An der Grenze
Kurz: "Es kann unschöne Szenen geben"
23.01.2016
Der VP-Minister setzt in der Flüchtlingsfrage jetzt auf Härte.
ÖSTERREICH: War der Asylgipfel ein Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik?
Sebastian Kurz: Es war ein wichtiger Schritt. Es ist klar, dass sich die 90.000 Flüchtlinge des vergangenen Jahres so nicht mehr wiederholen können. Das würde unser Land massiv überfordern.
ÖSTERREICH: Ist es eine Obergrenze oder ein Richtwert, wie es die SPÖ sieht?
Kurz: Wir müssen gemeinsam Grenzen setzen. Auch wenn wir von Kriegsflüchtlingen sprechen: Es ist doch so, dass diese durch zahlreiche sichere Länder durchziehen und am Ende des Tages aus ökonomischen Gründen ihren Asylantrag in Österreich, Deutschland oder Schweden stellen.
ÖSTERREICH: Also war es ein Signal an andere Länder?
Kurz: Ja. Kein Land der Welt kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen. Es kann doch nicht funktionieren, dass unser Nachbarland Slowenien unter 1.000 Asylanträge hat – und wir gleich 90.000.
ÖSTERREICH: Was passiert mit dem 37.501., der seinen Asylantrag stellen will?
Kurz: Die gültige Dublin-Regelung sieht vor, dass Flüchtlinge ihren Antrag stellen müssen, wo sie das erste Mal die EU betreten. Also etwa in Griechenland. Wenn unsere Obergrenze erreicht ist, kann Österreich selbstverständlich den Flüchtling an der Grenze zurückweisen, der er ja etwa in Slowenien in einem sicheren Land war und aus einem rein ökonomischen Motiv den Antrag in Österreich stellen will.
ÖSTERREICH: Wird das in großem Stil passieren?
Kurz: Das kann leicht sein. Wir können doch nicht zusehen, dass sich die Situation des vergangenen Jahres wiederholt. Es ist entschieden, dass wir jetzt ganz klar Grenzen setzen.
ÖSTERREICH: Kann es zu unschönen Szenen an unserer Grenze kommen, wenn Flüchtlinge abgewiesen werden?
Kurz: Die Masse der Flüchtlinge verhält sich friedlich. Aber natürlich kann es sein, dass Einzelne versuchen, gewaltsam gegen Polizei und Bundesheer vorzugehen. Ja, da kann es zu unschönen Szenen kommen.
ÖSTERREICH: Es gibt Kritik an Griechenland, weil es die EU-Außengrenze nicht schützt. Also Athen raus aus Schengen?
Kurz: Griechenland war im letzten Jahr in einer sehr komfortablen Situation: Sie haben die Flüchtlinge einfach weitergewunken. Das kann so nicht funktionieren. Ja, es gibt Diskussionen darüber, wie mit Griechenland zu verfahren ist, wenn es die EU-Hilfe zum Schutz seiner Außengrenze weiter nicht annimmt.
ÖSTERREICH: Sie hoffen auf einen Domino-Effekt der Kontrollen, damit weniger Flüchtlinge kommen. Ist dieser Effekt nicht das Ende der Reisefreiheit und damit der EU?
Kurz: Das Gegenteil ist der Fall: Das Weiterwinken der Flüchtlinge gefährdet Schengen. Ich bin zu 100 % überzeugt, dass wir am Ende eine europäische Lösung haben werden. Der Domino-Effekt erhöht den Druck, damit dies rascher geschieht.
Interview: G. Schröder