Steuerreform vorgezogen
Koalition bringt Familien-Tausender
13.06.2020Mit Paket aus Steuerboni und Einmalzahlungen will die Koalition Wirtschaft ankurbeln.
Wien. Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Am kommenden Montag wird die türkis-grüne Koalition bei ihrer Klausur im Kanzleramt ein großes Corona-Steuerentlastungspaket präsentierten – ÖSTERREICH berichtete vorab: Jede Durchschnittsfamilie soll durch einen Mix aus Steuerentlastung und Einmalzahlungen im Schnitt mit 1.000 Euro profitieren (siehe dazu die drei Beispiele am Ende des Artikels). In der Koalition arbeitet man daran, dass das Geld bereits im September überwiesen wird. Insgesamt 2,65 Milliarden ist das Entlastungspaket schwer.
1. Stufe der Steuerreform wird auf heuer vorgezogen
Lohn- und Einkommensteuer. Kernstück ist ein Vorziehen der Lohnsteuersenkung auf das heurige Jahr. Konkret sinkt der Satz der untersten Steuerklasse von 25 auf 20 %. Was das dem Einzelnen bringt, zeigt eine Steuertabelle der Agenda Austria: Ab einem Monatseinkommen von 1.810 Euro beträgt die Entlastung 350 Euro im Jahr, darunter ist sie entsprechend niedriger. Das heißt aber: Rund 50 % der Arbeitnehmer kommen in Genuss der vollen Entlastung. Und: Das Geld soll, etwa in Form einer Steuergutschrift, bereits ab September auf dem Konto sein.
Negativsteuer. Wie ÖSTERREICH ebenfalls schon berichtete, gibt es für kleine Einkommen eine sogenannte Negativsteuer. Sie fällt zwar nicht allzu üppig aus, wer aber unter 1.290 Euro verdient, soll immerhin 100 Euro erhalten. Das Steuerpaket kostet 1,6 Mrd. Euro.
Satte Einmalzahlung für alle Familien
Sonderzahlung. Mehr bekommen da schon die Familien: Für jedes Kind (für das Familienbeihilfe bezogen wird) werden im September 360 Euro ausgezahlt. Das führt dazu, dass eine vierköpfige Familie um rund 1.000 Euro entlastet wird, mit drei Kindern sind da durchaus 1.500 Euro drinnen. Kosten: 650 Mio. Euro.
450 Euro Einmalzahlung gibt es für die Arbeitslosen
Einmalzahlung. Auch Arbeitslose bekommen Geld – wenngleich die Arbeitslosenentschädigung nicht dauerhaft angehoben wird. Stattdessen gibt es 450 Euro Einmalzahlung. Diese Maßnahme kostet rund 200 Mio. Euro. Bezieher einer Notstandshilfe erhalten laut dem Gesetzesentwurf indes keine Sonderzahlung.
Opposition und dem ÖGB ist das Ganze viel zu wenig
Reaktionen. Während Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im ÖSTERREICH-Interview von einem sehr großen Paket spricht und Vizekanzler Werner Kogler darauf Wert legt, „dass wir niemanden zurücklassen“, ist der Opposition das alles zu wenig: ÖGB-Chef Wolfgang Katzian kritisiert, dass die Einmalzahlung nicht nachhaltig ist: „Natürlich freut sich jeder über eine Einmalzahlung, und diese ist auch ein Impuls für die Kaufkraft. Sinnvoller wäre aber eine generelle Erhöhung des Arbeitslosengeldes.“ SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nannte die Einmalzahlung „einen blanken Hohn“ und „erbärmlich“. SPÖ und FPÖ forderten erneut eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 % des Letztgehalts.
So profitieren Familien vom Corona-Paket
Schon im September sollen die Familien das Geld aufs Konto bekommen – ÖSTERREICH hat für Sie drei realistische Beispiele errechnet.
Beispiel 1: Familie, zwei Kinder, Alleinverdiener ca. 2.500 Euro Brutto
Steuerentlastung: 350 Euro, Familienbonus: 2 mal 360 Euro – Summe: 1.070 Euro
Beispiel 2: Familie, drei Kinder, Doppelverdiener (2.000 Euro bzw. 1.400 Euro Brutto)
Steuerentlastung: 350 plus 153 Euro, Familienbonus: 3 mal 360 Euro – Summe: 1.583 Euro
Beispiel 3: Alleinerzieherin, ein Kind, 1.900 Euro Brutto
Steuerentlastung: 350 Euro, Kinderbonus: 360 Euro – Summe: 710 Euro
Kanzler Kurz im Interview: "Es ist ein sehr großes Paket"
Kurz im „Österreich“-Talk ÜBER DAS NEUESTE Corona-Paket.
