Rot-Schwarz neu

Dauerverhandlungen im Kanzleramt mit Chefs

30.11.2013

Gestern verhandelten Faymann und Spindelegger persönlich den Koalitionspakt.

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© apa
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Die rot-schwarzen Koalitionsverhandlungen sind neun Wochen nach der Nationalratswahl endlich im Endspurt: Seit Freitagabend verhandeln SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer und VP-Kabinettschef Jochen Danninger fast in Permanenz.

Gestern gesellten sich – wie von ÖSTERREICH angekündigt – auch die Parteichefs Werner Faymann und Michael Spindelegger dazu. Einzelne Fachminister wurden immer wieder dazu gezogen.

Einig sind sich die Regierungsparteien freilich noch nicht. Faymann drückt aufs Tempo. Spindelegger will dafür „mehr Reformen“. Was kommen soll:

1. Pensionen. Das faktische Pensionsantrittsalter soll bis 2018 von 58,4 auf 60 Jahre steigen. Das soll ein halbjährliches Monitoring kontrollieren. Auch ein schärferes Bonus-Malus-System dürfte fix sein. Unternehmen, die ältere Arbeitnehmer in die Frühpension schicken, sollen bestraft werden.

2. Bildungsreform. 300 Millionen Euro werden in den weiteren Ausbau der Ganztagesschule investiert. Beschlossen dürfte auch eine Reform der Volksschule mit zusätzlichen Förderungen sein. Die ÖVP (siehe Interview) besteht auf dem Gymnasium. Dieses soll stärker zur Eliteschule werden.

3. Gesundheitspaket. Mittelfristig dürfte ein Rauchverbot in allen Gastronomiebetrieben umgesetzt werden – allerdings mit langen Übergangsfristen. Die Steuer auf Tabak wird weiter ansteigen. Diese Gelder sollen in Gratiszahnspangen für Kinder fließen.

4. Zukunftsfonds. SPÖ und ÖVP wollen (trotz Sparpaket) in Forschung und Innovation investieren. Konkret soll ein Zukunftsfonds das Breitbandnetz flächendeckend im ganzen Land ausbauen.

Die ÖVP beharrt auf einem Mittelstandsfonds in Höhe von zwei Milliarden Euro. Dieser soll jungen Unternehmern den Start in die Selbstständigkeit erleichtern. Die SPÖ will dazu eine Arbeitsplatzinitiative. Konkret: Ein Lehrlingsfonds soll Firmen finanziell unterstützen, die Junge ausbilden.

5. Sparpaket offen. Vorerst ist die Steuerreform abgesagt. Noch streiten SPÖ und ÖVP über die Höhe und Art des Sparpaketes: Die ÖVP will einen langfristigen Plan bis 2018. Die SPÖ will moderater sparen. Beamtenstopp ist fix. Dazu ist eine Nulllohnrunde geplant.

6. Sterbehilfe. SPÖ und ÖVP sind sich auch in einer heiklen gesellschaftspolitischen Frage einig: Das Verbot von Sterbehilfe soll als Verfassungsgesetz beschlossen werden. Auch der Anspruch auf palliativmedizinische Begleitung kommt.+

Spindi: "Bei allen großen Fragen noch keine Einigung"

ÖSTERREICH: Herr Vizekanzler, wie ist denn der Stand der Verhandlungen? Ist eine Einigung in Sicht? Kommt endlich Tempo in die Regierung?                                                                                                                                                                                        Michael SPINDELEGGER: Das Tempo ist die ganze Zeit schon da, wir haben uns in vielen Details angenähert. Aber der große Berg liegt noch immer vor uns. Beim Gipfelsturm der notwendigen Veränderungen – wie wir die 13 Milliarden Euro, die fehlen, einsparen – da sind wir noch nicht weiter.

ÖSTERREICH: Heißt: Die entscheidenden Koalitionsverhandlungen fangen erst an?
SPINDELEGGER: Ganz ehrlich: Bei allen großen Fragen sind wir erst am Beginn, arbeiten uns Stück für Stück vor.

