Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz zieht sich komplett aus der Politik zurück.
Sehr geehrte Damen und Herren.
Wenn man auf einen prägenden Lebensabschnitt zurückblickt und im Blick zurück trotz aller Herausforderungen, die das Leben so mit sich bringt vor allem eins empfindet, nämlich Dankbarkeit, dann glaube ich, darf man sich sehr glücklich schätzen.
Ich stehe heute hier vor Ihnen und darf auf zehn Jahre politische Tätigkeit in der österreichischen Bundesregierung zurückblicken. Zunächst als Staatssekretär, dann als Außenminister und zuletzt als Bundeskanzler. Und um ehrlich zu sein bin ich für diese Zeit extrem dankbar, für all diese Erfahrungen, die ich machen durfte. Für alles, dass uns gelungen ist und ich hoffe natürlich sehr, dass ich meinen Beitrag auch leisten konnte unser wunderschönes Österreich ein kleines Stück in die richtige Richtung zu bewegen. Zumindest habe ich stets mein bestes gegeben und alles versucht.
Ich habe von Anfang an und Sie haben das als Medienvertreter sehr genau beobachtet, aus meinen politischen Überzeugungen keine Geheimnisse gemacht. Dass sich Arbeiten gehen in Österreich auszahlen muss und dass jeder der arbeiten geht, auch von seinem Einkommen leben können muss. Dass Migration nicht ungesteuert stattfinden darf, sondern es auch Grenzen braucht. Und das wir einen starken Wirtschaftsstandort brauchen, damit wir auch den Wohlstand in unserem Land aufrechterhalten können.
All diese Überzeugungen und klaren Positionen, die haben Zustimmung aufgelöst und gleichermaßen natürlich auch Ablehnung. Und ich sage dazu: Ich glaube, dass das wichtig ist in einer liberalen Demokratie auch diese Debatten zu haben und ich hab den Diskurs zu all diesen Themen persönlich immer sehr geschätzt.
Ich durfte in dieser unglaublich intensiven Zeit sehr viel lernen, denn die Politik ist extrem vielseitig und gerade die Aufgabe als Bundeskanzler bietet eine extreme inhaltliche Breite. Vor allem aber bedeutet Spitzenpolitik und Sie können sich das wahrscheinlich denken, vor allem auch stetig ein Wechselbad an Gefühlen. Zum einen ist es wunderschön, wenn man etwas bewegen kann und wenn man das Gefühl hat etwas zu tun, was man für richtig erachtet.
Gleichzeitig ist es aber so, dass man jeden Tag so viele Entscheidungen zu treffen hat, dass man schon in der Früh weiß, dass jeden Tag auch falsche Entscheidungen dabei sein werden. Und darüber hinaus steht man unter ständiger Beobachtung, wird täglich kritisiert und hat fast ein bisschen das Gefühl gejagt zu werden und es wird Sie vielleicht überraschen aber sogar dieser Eindruck gejagt zu werden hat eigentlich auch etwas Positives ausgelöst, denn es hat mein Team und mich stets auch zu Höchstleistungen motiviert.
Mein Team und ich haben in den letzten 10 Jahren fast rund um die Uhr gearbeitet. Wir haben alle die Aufgabe, die Funktion, die Tätigkeit für die Republik über fast alles andere gestellt und haben natürlich somit in den letzten 10 Jahren extrem viel Zeit investiert. Ich gebe zu, es war für fast alles andere, eigentlich kaum oder gar keine Zeit und vieles ist in dieser Phase wahrscheinlich auch nicht entsprechend möglich gewesen und manches ist vernachlässigt worden insbesondere die eigene Familie.
In den vergangenen Wochen, die nicht einfach waren und dann in den vergangenen Tagen, die sehr schön waren, insbesondere auch bei der Geburt des eigenen Kindes ist mir dann aber mehr und mehr wieder bewusst geworden, wie viel schönes und wichtiges es auch außerhalb der Politik gibt. Und was mir ganz besonders wichtig ist festzuhalten ist, dass ich überzeugt davon bin, dass es das eine ist für eine politische Tätigkeit 100% Zeit zu investieren, dass ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit in so einer Funktion. Ich glaube was es vor allem aber auch braucht ist mit 100% Begeisterung dabei zu sein. Mit Begeisterung dabei zu sein und auch Freude an der Tätigkeit zu haben und ich kann Ihnen nur sagen: Ich für meinen Teil, ich war die letzten 10 Jahre mit 100%iger Begeisterung dabei und ich hatte immer enorme Freude an der politischen Arbeit.
