben viele Unternehmen noch keine Beschäftigten und konnten so die derzeitige Regelungen nicht nützen.
Ausbau der Ganztagesschulen und der Pflege
Abgesegnet wurde von der Regierung heute die Bund-Länder-Vereinbarung zum Ausbau der Ganztagsschulen. Ein weiteres Bund/Länder-Projekt - der Pflegefonds - ist nunmehr auch endgültig fix. Das noch unter anderem vom damaligen Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) mit Ländern und Gemeinden ausgearbeitete Paket sieht vor, dass die zusätzlichen Ausgaben in der Pflege bis 2014 mit 685 finanziert werden, wovon der Bund zwei Drittel übernimmt. Verwaltungstechnischer Nebeneffekt der Einigung von Bund und Ländern: Nur noch Bundesbehörden zahlen das Pflegegeld aus, womit künftig bloß acht statt wie bisher 303 Stellen befasst sind.
Regierungsspitze mit Ergebnis der Klausur zufrieden
Die Regierungsspitze zeigte sich ob des heute Verabschiedeten in der Ansicht bestätigt, dass man eine erfolgreiche Klausur hinter sich gebracht habe. Damit beweise man, dass nicht nur geredet werde sondern auch Taten gesetzt würden, meinte Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP). Die Tagung am Semmering sei mit viel Einsatz vorbereitet und das Programm mit Teamgeist abgearbeitet worden, frohlockte Kanzler Werner Faymann (SPÖ).
Viel Harmonie, Konfliktthemen bewusst ausgeklammert
Überhaupt passte zwischen die Chefs der Regierung an den zwei Semmering-Tagen kein Blatt. Konfliktthemen wurden zur Seite geschoben, sämtliche Auftritte erfolgten gemeinsam. Sogar beim geselligen Abend am ersten Klausurtag ließen sich Faymann und Spindelegger nicht aus den Augen. Man kam gemeinsam, schritt gemeinsam zum Buffet und verabschiedete sich gemeinsam. Detail am Rande: die Regierung zeigte Mut. Trotz der vorhergehenden Melanzani-Warnung von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) in Sachen EHEC wurden die Auberginen am Vorspeisenteller verspeist.
Landespolitik hielt sich fern
Eher ungewöhnlich für eine Regierungsklausur ist, dass sich die Landespolitik vom Tagungsort fernhielt. Weder Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) noch der zweite Semmering-Landesvater, der Steirer Franz Voves (SPÖ) zeigten sich der Regierung. So absolvierten Faymann und Spindelegger auch ihren Betriebsbesuch bei Schoeller-Bleckmann Dienstagvormittag ohne ländlicher Begleitung.
Reaktionen zur Regierungsklausur - Seite 2 >>
Lob von der Wirtschaft, Kritik von der Opposition
obende Worte hat die zuletzt mit der Regierungsarbeit unzufriedene Wirtschaft für die Ergebnisse der Regierungsklausur in Semmering gefunden. Die Oppositionsparteien dagegen reagierten mit Kritik. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, der der Regierung im Vorfeld mangelnden Mut attestiert hatte, zeigte sich nun besänftigt. Er erkannte bei SPÖ und ÖVP einen "guten Willen, die Ärmel aufzukrempeln und Dinge anzupacken". Leitl sah insbesondere bei Bildung und Wissenschaft sowie bei der forcierten Internationalisierung der Wirtschaft gute Ansätze für Verbesserungen, wie er in einer Aussendung am Dienstag sagte.
Auch Industrie hoffnungsfroh
Hoffnungsfroh zeigte sich auch die Industrie. Man vermisse zwar weiterhin einige strukturelle und nachhaltige Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Verwaltung, Pensionen und Gesundheit. "Die Ergebnisse lassen trotz Defiziten hoffen", erklärte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Veit Sorger, in einer Aussendung. Als "jedenfalls positiv" bewerte die Industrie den beschlossenen Ausbau der Ganztagsschulen beziehungsweise Kinderbetreuung, betonte der IV-Präsident. Nicht realistisch sei dagegen die Absicht der Bundesregierung, im vorgegebenen Zeitrahmen energieautark werden zu wollen.
Pensionistenvertreter zufrieden
Zufrieden zeigten sich aber auch die Pensionistenvertreter. Karl Blecha, Präsident des Pensionistenverbandes, und Seniorenbund-Chef Andreas Khol begrüßten die Umsetzung des Pflegefonds. "Mit dem Pflegefonds ist ein sozialpolitischer Meilenstein gelungen, der die Finanzierung der Pflege auf sichere Beine stellt und für die Betroffenen durch schnellere Verfahren Vorteile bringt", so Blecha. Khol lobte darüber hinaus das 90 Punkte-Programm von SPÖ und ÖVP und verglich dieses mit dem "Reform-Stakkato der schwarz-blauen Koalitionsregierung im Jahre 2000", die "viel Gutes für Österreich" getan habe.
FPÖ sieht Veränderungsunwilligkeit
Die Prolongierung der rot-schwarzen Veränderungsunwilligkeit sieht FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache als Ergebnis der zweitägigen Regierungsklausur. Die Inhalte, die jetzt als großartige Neuerungen verkauft würden, seien längst bekannt. Diese Bundesregierung vermittle kein Gefühl des Aufbruchs, so Strache in einer Aussendung.
Grüne fordern konsequentere Anti-Atom-Politik
Die Grünen verlangte ihrerseits von der Regierung ein konsequentes Vorgehen gegen die Atomindustrie. Parteichefin Eva Glawischnig forderte Forschungsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) auf, beim EU-Forschungsministerrat heute, wo über das EU-Atomforschungsprogramm 2012 /2013 beraten wird, unmissverständlich klarzustellen, "dass Österreich ein Veto gegen weitere Forschungsgelder für Atomprojekte einlegen wird".
BZÖ: "Nur alte Hüte neu verkauft"
BZÖ-Chef Josef Bucher warf wiederum der Regierung vor, alle großen Reformvorhaben wie Wehrpflicht, Pensionen, Verwaltungs- und Steuerreform oder den Plan-B für die Euro-Krise "wie der Teufel das Weihwasser" zu meiden und bereits beschlossene alte Hüte als neu zu verkaufen.