Bundeskanzler Kurz fand im oe24.TV-Interview mit ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner drastische Worte zur Coronavirus-Krise.
"Wir müssen uns darauf einstellen, dass Europa hart getroffen wird. Das Europa wahrscheinlich sogar härter getroffen wird als China", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwochabend im Interview mit ÖSTERREICH Herausgeber Wolfgang Fellner auf oe24.TV zur Einschätzung um die aktuelle Coronavirus-Krise.
Diese Herausforderung werde uns noch monatelang beschäftigen. Das Ziel müsse aber sein, dass sich die Ausbreitung verlangsame.
Oe24TV: Ein Paukenschlag heute Nachmittag im Bundeskanzleramt ...
Sebsatian Kurz: Für viele Menschen ist das ganze Ausmaß dessen womit wir es hier zu tun haben noch nicht ganz sichtbar. Manche glauben nach wie vor, es sind bloß 250 Fälle in Österreich. Es geht aber nicht um die Fallzahlen mit denen wir es zu tun haben, es geht um die Kurve des Anstiegs. Die ist wie in Italien oder in anderen Ländern dramatisch hoch und dramatisch schnell. Wir müssen jetzt alle Maßnahmen setzen, die man setzen kann, um dieses Wachstum der Infektionen irgendwie abzuflachen und zu bremsen. Die Schulen sind in diesem Zusammenhang ganz wesentlich, weil es darum geht, generell soziale Kontakte zu reduzieren. Bei über einer Million Schülerinnen und Schülern gibt es unzählige soziale Kontakte jeden Tag, die alle eine Ansteckungsgefahr bedeuten. Für die Schülerinnen und Schüler ist das Corona-Virus meist kein Problem. Aber für die Großelterngeneration ist es in einigen Fällen tödlich. Daher ist es wichtig, dass wir jetzt agieren. Ab Montag gibt es keinen Unterricht mehr für Schüler in den Oberstufen, also älter als 14 Jahre. Bei den unter 14-jährigen ist unsere dringende Bitte, dass die Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen können, dies auch tun. Wer diese Möglichkeit nicht hat, für den steht die Schule als Betreuungsangebot offen. Das Wichtigste aber: Auf keinen Fall die Kinder zu den Großeltern bringen.
Oe24TV: Seit der Ankündigung gibt es Tausende Reaktionen von Eltern die fragen, wie soll ich das schaffen?
Kurz: Daher das Angebot der Betreuung in den Schulen. Es ist keine generelle Schließung. Jeder, der sich jetzt Sorgen macht, denn kann ich sagen, die Schulen sind nicht geschlossen. Er hat nach wie vor die Möglichkeit, sein Kind hinzubringen, es wird dort betreut. Viele Eltern können aber zu Hause betreuen und die sollen es tun. Ist schließlich die Zahl der Kinder in den Schulen niedriger, sitzen auch weniger Kinder in den Klassen und es ist größerer Abstand. Wir wissen, wenn die sozialen Kontakte um 25 Prozent reduziert werden, haben wir 50 Prozent weniger Ansteckung. Darum geht’s. Wir müssen ein Abflachen der Kurve zustande bringen. Damit können wir Leben retten.
Oe24TV: Auch das Stoppen aller Veranstaltungen löste riesiges Echo aus, viel Künstler bringt das um ihre Existenz, Fußballfans beschweren sich. Was sagen Sie denen?
Kurz: Es wäre absolut fahrlässig, die Gewissheit zu haben, was auf uns zukommt und nicht zu reagieren. Alle Menschen, die sich im Detail mit der Entwicklung des Corona-Virus beschäftigt haben, sind alarmiert. Schauen Sie sich die Bilder in Italien an, wo Ärzte bereits entscheiden müssen, wer ins Spital darf und wer nicht. Das sind Zustände die drohen, wenn man nicht reagiert. Deshalb ist es notwendig das zu tun, was wir tun. Auf ein Fußballmatch können wir einige Wochen verzichten, auf öffentliche Verkehrsmittel nicht.
Oe24TV: Die WHO hat das Corona-Virus zur Pandemie erklärt.
