Andrea Mayer gilt als grüne Favoritin

Kulturinsiderin aus Hofburg könnte Lunacek folgen

16.05.2020

Die einstige Kunst- und Kultur­sektionschefin des Kanzleramts könnte aufsteigen.

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Wien. Sie kenne den Kunst- und Kulturbetrieb in- und auswendig, sei über die Parteigrenzen hinweg respektiert und könnte als einstige Kunst- und Kultur-Sektionschefin im Kanzleramt auch ein Budget mit VP-Finanzminister Gernot Blümel verhandeln, sagen Grüne inoffiziell über Andrea Mayer.
 
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Die 57-Jährige ist seit 2017 Kabinettschefin von Alexander Van der Bellen. Geholt wurde sie ursprünglich vom damaligen Kulturminister Rudolf Scholten, bevor sie unter den einstigen Kulturministern Claudia Schmied und Josef Ostermayer Karriere machte. Jetzt könnte sie selbst zur Chefin aufsteigen und die schwer irritierten Künstler mitten in der Corona-Krise wieder besänftigen.
Sie erfülle die Kriterien, sagt denn auch Vizekanzler Werner Kogler, der die Nachfolgerin von Ulrike Lunacek am Montag seinem erweiterten Bundesparteivorstand präsentieren will. Noch sei aber alles offen.
 

Rachinger und Rollig werden auch genannt

Alternative. Genannt werden von Grünen aber auch die Direktorin der Nationalbibliothek Johanna Rachinger und Belvedere-Chefin Stella Rollig. „Denen aber Politerfahrung fehlt“, so ein skeptischer Grüner.
 

Lunacek: Warum sie wirklich ging

Am Donnerstag­nachmittag hatte sich Ulrike Lunacek unwiderruflich entschlossen: Nachdem Künstler tagelang harsche Kritik an ihr geübt hatten, gaben ihr ihre eigenen Parteifreunde offenbar den Rest.

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Zunächst, so erzählen es grüne Insider, habe sich die Kulturstaatssekretärin von Rudolf Anschober desavouiert gefühlt, weil dieser erste Theateröffnungen – ohne sie – am Dienstag in Aussicht gestellt hatte. Tags darauf hatten dann Anschober und der grüne Vizekanzler Werner Kogler ein 700 Millionen Euro schweres Hilfspaket auch für die Kunst- und Kulturszene präsentiert – wieder ohne sie. Was sie als Zeichen empfand.
 
Den endgültigen Schlag versetzte ihr die grüne Kultursprecherin Blimlinger in einem Interview, in dem sie ihr die Qualifikation absprach.
 
Dass Lunacek davor ungeschickt kommuniziert hatte und die Wünsche und Nöte der Kulturszene offenbar nicht genügend verstanden hatte, dürfte sie freilich auch wissen.
 
Am Donnerstag bot sie Kogler ihren Rücktritt an, dieser nahm ihn nach einem längeren Gespräch an. Der Vizekanzler sagt in ÖSTERREICH, dass die Kritik an ihr „teils auch untergriffig“ gewesen sei. Dass nicht alles gut gelaufen ist, bestreitet er freilich auch nicht.

Nicht mehr Geld für die Kulturszene von Regierung

Schaden. Lunacek dürfte sich aber auch von Finanz­minister Gernot Blümel gelegt gefühlt haben, der nicht rascher Geld für die Kulturschaffenden freigemacht hatte. Und sie dürfte auch die heftigen Attacken von SPÖ und Neos teils als orchestriert empfunden haben. Sie trat aber ohne Seitenhiebe ab.
 
 

Kogler: "Es war eine gemeinsame Entscheidung"

Vizekanzler im großen ÖSTERREICH-Interview über Ulrike Lunaceks Rücktritt.
 
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ÖSTERREICH: Hat Sie der Rücktritt von Lunacek überrascht?
 
Werner Kogler: Wir hatten es in den letzten Tagen in wechselseitiger Wertschätzung besprochen. Es war eine ­gemeinsame Entscheidung, nachdem sie mir ihren Rücktritt angeboten hatte.
 
