In der gestrigen Onlinekonferenz des Wissenschaftsnetzes „Diskurs“ und „Scientists for Future“ wurde seitens Fachleute einiges an Kritik ausgeübt. Der Hauptpunkt: Die Stellplatzverordnung von Bauträgern ungeachtet des Bedarfs, Parkplätze zu errichten.
Durch eine hohe Anzahl an Parkplätzen würde in Ortszentren die Nutzung des eigenen Pkws attraktiver gemacht werden, als jene des öffentlichen Verkehrs, so die Experten.
Denn die Stellplatzverpflichtungen sein längst nicht mehr zeitgemäß, sondern aus einer Zeit, in welcher die motorisierte Mobilität bewusst vorangetrieben wurde, zitierte der ORF Birgit Hollaus vom Institut für Recht und Governance der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Jetzt hingegen muss der Klimaschutz Priorität haben.
Gerade Gemeinden, in denen die Stellplatzzahl von den Landesregierungen, abhängig von Wohneinheiten- und Quadratmeteranzahl bei Handel und Gewerbe, festgelegt wird, hätten häufig einiges an Spielraum übrig.
Während in Niederösterreich die Vorgaben je nach Bedarf geändert (gemeint ist damit lediglich eine Erhöhung) werden können, könnten in Wien die Pflichtparkplatzzahlen um bis zu 90 Prozent reduziert werden, so Hollaus. Auch in Oberösterreich könnten, je nach Ortschaft, Parkmöglichkeiten angepasst werden. „Dort steht es also offen, aus Klimaschutzerwägungen weniger Stellplätze vorzusehen“, zitiert sie der ORF.
Bequemlichkeiten anpassen
Auch Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien erkennt den Bequemlichkeitsvorteil des Individualverkehrs bei einer Stellplatzverordnung.
Denn sobald dieser verfügbar und einfach erreichbar ist, steigen Menschen natürlich lieber ins private Auto.
„Eine 400 Meter entfernte Haltestelle weist im durchschnittlichen städtischen Umfeld weniger als 20 Prozent Attraktivität im Vergleich zu einem Stellplatz in der Tiefgarage, im Haus oder vor dem Haus auf.“
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„Will man Chancengleichheit zwischen dem öffentlichen Verkehr und dem Auto herstellen, sind zentrale Garagen in gleicher Entfernung wie die Haltestellen von häufig verkehrenden Verkehrsmitteln anzulegen“, sagte er.
Gesetzte Obergrenzen für Grundstücke
Wie die Schweiz vorgemacht hat, soll es nun auch gesetzlich festgelegte Obergrenzen für Stellplätze pro Grundstück geben. Die Kritik des Experten: Unabhängig davon, ob nun eine gute öffentliche Verkehrsverbindung in der Nähe vorhanden ist oder nicht, werden überall gleich viele Stellplätze gebaut.
Dadurch, dass teilweise 70 Prozent der Garagen- und Parkplätze ungenutzt sind, wird am Bedarf vorbeigebaut. So wird nicht nur der gesamte Wohnbau verteuert, sondern auch soziale Probleme werden geschaffen.
Als Vorzeigebeispiel nannte Frey St. Pölten, da die Stellplätze am öffentlichen Verkehr ausgerichtet sind. Dadurch bleibt das Zentrum automatisch verschonter.
Johannes Tintner-Olifiers vom Institut für Statistik der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien kritisiert, wie sehr land- und forstwirtschaftliche sowie Naturschutzflächen unter der enormen Flächeninanspruchnahme leiden mussten.
„Man hatte offensichtlich den Eindruck, dass Fläche unbegrenzt da ist, was freilich nicht stimmt.“
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„Wir verbauen in Österreich für Infrastruktur und Bauland primär die fruchtbarsten Böden des Landes“, zitiert der ORF Tintner-Olifiers.
Ein Fehler, der sich nicht mehr gut machen lässt. Denn bei Verbauungen würden klimaschädlicher Kohlenstoff freigesetzt werden, unabhängig davon, ob die Fläche ursprünglich Wald, Wiese oder Ackerland war.
Geplante Ausgleichsabgaben
Birgit Hollaus gibt auch bekannt, dass in den Stellplatzverordnungen festgeschrieben werden würde, welche finanziellen Ausgleichsabgaben anfallen, sobald das geforderte Ziel nicht errichtet werden kann.
In Niederösterreich und Wien könnte man jedoch auch den Personennahverkehr so fördern, in dem man wo anders ersatzweise Parkflächen betoniert. „Auf diese Weise kann die Ausgleichsabgabe zu einer Ökologisierung des lokalen Verkehrs beitragen.“