Die letzten Monate, die letzten Wochen, die letzten Tage ist diese Begeisterung bei mir ein bisschen weniger geworden und das hat sich verändert und ich glaube nach einer so langen Zeit ist es durchaus auch ein natürlicher Prozess, dass Begeisterung weniger wird. In meinem Fall haben sicherlich auch die Entwicklungen der letzten Monate stark dazu beigetragen. Ich habe Politik immer verstanden als einen Wettbewerb der besten Ideen. Und in den letzten Monaten war aber mein pol Alltag kein Wettbewerb der besten Ideen mehr, sondern viel eher die Abwehr von Vorwürfen, von Anschuldigungen von Unterstellungen und von Verfahren. Und meine Leidenschaft für Politik, die ich 10 Jahre enorm hatte, die ist sicherlich in dieser Phase auch ein Stück weit weniger geworden.
Und auch wenn es vielleicht dazu gehört in solchen Spitzenpositionen immer wieder mit Vorwürfen zu kämpfen zu haben und ich weiß aus dem Inland von vielen Kollegen und vor allem auch aus dem Ausland von vielen anderen Regierungschefs, dass das für viele Normalität ist Vorwürfen ausgesetzt zu sein, aber, wenn man es selbst erlebt, dann ist es doch etwas Kraftraubendes, etwas Zerrendes und es hat zumindest in mir, meine eigene Flamme ein bisschen kleiner werden lassen.
Mir ist wichtig, sehr geehrte Damen und Herren festzuhalten, dass - und ich hoffe Sie verstehen mich nicht falsch – ich mich, ich möchte heute nicht behaupten, dass ich nie etwas falsch gemacht habe. Ich habe immer mein bestes gegeben, aber ich habe selbstverständlich Fehlentscheidungen getroffen. Ich habe immer wieder in gewissen Momenten es auch nicht geschafft meinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden.
Aber gleichzeitig möchte ich in aller Deutlichkeit sagen: Ich bin weder ein Heiliger noch ein Verbrecher. Ich bin ein Mensch mit Stärken und Schwächen. Mit Fehlern und Erfolgen und allem, was sonst noch dazugehört. Und gerade, weil es Vorwürfe gegen mich gibt, die seit einigen Monaten im Raum stehen ist mir wichtig auch noch einmal festzuhalten: Ich freue mich persönlich auf den Tag, auch wenn es Jahre dauern kann, wo ich bei Gericht auch beweisen kann, dass die Vorwürfe gegen meine Person schlicht und ergreifend falsch sind.
Die heutige Entscheidung und das können Sie sich wahrscheinlich vorstellen, die ist mir nicht leicht gefallen. Aber ich sage dazu: Es ist trotzdem so, dass ich keine Schwermut empfinde, denn ich bin extrem dankbar für alles was ich in den letzten 10 Jahren erlebt haben durfte und bin auch froh über all das, was meinem Team und mir für Österreich gelungen ist. Mit 35 Jahren darf ich jetzt zurückblicken auf mittlerweile 10 Jahre Dienst an der Republik auf unglaublich viele Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen. Auf Begegnungen mit unglaublichen Persönlichkeiten vom Dalai Lama bis zum Papst. Gespräche mit den Präsidenten der Weltmächte USA, China und Rus. Die Vertiefung unserer Beziehungen mit unseren Freunden am Westbalkan, was mir immer ein bes Anliegen war. Das Schmieden von Allianzen auf EU-Ebene um die Schuldenunion zu verhindern, oder um für mehr Subsidiarität einzutreten. Und meiner Meinung nach auch die notwendige Auseinandersetzung mit unserer Geschichte und der Versuch ein noch besseres Verhältnis mit dem Staat Israel aufzubauen.