ÖSTERREICH: Aber ist sie nicht auch ein Bauernopfer?

Kogler: Wir haben beide viele Auf und Abs in der ­Politik erlebt. Die Kritik an Ulrike war schon sehr heftig und teilweise auch untergriffig. Aber sie hat am Ende selbst gesagt, dass sie ihre vielen Stärken nicht mehr einsetzen konnte.
 
ÖSTERREICH: Hatten Sie nicht falsch kommuniziert? Die Gastronomie konnte vor Theatern öffnen. Verstörend?

Kogler: Ich verstehe Irrita­tionen, aber man darf nicht vergessen, dass sämtliche Staaten und wir in Österreich inklusive der Landeshauptleute zu Beginn der Corona-Pandemie der Meinung waren, dass man Veranstaltungen bis September aufgrund des Virus ganz vergessen könne. Man kann Kulturveranstaltungen mit fixen Beginn- und Schlusszeiten, wo gleichzeitig hunderte Menschen kommen und dann gehen, nicht mit Gasthäusern vergleichen. Wir planen jetzt weitgehendere Öffnungen als viele andere Staaten. Ich war immer dafür, so viel wie möglich zu versuchen. Aber man darf nicht vergessen, dass das Virus nicht verschwunden ist. Da haben wir als Regierung eine Verantwortung für alle. Und das ­sagen uns ja die Mediziner, dass es etwa diesen Mindestabstand von einem Meter gibt.
 
ÖSTERREICH: Aber verstehen Sie die Kritik der Kulturszene?
 
Kogler: Ich bin für Kritik immer offen. Und ja, die Kom­munikation hätte besser sein können. Aber, was man verstehen muss, die Alternative wäre nichts – also gar keine Veranstaltungen bis Herbst – gewesen. Wir bemühen uns. Mit Herrn Föttinger vom Theater in der Josefstadt hatte ich ein interessantes Gespräch, und ich verstehe auch, wenn er sagt, dass mit einem Meter Abstand im Publikum kein echtes Theatergefühl aufkommt. Ganz zu schweigen von der möglichen Nichtwirtschaftlichkeit. Aber wenn er meint, er könne ein allfällig notwendiges Contact Tracing selbst organisieren, dann sollte das mit Datenschützern abgeklärt werden. Die Mehrheit ist jedenfalls einverstanden mit den Maßnahmen. Ein Teil will alles rascher öffnen, aber vielen geht es auch zu schnell. Und wenn wir gar keinen Abstand mehr vorsehen, könnte man uns vorwerfen, dass wir vorsätzlich eine zweite Krankheitswelle anheizen. Es bleibt eine Gratwanderung.
 
ÖSTERREICH: Grüne meinen, Andrea Mayer wäre eine gute neue Staatssekretärin?
 
Kogler: Wir brauchen jetzt jemanden, der gut vernetzt in der Kulturszene ist, engagiert ist und professionell managen kann. Insofern erfüllt Andrea Mayer all diese Kriterien. Aber ich führe mit mehreren Gespräche, auch wenn ich eine Favoritin habe. Wir werden kommende Woche eine Nachfolgerin präsentieren.
 
ÖSTERREICH: Viele haben aufgrund der Arbeitslosigkeit und Rezession Angst. Sie treiben im Hintergrund an, dass mehr passiere, heißt es?
 
Kogler: Wir haben gleich wirtschaftlich gegengesteuert. Ohne Kurzarbeit wäre die Situation weit schlimmer, daher wollen wir sie auch im Kern verlängern. Es ist richtig, dass ich im Hintergrund antreibe, wirklich „whatever it takes“ zu machen. Deshalb wird auch immer wieder nachgebessert. Auch andere haben ­gute Ideen, wie etwa die für Tourismusgutscheine. Aber in der nächsten Phase müssen wir mit klassischer Konjunkturbelebung arbeiten. Also als Staat investieren – mit Klimaschutz und klassischen Infrastrukturpaketen schafft man Arbeitsplätze.
 
Interview: Isabelle Daniel
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