ÖSTERREICH: Sie laden ins Kanzleramt zur Klausur. Sonst findet so etwas immer in einem Hotel am Land statt. Warum diese „Nicht-Inszenierung“?
SEBASTIAN KURZ: Es ist richtig, dass Regierungsklausuren sonst in einem größeren Rahmen stattfinden. Zwar sind die Ansteckungszahlen in Österreich sehr niedrig, trotzdem ist das Coronavirus noch aktiv. Insofern versuchen wir, die Sicherheitsregeln genau einzuhalten.
ÖSTERREICH: Rund 2,6 Milliarden ist das Paket schwer – warum kommt es gerade jetzt?
KURZ: Neben der Rettung besonders betroffener Branchen ist es uns wichtig, den Konsum anzukurbeln. Deshalb ziehen wir jetzt die Steuerreform vor und entlasten kleine und mittlere Einkommen. Darüber hinaus unterstützen wir Familien direkt mit 360 Euro pro Kind. Vieles von dem Geld wird direkt in den Konsum fließen und die Wirtschaft beflügeln.
ÖSTERREICH: Sie ziehen jetzt die 1. Stufe der Lohnsteuersenkung vor. Wird die 2. Tarifstufe wie geplant 2021 abgesenkt?
KURZ: Ja, die Steuerreform findet statt wie geplant. Die Senkung der unteren Progressionsstufe wird eben vorgezogen, um gerade die kleinen Einkommen zu entlasten.
ÖSTERREICH: Wann haben die Menschen das Geld am Konto?
KURZ: Ab September findet die Auszahlung statt. Das bedeutet im Schnitt pro Familie 1.000 Euro.
ÖSTERREICH: Negativsteuer und mehr Geld für Arbeitslose – dem stand die ÖVP stets kritisch gegenüber. Haben Ihnen das die Grünen abgerungen?
KURZ: Wir halten diese Einmal-Unterstützung für Arbeitslose für notwendig, weil ja viele in der Coronakrise unverschuldet den Job verloren haben. Und es ist auch eine konjunkturbelebende Maßnahme, weil dieses Geld unmittelbar in den Konsum fließt.
ÖSTERREICH: Wir waren die Verhandlungen mit den Grünen? Ist das wieder nach dem Motto verlaufen, das Beste aus beiden Welten?
KURZ: Es waren sehr angenehme Verhandlungen mit einem klaren Ziel: Wir wollen besondere Branchen, wie die Gastronomie und den Tourismus, unterstützen. Zum Zweiten werden wir die arbeitenden Menschen und Familien entlasten. Dritter Punkt: Wir investieren mehr in Ökologisierung und Digitalisierung.
ÖSTERREICH: Während wir hier reden, bemängelt die Opposition, dass das alles zu wenig ist. Was sagen Sie dazu?
KURZ: Dass die Opposition Maßnahmen immer kritisiert, das kennen wir schon. Alle Details werden am Dienstag präsentiert, eines ist aber schon jetzt klar: Es ist ein sehr, sehr großes Paket.
ÖSTERREICH: Kann eine mögliche Rezession durch solche Pakete verhindert werden?
KURZ: Ich glaube, dass das Paket gut geeignet ist, um in einer Weltwirtschaftskrise gegenzusteuern. Es ist eine Realität, dass es durch die Pandemie eine Krise gibt, die nicht spurlos an uns vorüberzieht.
ÖSTERREICH: Kommen wir da besser durch als andere?
KURZ: Wir werden deutlich besser durch die Krise kommen als die meisten anderen Länder. Österreich ist ein starkes Land. Viele Maßnahmen, die wir setzen, können sich andere Länder gar nicht leisten.
ÖSTERREICH: Wie läuft es in der Koalition? Man hatte zuletzt den Eindruck, die Grünen treten selbstbewusster auf und durch die Entmachtung von Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek gibt es Irritationen.
Kurz: Ich halte die Zusammenarbeit für gut. Natürlich bleiben wir zwei unterschiedliche Parteien.
ÖSTERREICH: Also keine Irritationen?
Kurz: Nein.(gü)
Günther Schröder