Der parteifreie Europa-Abgeordnete Hans-Peter Martin wird bei der EU-Wahl am 7. Juni erneut mit einer eigenen Liste antreten. BZÖ und FPÖ reagieren hämisch.
Als "politische Sternschnuppe die bereits bei der Nationalratswahl 2008 verglüht ist", bezeichnet BZÖ-Wahlkampfleiter Stefan Petzner den ehemaligen SPÖ-Spitzenkandidaten und jetzigen EU-Parlamentarier Hans-Peter Martin. Martin habe in Brüssel nichts bewegt oder verändert. Es stelle sich auch die Frage, warum Martin mit einer Kandidatenliste antrete, denn bisher habe er sich noch mit jedem zerstritten, der mit ihm in einem Team gewesen sei.
"Dicker, böser Karpfen"
"Aus dem
vermeintlichen Hecht ist wohl eher ein mit EU-Geldern bis zur
Bewegungsunfähigkeit gefütterter böser Karpfen geworden",
so FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl, dem es schwer fällt nicht gleich in
den nächsten Lachkrampf zu fallen. Tatsache sei jedenfalls, dass Martin
offenbar noch nicht genug EU-Gelder für seinen Ruhestand abgezockt habe und
daher nochmals kandidieren müsse, so Kickl.
Martin sieht sich als "Hecht im Karpfenteich"
"Der
Martin geht ran. Ich wage es erneut zu kandidieren. Es muss einen Hecht im
Karpfenteich Brüssel geben", sagte Martin am Montag bei der
Vorstellung seiner vier Personen umfassenden Liste. Man wolle erneut
drittstärkste Kraft sein: "Es wird am 7. Juni eine Überraschung
geben", ist der EU-Parlamentarier überzeugt. Bei der EU-Wahl 2004 hatte
Martin rund 14 Prozent der Stimmen erreicht.
Gegen Wirtschaftskrise
Martin kündigte an, sich als Erstes um
die Wirtschaftsfrage kümmern zu wollen. Weitere Themen seien überbordende
Bürokratie und Demokratie. Konkret nannte er das Herbeiführen einer neuen
Finanzordnung, seinen "fortgeführten Kampf" gegen
Bürokratismus und Privilegien sowie ein Bemühen um Volksabstimmungen in
wichtigen Fragen.
"Großparteien heillos versagt"
Martin wirft SPÖ
und ÖVP "Versagen" vor und betonte, dass es einen
Elite-Wechsel brauche. Bereits vor 13 Jahren habe er in seinem Werk "Die
Globalisierungsfalle" vor einem "neuen 1929" gewarnt, nun sei
es Tatsache geworden, sah er sich bestätigt.
Gegen Massenarbeitslosigkeit
In Europa gebe es zwar mehr als 40
Großbanken, aber keine Kontrolle. "Nun ist eine
Finanzmarktaufsicht in aller Munde, auch im Munde derjenigen, die früher
dagegen waren", sprach Martin von "unglaublich vielen Heuchlern in
der Politik". Er werde sich jedenfalls mit ganzer Kraft für eine neue
Finanzordnung einsetzen und sich gegen die bevorstehende
Massenarbeitslosigkeit stemmen.
Bietet Krisenbetroffenen Jobs an
Dazu will Martin auch einen
ganz persönlichen Beitrag leisten. Jeder EU-Abgeordnete erhalte pro Monat
17.000 Euro als Mitarbeiter-Zulage. Er werde künftig 15.000 Euro dafür
verwenden, Jugendlichen mit Problemen am Arbeitsmarkt oder Leuten, die durch
die Krise in Not geraten seien, eine Perspektive zu bieten. "Diese
Personen sollen sich bei mir bewerben, sie können ein halbes Jahr im
Parlamentsbüro Martin Erfahrungen sammeln und ihre Arbeit einbringen",
erklärte der EU-Abgeordnete. Würden andere Abgeordnete seinem Beispiel
folgen, könnte jeder "eine Million Euro sinnvoll umverteilen".
3 Mio. Jobs in der Politik
Zudem wolle er auch die aufgeblähten
Politik-Apparate bekämpfen und damit in Europa "Millionen neue Jobs"
schaffen. "Mehr als drei Millionen Menschen arbeiten in Europa im
Politik-Apparat. Das ist um die Hälfte zu viel", stellte Martin
fest. Das so eingesparte Geld könne sinnvoll für Jugend und Arbeitsmarkt
verwendet werden. "Es ist genug Geld vorhanden, man muss es nur richtig
verteilen", so Martin. Der Druck von der Straße werde ihm bei diesem
Anliegen helfen.
Fraktionsfrei aus Überzeugung
Zum Wahlkampf sagte Martin,
dass ihm ein Budget von 500.000 Euro aus eigenem Geld zur Verfügung stehe,
eine Fremdfinanzierung gebe es nicht. Er werde weiterhin unabhängig
auftreten, obwohl ihn bereits vier Fraktionen um seine Mitarbeit gebeten
hätten. "Ich bin fraktionsfrei aus Überzeugung, weil ich sehe, wie
die anderen Fraktionen funktionieren." Erstmals werde seine Liste auch
mit Wahlplakaten werben.
"Original der EU-Kritik"
Es würden wohl manche seiner
Mitbewerber im Wahlkampf auf "seinen Kurs" schwenken, aber: "Hier
sitzt das Original der vernünftigen EU-Kritik", betonte Martin. Er
habe in den vergangenen Jahren einige Erfolge erzielen können, führte Martin
etwa die Themen "Luxus-Pensionssystem" und die "Entwicklung
bei den Tagegeldern" an.
Als Mitstreiter auf seiner "Liste Martin" stellte der EU-Parlamentarier Angelika Werthmann (45) aus Schwarzach im Pongau, die in Kärnten wohnhafte Nicole Baumgartner (32) sowie den Industriekaufmann Robert Sabitzer (55) vor. Sie haben schon bei der Nationalratswahl 2006 auf der Liste von Hans-Peter Martin kandidiert.
Seit seinem Einzug ins Europaparlament 1999 reitet der "glühende Proeuropäer", selbst ernannte "Aufdecker" und Kämpfer gegen Brüsseler Sumpf immer wieder harte Attacken gegen politische Gegner, ehemalige Weggefährten, die EU-Parlamentsverwaltung oder die EU-Betrugsbekämpfer. 2004 hatte Martin mit dem Finger auf Skandale im fernen Straßburg gezeigt und damit bei der EU-Wahl in Österreich 14 Prozent der Wähler überzeugt. Diesmal prophezeien ihm Meinungsumfragen deutlich weniger Zustimmung. Dabei genießt Martin nach wie vor die Unterstützung der "Kronen Zeitung", in der er als Gastkommentator "Millionen-Privilegienskandale" anprangert, wie zuletzt den umstrittenen Zusatzpensionsfonds der Europaabgeordneten. Im EU-Parlament zeigte Martin immer wieder Missstände auf, sei es das Abkassieren von Taggeldern, Abrechnungen und die allgemeine Verschwendung in der Gebarung. Während diese Themen bei den Wählern in Österreich gut ankamen, machte sich Martin in Straßburg und Brüssel sehr unbeliebt, als er anfing, aus vertraulichen Gesprächen am Gang zu zitieren und mit versteckter Kamera aufgenommene Bilder zu veröffentlichen. "Das sind Methoden der Gestapo", sagte unlängst der EU-Abgeordnete des flämischen Vlaams Belang, Koenraad Dille, als der Österreicher auf eigene Faust Kollegen, die den EU-Pensionsfonds nutzen, "outete". |