100 Jahre
Kreisky: Österreich feiert seine Legende
20.01.2011Kreisky-Festival in der Hofburg. Freunde über Jahrhundert-Politiker.
Heute steht die Republik ganz im Zeichen des einstigen „Sonnenkönigs“: Ab 18.30 Uhr lädt die Staatsspitze in den Redoutensaal der Wiener Hofburg zum offiziellen Festakt. Star-Redner wird der ehemalige spanische Premierminister und Kreisky-Freund Felipe González sein. González kommt als Vertreter der Sozialistischen Internationale. Kreisky prägte jahrelang dieses politische Vordenker-Gremium. Nach dem Festakt übersiedeln die Hunderten geladenen Gäste in die Prunkräume der Nationalbibliothek – Höhepunkt der seit Wochen andauernden Kreisky-Feiern. Ab Samstag präsentiert dann das Wiener Museum für Angewandte Kunst (MAK) die besten Porträtfotos des Jahrhundertkanzlers.
So verneigt sich Österreich vor einem der größten Politiker, den dieses Land jemals hatte: Kreisky hat fünf Nationalratswahlen gewonnen. Drei davon mit absoluter Mehrheit, war 13 Jahre lang Kanzler (1970 bis 1983): „Er brachte frischen Wind nach Österreich“, sagt sein ehemaliger Sprecher und Wahlkampfmanager Hans Mahr. Für Ex-Kanzler Franz Vranitzky war Kreisky einzigartig: „Er war entschlossen und stark genug, Themen aufzugreifen und Zustände zu verändern, die bis dahin von den meisten als in Stein gemeißelt angesehen wurden. So legte er den Grundstein für die Reformkraft der modernen Sozialdemokratie.“
„Bruno Kreisky war sein eigener Spin-Doctor“
Kreisky war weltoffen, reformfreudig. „Er hatte zwar jede Menge Berater“, beschrieb ihn Ex-SP-Außenminister Erwin Lanc, „doch er war sein eigener Spin-Doctor.“
Kreiskys Lieblingsbuch war Robert Musils Jahrhundertroman Der Mann ohne Eigenschaften. Für Margit Schmidt, engste Mitarbeiterin des Politikers von 1965 bis zu seinem Tod am 29. Juli 1990, war er jedoch das genaue Gegenteil: „Er war ein Mann mit Eigenschaften“, schreibt sie: „Intellekt, Spontanität, Kreativität, Humor und Leadership-Qualitäten.“ Schmidt: „Jeder kannte seine Telefonnummer. Ins Büro kam er immer mit Zetteln, auf denen er sich Namen und Wünsche notiert hatte, die wir dann zu bearbeiten hatten. Der Kontakt mit Menschen, egal ob am Telefon, unterwegs in der Bahn, bei Kundgebungen, war ihm wichtig.“
Androsch: „Er hat das Land sehr verändert“
Buchautor Wolfgang Petritsch, von 1977 bis 1983 Kreiskys Sekretär und später Leiter der ständigen Vertretung Österreichs bei der OECD, bestätigt das: „‚Im Mittelpunkt der Mensch‘ war für ihn keine leere Phrase, sondern überzeugend gelebte Politik.“
„Er hat Österreich lebenswerter gemacht“, sagt Hannes Androsch anerkennend über ihn: „Leider ist es zwischen Kreisky und mir nie zu einer Aussöhnung gekommen – er hat es nicht gewollt.“
Alt-Kanzler Helmut Schmidt in der "Zeit" über Bruno Kreisky:
(c) Reuters
FRAGE: Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung erinnern?
Helmut Schmidt: Ich habe Kreisky als Freund von Willy Brandt kennengelernt.
FRAGE: Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?
Schmidt: Er war ein Mann, der auf mich den Eindruck machte, als ob er alles besser wüsste. Aber, soweit ich mich erinnern kann, hat er sich nicht über deutsche Innen- und Außenpolitik geäußert, sodass es auch gar keinen Grund gab, miteinander stundenlang zu reden. Außer über die Weltlage im Großen. Er hatte einen guten Überblick über die Welt. (…) Er hatte wahrscheinlich einen besseren Überblick über die Welt als De Gaulle (französischer Staatspräsident) oder dessen Nachfolger Pompidou und einen viel besseren als irgendeiner der amerikanischen Präsidenten, die ich gekannt habe. Denn Kreisky hatte immer die Geschichte sowohl der europäischen Staaten als auch der ganzen Welt im Hinterkopf.
FRAGE: Sowohl Ihre als auch die Regierungszeit Kreiskys waren von einer weltweiten Wirtschaftskrise überschattet. Kreiskys politische Reaktion gipfelte in seinem vielleicht berühmtesten Ausspruch: „Mir bereiten ein paar Millionen Staatsschulden weniger schlaflose Nächte als ein paar Tausend Arbeitslose.“
Schmidt: Ich kann diesen Satz (…) durchaus nachvollziehen, ich hätte ihn aber anders formuliert. Einerseits war die österreichische Volkswirtschaft zu klein, um ein eigenes System des Keynesianismus zu entwickeln, andererseits war sie groß genug, weil fast alle anderen das Gleiche machten. Kreisky war nicht allein.
FRAGE: Kreisky war im Rahmen der Sozialistischen Internationale sehr darum bemüht, zur Lösung des Nahostkonflikts beizutragen.
Schmidt: Das war durchaus wichtig, aber ziemlich hoffnungslos. Ich habe Israel 1966 zum ersten Mal besucht und habe schon damals die ganze Sache für eine griechische Tragödie gehalten. Das heißt, man weiß schon bei Beginn des ersten Aktes, dass das Ganze tragisch endet.
FRAGE: Sie hielten Kreiskys Initiativen für aussichtslos?
Schmidt: (…) Nachdem das nicht einmal die amerikanischen Präsidenten zustande gebracht hatten, konnte das der österreichische Kanzler auch nicht.
FRAGE: Schwingt da leichte Kritik mit?
Schmidt: (…) Nicht unbedingt. Aber auch wegen der eigenen österreichischen Geschichte hätte ich das an seiner Stelle nicht gemacht.