Kurz: Hoffentlich hören jetzt die Verharmlosungsversuche auf. Einige haben gesagt, das sei wie eine Grippe. Das ist eben nicht wie eine Grippe. Wir haben eine Sterblichkeit, die zehn bis 30 Mal so hoch ist wie bei der Grippe. Und es ist nicht statt der Grippe, sonder es ist zusätzlich zur Grippe. Es gibt in den Spitälern nur begrenzte Kapazitäten, um kranken Menschen zu behandeln. Jeder Mensch hat eine Verantwortung für die ältere Generation. Für mich als jungen Menschen ist das Virus vielleicht unproblematisch. Für ältere schaut es anders aus.
China kam mit sehr sehr harten Maßnahmen mit dem Virus zu recht. In Europa ist die Entwicklung eine sehr sehr negative. Noch können wir reagieren, noch kann man etwas tun. Aber die zahlen steigen alarmierend schnell.
Oe24.TV: Der Rettungschef sagte: Willkommen im Club der Lebensretter. Was bedeutet das?
Kurz: Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, um Leben zu retten. Meine Freundin und ich haben ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern, wir verbringen viele Wochenenden miteinander. Wir haben uns aber jetzt bewusst entschieden, das die nächsten Wochen nicht zu machen. Weil ich mit so vielen Menschen zu tun hab‘, dass ich nicht derjenige sein mag, der meine eigenen Eltern ansteckt.
Jeder der jetzt für einige Wochen sein sozialen Leben reduziert, soziale Kontakte meidet vor allen dass er versucht auch ältere Menschen nicht ansteckt , der leistet einen Beitrag. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern, immer wenn es sich am Wochenende ausgeht, sind meine Freundin und ich am Sonntag zum Mittagessen, aber wir haben uns bewusst entschieden, das die nächsten Wochen nicht zu machen, weil ich mit so vielen Menschen zu tun habe, das ich nicht derjenige sein möchte der meine eigenen Eltern ansteckt.
Oe24.TV: Unglaubliche Geschichte! Sie kommunizieren mit ihren Eltern in den nächsten Wochen nur per Telefon.
Kurz: Das ist unser Ziel, weil ich weiß dass bei der Häufigkeit meiner sozialen Kontakte ich sehr leicht meinen 70 jährigen Vater anstecken könnte und das möchte ich nicht, weil für ihn die Auswirkungen einer Infektion ganz anders sind als für mich.
Oe24.TV: Und das ist auch Ihr Appell an die Österreicher, fahrt die sozialen Kontakte zurück, trefft eure Großeltern einmal nicht eine Zeit lang, vor allem bringt nicht die Kinder zu den Großeltern, da ist Ihr Appell.
Kurz: So hart das klingt, aber das ist das was man im Moment tun kann und auch tun muss. Da kann jeder einen Beitrag leisten, wir haben noch eine überschaubare Zahl von Fällen von der Corona Infektion in Österreich, aber diese Zahl wird rasant steigen und wir müssen verhindern das sie zu schnell steigt und wir müssen vor allem die älteren Menschen schützen.
Oe24.TV: Abschließende Frage Herr Bundeskanzler: Wie lange wird das denn noch dauern, auf was müssen wir uns einstellen und ist die Tatsache dass Sie gesagt haben, die Schulen sind jetzt bis Ostern geschlossen, einmal nur eine vorläufige Ansage muss man damit rechnen das sie vielleicht bis zum Ende des Schuljahres geschlossen werden wie zum Beispiel bei Unis in Amerika ja schon sind?
Kurz: Das ist überhaupt nicht das Ziel wir haben die Maßnahme bewusst zeitlich befristet mit Ostern, das ist ohnehin ein sehr langer Zeitraum, aber es bietet die Chance das sich die Ausbreitung dadurch verlangsamt und das muss unser absolutes Ziel sein.
Oe24.TV: Und auf was müssen wir uns einstellen? Dass weltweit die Infektionszahlen explodieren? Auch bei uns?
Kurz: Wir müssen uns darauf einstellen das Europa hart getroffen wird, das Europa sogar härter getroffen wird als China und das uns dieser Herausforderung Monate beschäftigen wird.