Türkis-grüne Verhandlungen

Kogler an Kurz: ''Locker bleiben''

15.12.2019

ÖVP-Chef Kurz drückt aufs Tempo. Und auch der Grünen-Chef Kogler nennt erstmals grüne Bedingungen.

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© APA/HELMUT FOHRINGER
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Er wolle, dass die türkis-grüne Regierung bis Anfang Jänner stehe, hatte Se­bastian Kurz gestern im oe24.TV-Interview angekündigt. Er wolle auch „möglichst rasch, aber so lange wie notwendig verhandeln“, antwortet jetzt Werner Kogler. „Keep cool“ ist denn auch seine Botschaft an die ÖVP und so einige Grüne, die irritiert auf ÖVP-„Fouls“ (Grünen-Generalsekretär Thimo Fiesel) reagiert hatten.

Eine Zeitung hatte kolportiert, dass die Grünen ab 20 Uhr die Lichter in den Fußballstadien abdrehen wollen würden. Ein „belustigender Unsinn“, kontert Kogler im ÖSTERREICH-Interview Erzählungen einzelner Türkiser.

Das Verhältnis zwischen Kurz und Kogler dürfte aber nach wie vor gut sein. Und auch in den Koalitionsverhandlungen dürfte einiges weitergehen: Beide Parteien basteln bereits am Text für ein Regierungsprogramm.

Nachdem VP-Chef Kurz in ÖSTERREICH seine Bedingungen genannt hatte – der Mi­grationskurs müsse bleiben, die Steuerlast sinken –, deklariert der Grünen-Bundessprecher im ÖSTERREICH-Interview auch erstmals die grünen Kernthemen deutlich.

Kogler kontert mit Wuchteln – und grünen Inhalten

Er strebe keine Koalition wie einst „unter Rot-Schwarz“ mit „Minimalkonsens“ an, sondern eine Regierung, in der sich beide wiederfänden.

  • Die Grünen würden daher eine Ökologisierung des Steuersystems anstreben. Die CO2-
Emissionen müssten nach fünf Jahren spürbar sinken.
  • Aber wie Kurz will auch Kogler, dass die Steuerlast „sinkt“. Beim Thema Wirtschaft dürften ÖVP und Grüne denn auch de facto handelseins sein.
  • Zudem pocht Kogler auf echte Transparenz – künftig soll der Rechnungshof Einsicht in Parteifinanzen erhalten – und ein Informationsfreiheitsgesetz, wonach das Amtsgeheimnis fiele.
  • Und last, but not least ein Paket gegen Kinderarmut.
  • In Sachen Migrationspolitik – Integration vor Zuwanderung – dürften die Grünen der ÖVP entgegenkommen.

Türkis-Grün könnte damit Anfang Jänner stehen.

Kogler über Gerüchte: "Lichter in Stadien abdrehen? Unsinn!"

ÖSTERREICH: ÖVP-Chef Kurz hat in einem oe24.TV-Interview erklärt, er wolle bis Anfang Jänner mit den Regierungsverhandlungen fertig sein. Ist das realistisch?

Werner Kogler: Der allergrößte Teil der ÖVP und wir Grünen verhandeln auf Erfolg hin. Ich bin dafür, so schnell wie möglich, aber auch so lange wie notwendig zu verhandeln. Zwei bis drei Wochen länger verhandeln, wenn die Regierung dann fünf Jahre hält, wäre gut investierte Zeit. Ich mache keinen Wettlauf mit Feiertagen und Kalenderblättern. Wir wollen ein solides Fundament und eine Regierung, die die ganze Legislaturperiode hält. Daher sage ich auch: Locker bleiben. Keep cool.

ÖSTERREICH: Und was sagen Sie zu VP-Quertreibern, die er­zählen, dass die Grünen ab 20 Uhr das Licht in Fußballstadien abdrehen wollen?

Kogler: Dass das ein be­lustigender Unsinn ist. Für mögliche Quertreiber aus ihren Reihen ist die ÖVP selbst verantwortlich. Das kann schon deshalb nicht stimmen, weil viele Grüne und ich um diese Zeit im Stadion sitzen. Ich glaube nicht, dass die Grünen mir das Licht abdrehen wollen.

ÖSTERREICH: War das eine bewusste Provokation, um die Grünen zu erzürnen?

Kogler: Wenn das als ­Provokation gemeint war und man glaubt, dazu halblustige Wuchteln kreieren zu müssen, könnten Grüne mit halblustigen Gags über kulturelle VP-Eigenheiten sicher mithalten. Oder um in der Fußballwelt zu bleiben: Ich denke, die Grünen würden in der Wuchtelliga auch gewinnen.

ÖSTERREICH: Sie sagen, es müssten im Regierungsprogramm grüne Kernthemen enthalten sein, sonst „sind wir halt nicht dabei“. Was sind diese Kernthemen?

Kogler: Wir können identifizieren, wofür wir gewählt wurden: eine Ökologisierung des Steuersystems, der Wirtschaft. Man muss in den Klimaschutz investieren. Und unser Ziel ist es, dass die CO2-Emissionen am Ende der Legislaturperiode nach fünf Jahren spürbar sinken. Wir wollen Österreich hier zum Vorreiter machen und könnten hier zum Vorbild in Europa werden. Das ist unser Ziel.

ÖSTERREICH: Die VP will, dass die Steuerlast sinkt …

Kogler: Das ist auch mein Ziel. Ich möchte, dass genau die Steuerlast für kleinere und mittlere Einkommen sinkt. Wir hinken aber bei Ökosteuern hinterher. Wir wollen das ökonomisch sinnvoll und sozial gerecht gestalten. Sinnvolle Investitionen in den Klimaschutz – und dazu sollten wir die besten Experten zuziehen – können sowohl Wirtschaft als auch Arbeitsplätze ankurbeln. Ich glaube, in diesen Fragen können wir Übereinstimmungen mit der ÖVP finden.

ÖSTERREICH: Wie wichtig ist Ihnen Sozialpolitik?

Kogler: Sehr wichtig. Wir können leider nicht alles schaffen, was der SPÖ in 30 Jahren als Regierungspartei – noch dazu die meiste Zeit als Kanzlerpartei – nicht gelungen ist oder was sie verabsäumt hat. Aber mir ist es ein großes Anliegen, Kinderarmut zurückzudrängen. Dafür treten wir ein. Ein Kernthema ist für uns auch Transparenz und Kampf gegen Korruption. Hier könnten die Grünen, etwa mit Rechnungshofeinsicht in Parteifinanzen und Informationsfreiheitsgesetz, mit dem Mief brechen und einen echten Kulturwandel erreichen. Und das gibt es nur mit den Grünen und sicher nicht mit Blauen in der Regierung.

ÖSTERREICH: Dafür will die ÖVP ihre bisherige Migrationspolitik beibehalten. Ist das mit den Grünen möglich?

Kogler: Wir wollen keine Koalition wie einst unter Rot-Schwarz mit Minimalkompromissen, sondern eine, wo sich beide Seiten wirklich wiederfinden. So wie ich die ÖVP verstehe, wollen sie Inte­gration vor Zuwanderung. Damit sind sie nicht die Einzigen. Uns ist wichtig, dass internationale Verträge und die Menschenrechtskonvention eingehalten werden.

ÖSTERREICH: Gibt es ein Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und Kurz?

Kogler: Ja, wir haben uns das schrittweise aufgebaut. Obwohl wir teilweise Unterschiedliches wollen, wollen wir – im Unterschied zu anderen – wirklich etwas.


Interview: Isabelle Daniel

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