Der Ton in der türkis-grünen Koalition bleibt rau. Der Koalitions-Streit um die Abschiebungen geht in die nächste Runde. Jetzt greift Vizekanzler Kogler (Grüne) Innenminister Nehammer (ÖVP) an.
Zwar versichern sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), dass Türkis-Grün trotz des Abschiebungs-Streits halten wird. Der Ton in der Koalition blieb am Wochenende aber durchaus rau. So wünschte sich Kogler etwa "mehr Herz und Hirn" vom Innenminister. "Je weniger Sachargumente man hat, desto aggressiver wird die Sprache", konterte ÖVP-Klubchef August Wöginger in der "Kleinen Zeitung" (Sonntag-Ausgabe).
Koalitions-Streit um Abschiebungen von Schülerinnen
Grund für den Ärger sind Abschiebungen von Schülerinnen und ihren Familien nach Georgien und Armenien. Die Grünen reagierten empört, trotz Druck von der Basis und aus den eigenen Reihen stimmte man im Nationalrat diese Woche aber inhaltlich eigentlich grünen Anträgen von SPÖ und NEOS nicht zu, um die Koalition nicht zu gefährden. Kogler kündigte stattdessen eine Kindeswohlkommission an, die sich mit dem Stellenwert von Kinderrechten bei Entscheidungen zum Asyl-und Bleiberecht befassen soll.
Vom Tisch ist die Sache damit aber noch nicht: Kogler gab am Wochenende mehrere Interviews ("Kleine Zeitung", "Standard", "Salzburger Nachrichten"), in denen er sich zwar zuversichtlich zeigte, dass die Koalition die volle Legislaturperiode hält, aber auch weiterhin von einem "offenen Konflikt" sprach und in seiner Kritik an Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nachlegte. So warf er Nehammer falsche Behauptungen und Ablenkungsmanöver von "Schwierigkeiten" im Innenressort vor. "Ich würde mir mehr Herz und Hirn erwarten, speziell vom Innenminister", meinte der Vizekanzler außerdem.
ÖVP-Klubchef Wöginger kontert Kogler-Attacke
Die ÖVP reagiert mittlerweile etwas gereizt: "Die Beschimpfungen gegen den Innenminister und die ÖVP ändern weder etwas am Regierungsprogramm noch am Rechtsstaat", richtete Wöginger dem Grünen Vizekanzler aus. "Man kann höchstgerichtliche Urteile persönlich ablehnen, in einem Rechtsstaat sollte man sie aber stets akzeptieren."
Kurz ist um Beruhigung bemüht
Ähnlich hatte zuvor auch schon Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der "Welt am Sonntag" argumentiert: "Man hat als Staatsbürger und Politiker das Recht, eine Gerichtsentscheidung persönlich als falsch zu empfinden. Aber wichtig ist, dass man sie respektiert", forderte der Kanzler. Kurz war aber auch um Beruhigung bemüht: "Ich bin sehr optimistisch, dass ÖVP und Grüne bis zum Herbst 2024 in der Regierung weiter gut zusammenarbeiten werden."
Edtstadler will "Versachlichung der Debatte"
Die für Verfassung zuständige Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) plädierte Samstagmittag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast" für "eine Versachlichung der Debatte". Bilder von den Abschiebungen machten sie betroffen. Aber man könne die Eltern und den Rechtsbeistand nicht aus der Pflicht lassen, es habe im konkreten Fall "einen klaren Missbrauch des Asylrechts" gegeben, befand Edtstadler. "Es gab hier keinen Spielraum", verteidigte sie ihren Parteikollegen Nehammer.
Schülervisum für abgeschobene Tina?
Für den in der Öffentlichkeit besonders diskutierten Fall der zwölfjährigen Tina prüft deren Anwalt Wilfried Embacher unterdessen laut "Kleiner Zeitung" und "profil", das Mädchen per Antrag auf ein Schülervisum zurück nach Österreich zu bringen. Eine Familie, wo die Schülerin dann unterkommen könnte, stünde bereit, sagte Embacher.
Rund 400 Jugendliche demonstrierten am Samstagnachmittag am Ring in der Wiener Innenstadt gegen derartige Abschiebungen von Kindern und Jugendlichen. "Liebe Regierung, Abschiebungen von Kindern sind NIE okay!", war etwa auf Transparenten zu lesen.