ÖVP wirft Faymann Kampagne vor, Pingpong über Zuständigkeit.
Die Regierungsparteien haben am Dienstag ordentlich die Klingen gekreuzt - und zwar ausgerechnet wegen des Abdullah-Zentrums für interreligiösen Dialog. Die ÖVP warf Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) eine Kampagne gegen das Zentrum vor und überlässt dem Regierungschef nun die Entscheidung über dessen Zukunft - inklusive der Verantwortung für die Konsequenzen. Die SPÖ spielte den Ball zurück.
Kritik an Saudi-Zentrum
Das von Saudi-Arabien finanzierte "König Abdullah Bin Abdulaziz Zentrum für Interreligiösen und Interkulturellen Dialog" (KAICIID) steht seit längerem in der Kritik. Zuletzt, weil es zur Folter des zu 1.000 Peitschenhieben verurteilten Bloggers Raif Badawi schwieg. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) legte am Dienstag - "in Entsprechung eines Ersuchens des Herrn Bundeskanzlers" - einen Bericht über das Zentrum vor, in dem auch deutliche Kritik geübt wird. Eine sofortige Schließung wäre demnach aber nur unter Missachtung völkerrechtlicher Verträge möglich. Als Handlungsoptionen werden die - reformierte - Beibehaltung sowie ein Austritt Österreichs genannt.
Wie es nun mit dem Zentrum konkret weitergeht, ist nach wie vor nicht klar. Vielmehr schoss sich die ÖVP auf Bundeskanzler Faymann ein: Zunächst warf ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka dem Regierungschef vor, "plötzlich als Oppositionspolitiker" zu agieren und forderte ihn auf, "seine Kampagne zumindest eine Zeit lang einzustellen", immerhin gehe es um den "Ruf der Republik".
Gereizte Stimmung
Nach der Regierungssitzung präsentierten sich Kanzler und Vizekanzler dann in ungewohnt gereizter Stimmung den Medien. Er werde den Bericht in den nächsten Tagen sehr genau studieren, kündigte Faymann an. Wenn die Missstände im Zusammenhang mit dem Zentrum nicht zu beheben seien, soll man einen "geordneten Rückzug" des österreichischen Beitrags vornehmen. Aus seiner Sicht sei schiefgelaufen, dass ein Dialogzentrum kein "Schweigezentrum" zum Fall des Bloggers sein könne.
Mandat des KAICIID sei der interreligiöse Dialog und nicht, zu Menschenrechten Stellung zu nehmen, konterte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Das Zentrum sei der falsche Ansatzpunkt, um die Menschenrechte in Saudi-Arabien positiv zu beeinflussen. Wenn nun eine Kampagne gegen das Zentrum geführt werde, dann schade das Österreich als Standort internationaler Organisationen. Faymann wies den Vorwurf gleich gar nicht zurück - denn wer von einer Kampagne spreche, wenn man sich für Menschenrechte einsetze, dem sage er: "Auf solche Kampagnen bin ich stolz."
Mitterlehner wartet auf Kanzler
Mitterlehner spielte den Ball jedenfalls an Faymann weiter: Man warte nun auf eine Entscheidung des Kanzlers. Die Verantwortung für die Konsequenzen werde dieser zu tragen haben, fügte Mitterlehner noch hinzu. In Aussendungen legte die ÖVP noch einmal nach: "Der Bundeskanzler muss die Konsequenzen seiner Entscheidung selbst tragen, sei es eine Entscheidung der Vernunft oder des reinen Populismus", meinte etwa Generalsekretär Gernot Blümel.
Die SPÖ schickte wiederum Klubchef Andreas Schieder nach vorne: Zuständig dafür, dass in dem Zentrum etwas Vernünftiges passiere oder man einen "geordneten Rückzug" antrete, sei einzig und allein ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz, setzte Schieder das Pingpong-Spiel fort. Er äußerte gegenüber der APA den Eindruck, die ÖVP "geniert sich, dass das Zentrum schief gegangen ist" und fühle sich "ertappt", weil man so lange zugeschaut habe. Denn seit dem "skandalösen Interview" der früheren Justizministerin Claudia Bandion-Ortner, die vor wenigen Tagen als stellvertretende Generalsekretärin des Zentrums zurückgetreten ist, habe der Außenminister eigentlich nichts getan.
Darabos springt zur Seite
Per Aussendung assistierte dann noch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, der es als "unhaltbar für eine Regierungspartei" bezeichnete, "wenn sie einem Dialogzentrum für sein Schweigen zu Verstößen gegen die Menschenrechte die Mauer macht".
Die Regierung solle den "untragbaren und peinlichen Streit rasch" beenden, empfahl FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Nicht die Schließung des Zentrums, sondern das Zögern dabei schade Österreich. Für ein Ende des Zentrums sprachen sich auch abermals die Grünen aus.