Und auch innenpolitisch haben wir es denke ich geschafft einige Vorhaben zu verwirklichen, die mir immer ein großes Anliegen waren. Die Einführung des Familienbonus und eine steuerlichen Entlastung für Familien. Die CO2-Bepreisung um eine schrittweise Transformation auch unseres Steuersystems sicherzustellen, oder auch Modernisierungsschritte, die wir gesetzt haben, die kritisiert worden sind, für die Flexibilisierung der Arbeitszeit und andere, wo ich glaube, dass sie wichtig für unseren Wirtschaftsstandort waren. Zuletzt ist natürlich alles im Fokus der Pandemiebekämpfung gestanden. Wo wir stets versucht haben neben der gesundheitlichen Aspekte auch mit Wirtschaftshilfen und Kurzarbeit alles zu tun, um das wirtschaftliche und soziale Leid, das durch die Pandemie ausgelöst wird so gut wie möglich in Grenzen zu halten.
Was mir immer am meisten Freude bereitet hat, das war quer durch Ö unterwegs zu sein und mit Menschen aus ganz unterschiedl Ecken und Denkrichtungen zusammen zu treffen. Und das schönste Gefühl war eig, wenn einem Menschen ihre ganz persönl Sorgen und Nöte geschildert haben und man wusste, man kann nicht nur zuhören, sondern man hat als Politiker die Möglichkeit die Dinge zumindest ein stückweit für diese Menschen in die richtige Richtung zu verbessern.
Dass es uns gelungen ist kleine Pensionen endlich ein Stück weit zu erhöhen. Dass es uns gelungen ist kleinere Einkommen und Familien zu entlasten, dass ist etwas, das mir extrem wichtig war und wo ich einfach auch überzeugt davon bin, dass das die Ehre meines Lebens war und ist und an das werde ich mich auch immer erinnern.
Oft heißt´s: Die Politik ist ein undankbares Geschäft. Und mir ist wichtig am heutigen Tag festzuhalten, dass ich das überhaupt nicht so sehe und ich möchte dem auch entschieden wiedersprechen. Ich halte es für unglaublich schön sich für etwas einsetzen zu dürfen, woran man glaubt. Es ist unglaublich schön für die eigene Republik, für das eigene Land arbeiten zu dürfen unddiesem dienen zu dürfen und auch wenn die Politik ein robustes Geschäft ist, keine Frage, so ist es doch so, dass im Gespräch mit den Menschen quer durchs Land man als Politiker immer auch sehr viel zurückbekommt.
Und daher sehr geehrte Damen und Herren stehe ich heute nicht nur sehr dankbar da für diese 10 schönen Jahre, sondern ich möchte natürichl auch die Möglichkeit nutzen und ich hoffe Sie gestatten mir das und all den Menschen Danke sagen, ohne die dieser ganze Weg und all das niemals möglich gewesen wäre. Ich möchte mich vor allem bei meinem Team bedanken, weil ich die Möglichkeit hatte tagtäglich mit herausragenden Menschen zusammenzuarbeiten. Ich möchte mich bei den Ministerinnen und Ministern in meinen Regierungsmannschaften bedanken die allesamt tagtäglich großartiges leisten. Ich möchte mich bei unseren Koalitionspartnern FPÖ und Grünen bedanken, denn trotz aller Unterschiede und ja die gibt es, ist es immer eig gelungen relativ professionell zusammenzuarbeiten und mit vielen gab´s auch auf menschl Ebene stets eine gute Basis. Ich möchte mich bei BP VdB und NR-P Sobotka bedanken, denn es ist keine Selbstverständlichkeit, dass der Auftritt im Ausland für die Republik stets gut abgestimmt war und gerade in Krisenzeiten war auch immer eine gute Zusammenarbeit im Inland gewährleistet.
Und ich möchte mich bei Alexander Schallenberg bedanken, weil ich selbst weiß was es bedeutet Verantwortung zu übernehmen und er war bereit vor einigen Wochen in einer schwierigen Zeit Verantwortung zu übernehmen. Ich möchte mich natürl ganz bes bei der VP bedanken, die mich stets getragen und unterstützt hat. Meiner pol Heimat der JVP, den Ländern und Bünden für die Geschlossenheit in den Jahren, den Generalsekretären Stefan Steiner, Elli Köstinger, Axel Melchior und Karl Nehammer, die tolle Arbeit
geleistet haben.
