Kanzler/Vize gegen starke VP-Minister

Koalition: Tauziehen um Neuwahl

06.05.2017

Die ÖVP ist in Sachen Neuwahl tief gespalten. Mitterlehner führt die Bremser an.

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© Getty Images/APA/Fotomontage
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Eigentlich sollte für die Regierung am kommenden Dienstag „C-Day“ sein – der „Crash-Day“, der den Weg für Neuwahlen freigibt.

Finanzminister Schelling wollte das „Kanzler-Ultimatum“, das seine Reform der „kalten Steuer-Progression“ im Sinne der SPÖ verwässern soll (nur kleine Einkommen erhalten den Steuer-Bonus, größere nicht), beinhart ablehnen. Und damit Neuwahlen auslösen.

Doch es wird wieder mal anders kommen, als von Minister Schelling und der – mittlerweile großen – Mehrheit der ÖVP erwünscht. Vizekanzler Mitterlehner und sein Koalitions-Sheriff Harald Mahrer haben mit ihren Partnern Kern und Drozda Einigkeit erzielt: Die ÖVP wird das „Kanzler-Ultimatum“ schlucken und die Reform der „kalten Progression“ am Dienstag im Ministerrat so beschließen, wie von der SPÖ gewünscht.

Damit ist klar: Kern und Mitterlehner lassen das letzte Crash-Szenario für Neuwahlen vor dem Sommer ganz bewusst verstreichen, präsentieren sich kommende Woche in seltener Einigkeit.

Noch deutlicher wird damit aber auch: Die ÖVP ist unversöhnlich in zwei Lager geteilt.

Auf der einen Seite steht das „Team Kurz“: Außenminister Sebastian Kurz ist klar für Neuwahlen im Herbst. Er weiß: Mit einem professionellen Wahlkampf würde er im Herbst gewinnen. Nach allen Umfragen wäre die ÖVP mit Kurz als Kanzler-Kandidat derzeit klare Nummer 1, Strache mit der FPÖ eindeutig Nummer 2 und für Kanzler Kern bliebe nur der 3. Platz und der Abschied.

Kurz könnte sich dann aussuchen, ob er mit Strache Schwarz-Blau oder mit Doskozil/Niessl eine neue Form von Schwarz-Rot startet – jedenfalls mit ihm als jungen Kanzler à la Macron.

Zum „Team Kurz“ gehören die Minister Sobotka, Schelling, Karmasin und Rupprechter als fast „verschworene Gemeinschaft“, das auf Länder-Ebene von NÖ (Mikl-Leitner), Wien (Blümel), Salzburg (Haslauer) und seit Neuestem pikanterweise auch von Mitterlehners Oberösterreich (mit dem neuen VP-Chef Stelzer) unterstützt wird, dem immer offener das ÖVP-Duo Mitterlehner-Mahrer gegenübersteht.

Mitterlehner wäre gerne selbst Finanzminister

Der Vizekanzler und sein Staatssekretär entwickeln sich zu absoluten Hardlinern gegen Neuwahlen und für den Fortbestand der Koalition. Natürlich in eigenem Interesse: VP-Chef Mitterlehner denkt nicht daran, sein Amt freiwillig an Kurz abzugeben. Mitterlehner will unbedingt bis Oktober 2018 „ausdienen“ und dann noch einmal als ÖVP-Spitzenkandidat antreten. Seine Rechnung: Wenn Kern die nächste Wahl mit über 30 % gewinnt und die ÖVP mit etwa 23 % „ehrenwerter“ Dritter wird, wird die Große Koalition fortgesetzt. Für den Fall hat Mitterlehner Freunden gegenüber schon sein Wunsch-Szenario offenbart: Er wird in der nächsten „Regierung Kern“ Finanzminister, Mahrer folgt ihm als Wirtschaftsminister. Schelling und Kurz sollen frustriert aus der Politik ausscheiden.

Dieses Szenario könnte durchaus wahr werden. Denn in der ÖVP ist derzeit keiner zu sehen, der bereit wäre, einen Wechsel an der Spitze zu Kurz anzusagen. Mikl-Leitner und Stelzer betonen zwar immer, „wie talentiert“ Kurz nicht sei, der Steirer Schützenhöfer spricht „vom Atout, das man erst zur richtigen Zeit ausspielen darf“ – aber keiner weiß, wann „die richtige Zeit“ ist.

Nur Kurz würde von einer Wahl im Herbst profitieren

Vorerst stoppt Mitterlehner jedes Crash-Szenario in der Regierung: Letzte Woche verhinderte er nach Schreiduellen innerhalb der ÖVP, dass die ÖVP-Minister den SPÖ-Vorschlag für den „Beschäftigten-Bonus“ ablehnen. Schelling, Karmasin und Kurz waren vehement dagegen – Mitterlehner und Mahrer fighteten den „Beschäftigten-Bonus“ aus dem „Kern-Plan A“ im Ministerrat durch. Kurz und Schelling kamen gar nicht zum Ministerrat, waren mega-sauer.

Diesen Dienstag wird es mit der Reform der „kalten Progression“ wohl genauso kommen. Schelling, Sobotka und Kurz wollen die Verwässerung dieser Schelling-Reform durch die SPÖ noch verhindern – doch Mitterlehner und Mahrer haben der SPÖ schon ihre Zustimmung versichert.

Ein ÖVP-Insider: „Das wäre der ideale Absprung in Neuwahlen gewesen. Motto: Die SPÖ ­blockiert Schellings Steuersenkung für alle. Besser kannst du in Neuwahlen nicht starten.“

Ein neuer ÖVP-Spitzenmann Kurz hätte die besten Karten.

  • Die SPÖ ist seit dem Wiener Parteitag in der Krise. Die Zustimmungswerte für Kanzler Kern fallen – und zwar deutlich. Die Wiener SPÖ ist völlig zerstritten – doch ohne Wien kann die SPÖ keinen Wahlkampf gewinnen. Deshalb will der Kanzler auf keinen Fall in diesem Herbst wählen, sondern ein Jahr Zeit gewinnen.

  • Auch die FPÖ will keinen Wahlkampf in diesem Jahr. Ihre Finanzen sind durch die Marathon-Wahl um die Hofburg extrem belastet. Ihr fehlt das Geld, um eine Wahlkampf-Schlacht gegen den ÖVP-Turbo Kurz führen zu können.

  • Und die Grünen sind ohnehin völlig im Eck – würden vermutlich unter 10 % fallen.

Kurz würde also als Einziger von Neuwahlen profitieren – die Mitterlehner verhindert …

Der Ministerrat am Dienstag wird zeigen, wer VP-intern gewinnt. Vorerst. Denn das Kurz-Lager wird nicht aufgeben – und im Sommer (wenn sich die Sozialpartner nicht auf Arbeitszeitflexibilisierung und Mindestlohn einigen) oder im September (wenn die Regierung kein Budget schafft) den nächsten Versuch starten.

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