ÖSTERREICH: Jetzt wundern sich viele Wähler: Warum können sich SPÖ und ÖVP nicht wenigstens auf den Fehlbetrag im Budget einigen?
SPINDELEGGER: Das ist nicht das Problem – auf den Fehlbetrag haben wir uns geeinigt. Hoffentlich. Das sind für die nächsten fünf Jahre 18 Milliarden für den Gesamtstaat – und davon entfallen 13 Milliarden auf den Bund. Wir müssen uns auf Strukturreformen einigen, die diese 13 Milliarden einsparen. Das werden harte Verhandlungen.

ÖSTERREICH: Das wären etwa 2,5 Milliarden Einsparung pro Jahr. Zusätzlich gibt es laut ÖVP 2014 auch noch 2 Milliarden Einnahmen weniger.
SPINDELEGGER:
Tatsache ist: Die Einnahmen schrumpfen, weil die Konjunktur nachlässt, die Arbeitslosenzahlen steigen. Deshalb will ich sparen, möchte aber auch Reformen, damit wir mehr Wachstum und ab 2015 wieder mehr Einnahmen haben.

ÖSTERREICH: Sind Sie mit Werner Faymann schon einig, wo gespart werden soll?
SPINDELEGGER: Das ist ein ongoing process.

ÖSTERREICH: Sehen Sie Licht am Horizont für die Einigung?                                                                                                     SPINDELEGGER: Das ist immer eine Frage der Betrachtung. Aber ich bin ehrlich und sage: Bei allen großen Fragen haben wir noch keine Einigung.

ÖSTERREICH: Da ist zunächst der Streit um die Pensionen.
SPINDELEGGER: Es muss eine klare Zielfestsetzung geben, auf wie viel wir das tatsächliche Pensionsantrittsalter bis 2018 festlegen.

ÖSTERREICH: Ich höre, Sie wollen es von 58,4 derzeit auf über 60 Jahre erhöhen.
SPINDELEGGER: Guter Ansatz. Das werden wir jetzt im Detail verhandeln. Aber noch wichtiger sind mir die Maßnahmen, die wir festschreiben, wenn das nicht eintritt. Wir müssen im Übereinkommen festschreiben, dass es alle sechs Monate eine Überprüfung geben muss, wie sich das faktische Pensionsalter nach oben bewegt. Und im Plan der Regierung müssen schon die Konsequenzen stehen, wenn das nicht der Fall sein sollte.

ÖSTERREICH: Sie wollen die Verwaltung reformieren.
SPINDELEGGER: Das ist ein ganz wichtiges Ziel.

ÖSTERREICH: Ist es richtig, dass Sie als Signal den Bundesrat abschaffen wollen?
SPINDELEGGER: Nicht abschaffen, sondern reformieren – als deutliches Signal, dass wir nicht nur bei den Bürgern, sondern auch in der Politik sparen. Mein Vorschlag wäre, dass künftig die Landtagsabgeordneten die Vertretung im Bundesrat mit übernehmen. Aber die Verwaltungsreform ist natürlich viel größer. Ich will, dass wir das Einsparungsziel klar festschreiben.

ÖSTERREICH: Wird es die Regierung noch vor Weihnachten geben – oder erst im Jänner?
SPINDELEGGER: Qualität geht vor Geschwindigkeit. Niemand hat was davon, wenn wir vor Weihnachten fertig sind, aber wichtige Punkte offen bleiben. Ich betone: Es ist möglich, dass wir bis Weihnachten in allen Punkten zusammenkommen. Aber dann müssen wir jetzt sehr schnell und sehr kompromissbereit sein.

ÖSTERREICH: Gibt es bei der Schulreform eine Einigung?
SPINDELEGGER: Auch dort gibt es große Fortschritte. Und noch große Unterschiede. Einig sind wir, dass wir eine große Volksschulreform wollen. Und es zeichnet sich ab, dass es künftig sowohl die Neue Mittelschule als auch das Gymnasium geben wird. Ich betone: Das Gymnasium abzuschaffen, wäre Wahnsinn. Das Gymnasium wird bleiben – auch in der Langform.

ÖSTERREICH: Sie wirken nicht mehr so, als würden Sie noch mit einem Platzen der Verhandlungen drohen.
SPINDELEGGER: Sie erleben mich kompromissbereit – aber auch entschlossen, dass es eine Einigung nur gibt, wenn wir uns auf die Strukturreformen einigen.

 

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