Mit der Justizreform sollen vor allem Wirtschaftskriminalität und Korruption bekämpft werden.
ÖVP-Justizministerin Claudia Bandion-Ortner hat am Freitag ihre Offensive zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität und Korruption präsentiert. Ein Kernpunkt dabei ist die bereits angekündigte "Kronzeugenregelung". Sie soll bereits per 1. Jänner 2011 in Kraft treten. Weitere Maßnahmen betreffen die Einrichtung von Wirtschaftskompetenzzentren und mehr Transparenz bei Entscheidungen der Staatsanwälte.
Nach Kritik an der Justiz in den vergangenen Wochen von vielen Seiten wird Bandion-Ortner aktiv und organisiert einen Justizgipfel in der ersten Oktoberhälfte in ihrem Ressort. Geladen sind sowohl Justizorgane als auch Fachleute von außen. "Wirtschaftsverfahren werden immer komplexer. Wir müssen daher aufrüsten im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption", betonte die Ministerin.
"Wer singt, geht frei"
"Wir wollen erreichen, dass mehr
Leute auspacken und dafür Anreize schaffen, nach dem Motto 'Wer singt, geht
frei'", meinte Bandion-Ortner zur Einführung der Kronzeugenregelung im
Strafrecht. Bisher gibt es das nur im Kartellrecht. Die Kronzeugenregelung
habe eine präventive und eine reaktive Wirkung. Zum einen destabilisiere sie
kriminelle Strukturen, da sich die Täter nicht sicher sein können, dass
nicht ein Mittäter auspackt. Zum anderen helfe sie bei der Aufklärung von
schweren Taten.
Handbuch für Kronzeugen
Der Leitende Staatsanwalt Christian
Plinacek führte aus: "Der Kronzeuge muss der Staatsanwaltschaft freiwillig
sein Wissen über Tatsachen offenbaren und seine eigenen Taten vollständig
darstellen." Das Ganze muss passieren, bevor es gegen ihn ein
Ermittlungsverfahren gibt. "Es wird eine Art Handbuch geben, damit man weiß,
wie man Kronzeuge werden kann", so die Ressortchefin. Grundsätzlich ist die
Kronzeugenregelung nicht auf bestimmte Delikte beschränkt, Sexualdelikte und
Straftaten mit Todesfolge werden jedoch ausgeschlossen.
Nicht ganz ohne Sanktionen
Trotz seiner Kooperation hat der
Kronzeuge mit Sanktionen zu rechnen, wenn auch keine Freiheitsstrafe. Die
Staatsanwaltschaft kann Maßnahmen wie bei einer Diversion auferlegen, es
handelt sich etwa um Geldbußen von bis zu 240 Tagessätzen, gemeinnützige
Arbeit oder eine Probezeit.
40 Staatsanwälte im Einsatz
Im kommenden Jahr werden deshalb
ab 1. Juni 2011 in Wien, Graz, Innsbruck und Linz vier
Wirtschaftskompetenzzentren unter dem Dach der bestehenden
Staatsanwaltschaften eingerichtet. Mindestens 40 Kräfte werden dort für
Fälle wie Betrug, Untreue oder Förderungsmissbrauch zuständig sein, die eine
Schadenssumme von fünf Mio. Euro übersteigen. Auch organisierte
Schwarzarbeit, Pyramidenspiele, bei denen eine größere Zahl geschädigt
wurde, Bilanzdelikte, Finanzstraftaten oder Geldwäscherei fallen in ihren
Zuständigkeitsbereich.
Spezielle Wirtschaftsausbildung
Die dort tätigen Staatsanwälte
sollen speziell ausgebildet sein. So könnte sich die Ministerin vorstellen,
dass sie während ihrer Ausbildung etwa auch in der Finanzmarktaufsicht oder
in der Rechtsabteilung von Unternehmen Praxis sammeln. Auch sollen vermehrt
externe Experten zugezogen werden. Bandion-Ortner rechnet damit, dass die
neuen Zentren pro Jahr mit rund 800 Fällen beschäftigt sein werden. Nachdem
dem Justizressort eine Personalaufstockung von 151 Planstellen zugesagt
worden ist, werden die Ressourcen hier zum Einsatz gebracht, so die
Ressortchefin.
Eine weitere Maßnahme der Offensive betrifft die Transparenz von Staatsanwaltsentscheidungen. Demnach sollen Opfer künftig erfahren, aus welchen Gründen ein Ermittlungsverfahren eingestellt wurde. Auch der unabhängige Rechtsschutzbeauftragte werde besser eingebunden, wenn es kein Opfer gibt. Er soll auch den Obersten Gerichtshof anrufen können. Werden Verfahren von besonderem öffentlichen Interesse eingestellt, wird die Begründung im Internet veröffentlicht - unter Wahrung des Persönlichkeitsschutzes. "Transparenz schafft Vertrauen", so Bandion-Ortner und weiter: "Wir brauchen keine Mystik und keine Verschwörungstheorien. Wir brauchen mehr Klarheit."
Die Verschärfung des Zugriffs auf kriminelles Vermögen betrifft den vierten Punkt des Maßnahmenpakets. Bis jetzt war es laut Bandion-Ortner nur möglich, Bereicherungen aus Straftaten nach dem sogenannten Nettoprinzip abzuschöpfen. Das heißt, Aufwendungen des Täters etwa mussten vom Vermögen abgezogen werden. Künftig soll das Bruttoprinzip gelten, bei dem Aufwendungen nicht berücksichtigt werden. Sämtliche Vermögenswerte sind vom Gericht für "verfallen" zu erklären. Im neuen Wirtschaftskompetenzzentrum Wien werden spezialisierte Staatsanwälte damit beschäftigt sein, Vermögenswerte aufzuspüren.