Ich möchte mich bei denjenigen bedanken, die mich schon sehr früh unterstützt haben, als ich noch nicht in der Öffentlichkeit gestanden bin in der JVP, von Markus Figl bis Josef Pröll. Michael Spindelegger war es dann, der mir eine Chance als StS gegeben hat. Hanni Mikl-Leitner hat mich damals in dieser für mich sehr schwierigen Phase als 24-jähriger zu Beginn der Regierung sehr unterstützt und natürl möchte ich auch all jenen Danke sagen, die mich immer mit ihrer Lebenserfahrung unterstützt haben und ganz uneigennützig mir stets mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind. Das sind sehr viele. Stellvertretend für viele möchte ich hier vllt Wolfgang Schüssel und Andreas Kohl nennen.
Vor allem aber sehr geehrte Damen und Herren gilt mein Dank den Wählerinnen und Wählern und den Unterstützerinnen und Unterstützern. Wir haben 2 Wahlkämpfe nicht nur führen, sondern auch gewinnen dürfen und das wäre niemals möglich gewesen, ohne die zehntausenden Unterstützerinnen und Unterstützern quer durch Ö. Und ich war mir eig immer sicher, dass diese beiden Wahlkämpfe durch nichts zu toppen sind. Vor ein paar Tagen habe ich dann erlebt, dass die Geburt des eigenen Kindes noch einmal alles andere toppt, was man je zuvor gesehen oder erlebt hat. So ein kleines Baby kann man stundenlang anschauen und ist froh und glücklich darüber und insofern ist natürlich dieses Wunder etwas einzigartiges, aber Abseits dieser persönl Freuden und Privatleben sind diese Wahlerfolge sicherlich etwas, was ich niemals in meinem Leben vergessen werde, wo ich Danke sagen möchte und noch ein Leben lange eine große Freude darüber empfinden werde.
Wenn ich heute den Abschied aus der Politik nehme, dann möchte ich noch einmal betonen - und das ist mir als Obmann der BP wichtig dass ich überzeugt davon bin, dass es wichtig ist, dass es eine starke VP gibt. Die Grundwerte der VP: Fleiß, Eigenverantwortung aber auch Solidarität, die haben einen Beitrag dazu geleistet, dass unser Land heute so lebenswert ist, wie es ist. Und ich möchte an
dieser Stelle auch klar sagen, dass gerade, weil von manchen immer wieder der Eindruck erweckt wird, als wäre der Erfolg der VP auf eine Person oder auf meine Person in den letzten Jahren zurückzuführen kann ich Ihnen nur sagen: dieser Eindruck ist falsch. Es gibt in der VP unglaublich viele erfahrene Kräfte. Es gibt viele junge Talente und es gibt ganz viele Menschen, die quer durch die Gemeinden auf Landesebene, vor Ort, oder auch auf Bundesebene das Feuer auch in sich tragen, dass ich 10 Jahre lang hatte und die tagtägl sich bemühen, bestmögliches für unser Land zu leisten.
Ich bin überzeugt davon, dass es auch in Zukunft eine starke VP geben wird, die gute Arbeit für unser wunderschönes Ö leisten wird. Und ich werde um das auch zu unterstützen morgen eine Sitzung des Bundes-Partei-Vorstandes einberufen und werde meine Funktion als Obmann übergeben. Ich werde die Leitung des Klubs wieder an Gust Wöginger übertragen, der das schon jahrelang hervorragend gemacht hat. Und ich werde in den nächsten Wochen eine geordnete Übergabe all meiner pol Funktionen sicherstellen.
Für mich sehr geehrte Damen u Herren beginnt somit ein neues Kapitel in meinem Leben, dass ich mit heute aufschlagen darf. Vor allem freue ich mich darauf einmal Zeit mit meinem Kind und meiner Familie zu verbringen und ich werde das sehr genießen, bevor ich dann auch persönl im neuen Jahr berufl mich neuen Aufgaben widmen werde. Ich gebe zu, ich stehe heute da und bin nicht nur gespannt auf diesen neuen Lebensabschnitt, sondern ich freue mich auch darauf. Aber mir ist wichtig zu betonen: Es war mir eine große Ehre der Republik 10 Jahre dienen zu dürfen. Vielen Dank!